Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich geht es jetzt, wo die Entscheidung für eine private Baufinanzierung gefallen ist, um eine nüchterne Einschätzung der finanziellen Realisierung. Jetzt, wo die Entscheidung gefallen ist, steht aber auch das UK S-H in der Pflicht, realistisch nachzuweisen, durch welche Maßnahmen und in welcher Höhe Effizienzgewinne erreichbar sind, wie die Beschaffung effizienter gestaltet werden kann, wo in den Chefetagen Spielraum für Einsparungen besteht. Ob Organspenden, hohe Vorstandsund Chefarztvergütung, Abrechnung von Nebentätigkeiten, Trennungsrechnung oder Beschaffungswesen, seit Jahren legt der Landesrechnungshof den Finger in die Wunde und zeigt unermüdlich Stellschrauben auf, um die Wirtschaftlichkeit des UK S-H zu verbessern.

Die Landesregierung und das UK S-H müssen all diese Kritikpunkte prüfen. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UK S-H sind mit Gehaltsverzichten in den letzen Jahren in Vorlage gegangen. Hier ist nichts mehr herauszuholen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Im Gegenteil, Arbeitsverdichtung und Mehrbelastung gehören zum Alltag der Pflegekräfte. Die schwere Arbeit der pflegenden Berufe wird im Verhältnis zur geleisteten Arbeit viel zu gering vergütet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Damit das UK S-H seine Wirtschaftlichkeit verbessern kann, muss mit der Umsetzung der Baumaßnahmen zügig begonnen werden. Nur so kann der hohe Standard einer guten Patientenversorgung gehalten beziehungsweise verbessert werden, nur so können die Rahmenbedingungen auch für das Personal verbessert werden. Auch wenn ich die Sorge der Gewerkschaft nachvollziehen kann, gilt: Wenn wir jetzt nicht handeln, wenn der Beginn der Baumaßnahmen wieder verschoben und auf den nächsten Wahltag vertagt wird, dann fügen wir dem UK S-H Schaden zu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Die Landesregierung, Herr Wirtschaftsminister de Jager, hat eben noch einmal den angekündigten Rückzug von Siemens erläutert und hat berichtet, wie und dass er sich mit dem Unternehmen geeinigt hat, dass und in welcher Form das Partikeltherapiezentrum in Kiel abgewickelt wird. Jetzt hat sich bestätigt, was FDP, Herr Kollege Garg, und Grüne schon damals bei Abschluss der Verträge befürchtet

(Tobias Koch [CDU]: Genau das nicht!)

und mehrfach thematisiert haben. Es waren zwei Punkte. Es war der verfrühte technisch-medizinische Optimismus - auch das spielte damals eine Rolle -, und

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Koch [CDU] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Koch, lassen Sie das!)

es waren Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die von Anfang an auf Sand gebaut waren. Herr Garg, ich habe die ganzen alten Fragestellungen nachgelesen. Auch die Wissenschaft stellte schon damals die Frage, ob die Partikeltherapie Wunderwaffe oder Flop sei.

Ja, es ist wichtig, dass medizinische Forschung stattfindet und neue Formen der Heilung entwickelt werden, und ja, es ist schwierig, wirtschaftlich zu argumentieren, wenn es um neue medizinische Möglichkeiten für den Heilungsprozess geht. Jeder Kranke hofft zu Recht auf Heilung. Deshalb muss die Politik bei Entscheidungen sorgsam abwägen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Bei der Planung des PTZ war aber von Anfang an klar: Das wirtschaftliche Risiko ist hoch, und ein kleines Bundesland wie Schleswig-Holstein kann

(Monika Heinold)

sich mit einem solch großen und unsicher finanzierten Projekt überheben.

