Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort.

(Jürgen Weber)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Normalerweise interessiert es mich nicht sonderlich, was der Fraktionsvorsitzende der SPD hier von sich gibt.

(Zurufe von der SPD: Unmöglich! Wider- lich!)

- Ja, widerlich, genau. Ich darf ja kein anderes Wort benutzen.

Ich bin aber der Auffassung, dass die Abgeordneten dieses Parlaments ein Recht darauf haben, die Wahrheit - selbst von ihm - zu hören.

(Zurufe von der SPD)

- Nein, das ist nicht meine Wahrheit.

Ich stelle zur Aussage, die Landesregierung beziehungsweise ich hätten dafür gesorgt, dass die Landesbasisfallwerte so niedrig seien und dass es keinen bundeseinheitlichen Basisfallwert gebe, Folgendes fest: Erstens. Dafür, dass die Landesbasisfallwerte in der Höhe heute so sind, wie sie im Bundesvergleich sind, trägt weder diese Landesregierung noch die vorangegangene die Verantwortung, sondern die Vor-Vor-Landesregierung trägt eine Mitverantwortung.

(Beifall bei FDP und CDU)

Zweitens. Ich lege ganz besonderen Wert darauf, dass ich die Entscheidung der Berliner Koalition, die zweite Konvergenzphase nicht nach 2014 in Kraft treten zu lassen, in diesem Landtag stets aufs Schärfste kritisiert habe.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das tue ich auch heute wieder. Deswegen hat die Landesregierung im vergangenen Oktober eine Bundesratsinitiative gestartet, um diesen Beschluss aus dem Koalitionsvertrag, der dann in das GKV-Finanzierungsgesetz eingemündet ist, wieder rückgängig zu machen. Diese Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins hat eine Mehrheit gefunden, die, wie Sie wissen, von der Bundesregierung, weil es kein zustimmungspflichtiges Gesetz war, nicht berücksichtigt wurde.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vom Deutschen Bundestag!)

- Vom Deutschen Bundestag, vielen Dank, Herr Abgeordneter Kubicki!

Drittens stelle ich fest, dass an diesem Mittwoch, also vor zwei Tagen, eine Sondersitzung des Ge

sundheitsausschusses des Deutschen Bundesrats stattgefunden hat, der sich ausschließlich mit den Beratungen zum Versorgungsstrukturgesetz beschäftigt hat. In diesem Verfahren hat SchleswigHolstein und diese Landesregierung erneut, um die finanzielle Situation, die Erlössituation der schleswig-holsteinischen Krankenhäuser zu verbessern, einen Antrag zur Angleichung des Landesbasisfallwerts eingebracht. Dieser Antrag hat keine Mehrheit gefunden. Insbesondere haben ihn das grün-rot regierte Baden-Württemberg, das rot-grün regierte Bremen, das rot regierte Hamburg und das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz abgelehnt. Herr Stegner, vielleicht sollten Sie Ihre Adressen einmal an ihre eigenen Leute und nicht an diese Landesregierung richten.

(Anhaltender Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch diesen weiteren Beitrag der Landesregierung sind für die Fraktionen neue Redezeiten entstanden. Jeder Fraktion steht die Hälfte der ursprünglich verabredeten Redezeit zur Verfügung, es sind also 5 Minuten pro Fraktion. Wird davon Gebrauch gemacht? - Ich stelle fest, dass das nicht der Fall ist.

Es liegen damit keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, in der Sache abzustimmen und alle Anträge gemäß § 75 der Geschäftsordnung des Landtags zu selbstständigen Anträgen zu erklären. - Widerspruch dagegen sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 17/1824, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion DIE LINKE. - Ablehnung? Das sind die Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, dass es die nicht gibt. Damit ist der Antrag Drucksache 17/1824 mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE abgelehnt worden.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 17/1820, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und SSW. - Enthaltungen? - Enthalten hat sich die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag Drucksache 17/1820 mit den

Stimmen von CDU, FDP und SSW gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE abgelehnt worden.

Ich rufe den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Drucksache 17/1761, auf. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen von CDU, FDP, DIE LINKE und SSW. - Enthaltungen? - Enthalten hat sich die Fraktion der SPD. Damit ist der Antrag Drucksache 17/1761 mit den Stimmen von CDU, FDP, DIE LINKE und SSW gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt worden.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP in der während der Debatte geänderten und jetzt vorgelegten Fassung, Drucksache 17/1834 (neu), abstimmen. - Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer lehnt den Antrag ab? - Das sind die Fraktionen von SPD, DIE LINKE und SSW. - Gibt es Enthaltungen? - Das kann ich nicht erkennen. Damit ist der Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/1834 (neu), mit den Stimmen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von SPD, DIE LINKE und SSW angenommen worden.