Herr Minister de Jager, Sie waren damals verantwortlicher Staatssekretär. Sie hätten die vorgetragene Kritik ernst nehmen müssen, Sie hätten die Wirtschaftlichkeit stärker hinterfragen müssen. Sie sind jetzt also nicht Retter, sondern Sie kehren den Scherbenhaufen zusammen, den Sie selbst verursacht haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, aus Sicht der Stadt Kiel ist der von Ihnen angerichtete Scherbenhaufen groß, zu Recht ist Oberbürgermeister Albig erzürnt.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Herr Minister de Jager, was wird aus den Vorleistungen, die Kiel erbracht hat? Kiel hat die Hälfte des wundervollen Pastor-Husfeldt-Parks geopfert, das Grundstück zum halben Marktpreis an das Land verkauft. Wegen der Zeitnot wurde kein Architektenwettbewerb durchgeführt. Der Betonklotz für die konventionelle Strahlentherapie ist völlig überdimensioniert und steht nun da - für 100 Jahre. Kiel bekommt nicht - wie versprochen - die fortschrittlichste Krebstherapie auf Weltniveau. Die versprochenen neuen, hochqualifizierten Arbeitplätze lösen sich in Luft auf, auf neue Steuereinnahmen kann Kiel lange warten.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Die Enttäuschung in der Landeshauptstadt ist groß, Herr Minister, und diese Enttäuschung trägt Ihren Namen, Herr Minister de Jager.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass die Landesregierung bei den zukünftigen Planungen für das UK S-H mit mehr Weitblick handelt. Oberste Priorität muss die Maximalversorgung des UK S-H haben, die notwendigen Baumaßnahmen müssen zügig auf den Weg gebracht werden. Der Zeitplan der Landesregierung - Herr de Jager hat ihn eben noch einmal vorgestellt -, mit dem komplexen Vergabeverfahren Anfang 2012 zu beginnen und den Baubeginn für 2014 einzuplanen, zeigt, welch einen Vorlauf eine solch große Maßnahme braucht. Aber meine Fraktion würde sich freuen, wenn in diesem Zeitplan noch eine Be

schleunigungsreserve stecken würde und diese gehoben werden könnte.

Für meine Fraktion beantrage ich heute Abstimmung in der Sache. Ich würde mich sehr freuen, wenn CDU und FDP die Größe hätten, noch die Passage zur Investitionsbank mit in ihren Antrag einzubauen. Die ist aus meiner Sicht absolut notwendig.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, dass es nach dem heutigen Tag im Interesse des UK S-H vorangehen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über die zukünftige Sanierung des UK S-H debattieren, dann muss man nach unserer Auffassung folgende Fakten vorab erst einmal festhalten. Erstens reden wir heute nicht über den gesamten Investitionsstau, sondern nur über den Investitionsstau, der mit der Krankenversorgung verbunden ist. Forschung und Lehre sind nicht von dem umfasst, was mithilfe eines AssetModells gelöst werden soll. Wir reden also über eine Investitionssumme von rund 340 Millionen €, von insgesamt 500 Millionen € Gesamtinvestitionsbedarf.

Zweitens sprechen wir zwar vom Asset-Modell und davon, dass - ich zitiere aus dem Antrag der Grünen - „die notwendigen Bauinvestitionen des UK S-HMasterplans von privaten Investoren“ durchgeführt werden sollen. In welcher konkreten Ausgestaltung dieses Asset-Modell aber umgesetzt werden soll, ist leider noch nicht klar. Vor diesem Hintergrund sehen wir es als fahrlässig an, hier das Heft als Parlament aus der Hand zu geben und der Regierung quasi einen Freifahrtschein zu geben, wie dieses Modell umgesetzt werden soll.

Um es gleich vorweg zu sagen: Auch wir wollen eine schnelle Entscheidung. Deshalb haben wir in unserem Antrag ganz klar formuliert, dass zum Jahresende eine Entscheidung herbeigeführt werden soll. Allerdings wollen wir, dass das Parlament mit entscheidet und dass dies auf einer vernünftigen

(Monika Heinold)

Grundlage geschieht. Diese Grundlage liegt leider bisher nicht vor. Wir haben bisher nur ein Markterkundungsverfahren und deren Ergebnisse. Diese Ergebnisse enthalten zwar grobe Planungen der einzelnen Anbieter, in welcher Rechtsform und unter welchen organisatorischen Bedingungen die baulichen Maßnahmen umgesetzt werden sollen, aber es gibt keine konkreten Zeitplanungen der Anbieter, die Auskunft darüber geben, welche Maßnahmen wann durchgeführt werden sollen und wie hoch die einzelnen Jahresinvestitionskosten sein werden. Möglicherweise kann es dies auch noch gar nicht geben, aber dann kann man auch noch nicht heute entscheiden, welches Modell nun möglicherweise das beste ist.

Nun sollen die einzelnen Anbieter eine genauere Wirtschaftlichkeitsberechnung und Maßnahmenplanung vorlegen, allerdings soll dies in Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geschehen. Hier werden die Betroffenen und der Landtag bewusst außen vor gehalten. Das tragen wir als SSW nicht mit.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Betrachtet man die Angebote, die uns nach dem Markterkundungsverfahren vorliegen, so kann man nach unserer Auffassung diese Modelle durchaus schon vorab bewerten. Es sind dort Modelle beschrieben, die als Grundlage die teilweise Eigentumsübertragung von Anteilen des UK S-H zum Gegenstand haben. Trotzdem sind dies eindeutig Asset-Modelle, die somit vom grünen Antrag umfasst sind. Wir sind nicht der Auffassung, dass Anteile des UK S-H an Private gehen sollten.

Andere Modelle wiederum beinhalten die Defusionierung des Uniklinikums. Auch diese Modelle sind Asset-Modelle, wie sie von den Grünen pauschal gewünscht werden. Wir sehen die Defusionierung kritisch, auch wenn sie vom Wirtschaftsminister als Individualisierung der Standorte unter dem Dach einer Holding getarnt werden.

Wiederum andere Modelle sehen zwar vor, dass die Patientenversorgung zwar vorerst in öffentlicher Hand bleibt, aber trotzdem ein Managementvertrag mit dem jeweiligen Betreiber geschlossen werden soll. Die Mitarbeiter sind in diesem Asset-Modell vorerst weiterhin öffentlich-rechtlich angestellt, aber das sie steuernde Management ist schon privat organisiert. Auch dieses Modell würde unter die Asset-Modelle fallen, die die Grünen pauschal zulassen wollen, und auch die Landesregierung spricht davon, dass man über die Zusammensetzung

des Managements verhandeln könne. Wir haben da erhebliche Bedenken.

Dieses Beispiel macht im Übrigen auch deutlich, dass die verschiedenen Angebote, die im Rahmen des Markterkundungsverfahrens abgegeben worden sind, unterschiedliche Auswirkungen für die Mitarbeiterschaft des UK S-H haben können. Bevor wir als SSW uns für oder gegen ein solches Modell entscheiden, wollen wir wissen, womit die Mitarbeiter bei den jeweiligen Modellen zu rechnen haben. Nach unserer Auffassung sind wir als Eigentümer des UK S-H verpflichtet, auch die Interessen der Mitarbeiter mit im Auge zu haben.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Das mag uns von dem einen oder anderem hier im Haus unterscheiden. Aber für uns sind die Mitarbeiter die tragenden Säulen des UK S-H.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Wir haben die Verantwortung, vernünftige Rahmenbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen und diese im Vorwege auch festzulegen.

Überhaupt ist es wichtig, das Projekt Sanierung UK S-H über die gesamte Laufzeit zu betrachten. Wir können hier mit 25 Jahren rechnen. In dieser Zeit kann sich so gut wie jeder Parameter ändern, und damit können wir sicher sein, dass vertragliche Vereinbarungen mit Privaten sicherlich nicht vollständig jede Eventualität der Entwicklungen in den nächsten 25 Jahren werden abdecken können. Das an sich ist schon schwierig, und deshalb ist es nur folgerichtig, dass man auch ernsthaft durchrechnet, welche Finanzierungsmöglichkeiten bestehen, wenn das Land oder das UK S-H selber die Investitionen ohne private Beteiligung durchführten.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)