Es gibt noch einen weiteren Antrag der Fraktion des SSW, über den ich jetzt abstimmen lasse. Das ist die Drucksache 17/1774. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von SSW und DIE LINKE. Wer ist gegen den Antrag? - Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Wer enthält sich? - Das ist die der Fraktion der SPD. Damit ist der Antrag der Fraktion des SSW, Drucksache 17/1774, mit den Stimmen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von der LINKEN und SSW bei Enthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt worden.

Vielen Dank für Ihre Geduld.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Streikrecht neu gestalten - Anerkennung europäischer Rechtsprechung

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1776

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit dem Streik von engagierten Lehrerinnen und Lehrern im Juni letzten Jahres diskutieren wir darüber, ob es richtig ist, die Lehrkräfte unseres Landes mit Disziplinarmaßnahmen und Geldbußen zu gängeln, weil sie sich für die Zukunft ihrer Schülerinnen und Schüler eingesetzt haben. Weiter diskutieren wir darüber, ob wir uns an weltweit anerkannte Richtlinien halten, die der Bevölkerung soziale Mindeststandards zusprechen. Das sind traurige Zustände.

Seit dem Streik müssen wir immer wieder feststellen, dass der Bildungsminister ein fragwürdiges Rechtsverständnis an den Tag legt. Herr Klug, Sie verwehren den Lehrerinnen und Lehrern ein Recht, das ihnen in einer demokratischen Gesellschaft zusteht. DIE LINKE fordert, endlich Rechtssicherheit für Beamtinnen und Beamte zu schaffen, eine Rechtssicherheit, die den Grundprinzipien einer demokratischen Grundordnung gerecht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu zählt nun einmal auch das Recht auf Kollektivhandlungen zur Durchsetzung von Gewerkschaftsforderungen, also das Recht auf Streik.

(Beifall bei der LINKEN)

Mittlerweile gibt es dazu auch Urteile, und zwar aus Straßburg - es stammt schon aus dem Jahr 2008 -, aus Düsseldorf und aus Kassel. Diese Urteile haben gezeigt, dass ein Streikverbot für Bereiche, die nicht zum Sicherheitsbereich gehören, nicht rechtsverbindlich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Beamtinnen und Beamte genießen besondere Privilegien; das ist das Einzige, was Sie dazu zu sagen haben. Dieses Argument hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jedoch explizit berücksichtigt und entkräftet. Immer mehr Länder haben das Streikrecht für Beamtinnen und Beamte längst anerkannt. Die Bundesrepublik bildet gemeinsam mit der Türkei das Schlusslicht im Hinblick auf die Anerkennung kollektiver Rechte für Beamtinnen und Beamte. Sie halten an einem vordemokratischen Brauchtum fest, das Beamtinnen und Beamte wie Leibeigene behandelt. Ich bin bis

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

her davon ausgegangen, dass wir den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts hinter uns gelassen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei CDU und FDP scheint er leider noch vorherrschend zu sein.

DIE LINKE setzt sich dafür ein, endlich eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die die europäische Rechtsprechung berücksichtigt. Europäisches Recht und die möglichen Wertungsunterschiede der Bundesgesetzgebung müssen harmonisiert werden. Das muss über eine Bundesratsinitiative erfolgen. Die Hinweise der ILO und des UN-Menschenrechtsausschusses müssen endlich ernst genommen werden. Alle Punkte unseres Antrags sorgen lediglich dafür, dass sich Schleswig-Holstein und die Bundesrepublik völkerrechtlichen Normen unterwerfen. Die Verpflichtung dazu steht im Übrigen auch im Grundgesetz. Wer das ignoriert, der ruft offen zum Rechtsbruch auf. Ich kann Ihnen nur nahelegen, unserem Antrag zuzustimmen. Nur so ersparen Sie sich eine peinliche juristische Niederlage, die spätestens vor den Europäischen Gerichtshof in Straßburg kommen wird.

Ich erwarte hier und heute auch ein klares Bekenntnis der anderen Oppositionsfraktionen. Bisher habe ich von den Grünen und der SPD, was den letzten Streik der Lehrerinnen und Lehrer angeht, nur ein Herumgeeiere wahrgenommen. Als Beispiel zitiere ich Detlef Buder. Er sagte das letzte Mal, als wir hier darüber diskutiert haben:

„Wir sind, anders als die GEW, der Auffassung, dass Beamte kein Streikrecht haben.“

Auch SPD und GRÜNE erkennen geltende europäische Rechtsprechung nicht an. Es bleibt dabei: Die Lehrerinnen und Lehrer, die im vergangenen Jahr gestreikt haben, sind Vorbilder, denn SchleswigHolstein braucht selbstbewusste junge Menschen, die sich engagieren und sich für die Rechte der Bevölkerung einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht mehr und nicht weniger haben die verbeamteten Lehrkräfte im letzten Jahr getan. Sie sind ein großartiges Vorbild für Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der LINKEN)