Sommerferien Lehrer streiken und Prüfungen nicht abgenommen werden könnten, das heißt, Abiturzeugnisse nicht erteilt werden könnten. Können Sie mir folgen, dass es schwierig für unsere Universitäten wäre, Jahrgangsabgänge, die keine Zeugnisse hätten, anschließend zum Studium zuzulassen?
- Ich stimme Ihnen zu. Das ist eine wunderbare Überleitung zu dem letzten Punkt, den ich ansprechen will, Herr Kubicki. - Damit ist die Frage beantwortet. Ich gehe gleich darauf ein.
Es ist wirklich schwierig, das abzugrenzen. Deshalb ist es wichtig, bei dieser Frage zu gucken, warum Lehrer Beamte sein müssen und welche Lehrer Beamte sein müssen. Das ist eine zentrale Frage.
- Nicht vorschnell klatschen, Frau Jansen. Mit Ihrem Antrag lässt sich das eben nicht so ganz differenziert klären.
Es gab schon einmal einen viel beachteten Selbstversuch des Landes Schleswig-Holstein zu sagen: Wir verbeamten keine neuen Lehrer mehr. Aus finanziellen Gründen zu sagen, wir verlagern die Pensionslasten nicht in die Zukunft, das war richtig. Aber wir wissen, ein solcher Punkt ist nicht im Alleingang durchzusetzen - überhaupt nicht. Deswegen fänden wir es lohnenswert, diesen Punkt aufzugreifen und zu gucken, ob man es auf der Ebene der Finanzminister oder der Bildungsminister hinkriegt, deutlich zu machen, an welcher Stelle Lehrkräfte zukünftig verbeamtet werden müssen.
Uns ist klar: Das funktioniert nur gemeinsam. Uns ist auch klar, welche finanziellen Belastungen damit möglicherweise verbunden werden können. Es gibt aber wohl intelligente Lösungen, um dem entgegenzukommen.
Wir stimmen den Punkten eins bis drei des Antrags der LINKEN nicht zu. Wir können sagen, dass es momentan eine Rechtsunsicherheit gibt. Wir plädieren für Ausschussüberweisung, weil wir über Abgrenzungen genauer debattieren wollen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat in zwei Entscheidungen in den Jahren 2008 und 2009 festgestellt, dass das Streikrecht nicht für den öffentlichen Dienst insgesamt eingeschränkt werden dürfe, sondern nur für bestimmte Gruppen. Zudem ist eine Unterscheidung zwischen Beamten und sonstigen Angestellten des öffentlichen Dienstes unzulässig, da sie häufig dieselbe Arbeit machen, heißt es weiter in dem Urteilsspruch.
Das Verwaltungsgericht Kassel sieht das genauso und hat kürzlich eine Klage einer Lehrerin in Sachen Streikrecht positiv beschieden. Nur Beamten mit hoheitlichen Aufgaben darf nach Auffassung des Gerichts das Menschenrecht auf Streik verwehrt werden. Allen anderen darf es nicht versagt werden. Das ist ein Kernpunkt des vorliegenden Antrags.
Das Beamtenrecht ist schon lange nicht mehr sakrosankt in Stein gehauen, sondern bereits im Zuge der Föderalismusreform gründlich überarbeitet worden. Dieser Prozess ist aber längst nicht abgeschlossen. Dass diese Modernisierung jetzt über die europäische Ebene vorangetrieben wird, ist ausdrücklich zu begrüßen.
Das Berufsbeamtentum als Institution ist in Deutschland aber so tief verwurzelt, dass aus Berlin oder den Bundesländern keine ernsthaften Bestrebungen zu erwarten sind, den Beamtenstatus zu verändern. Das heißt, da wird uns die europäische Ebene weiterhelfen. In Klammern bemerkt könnte man sich auch vorstellen, mittelfristig tätig zu werden, indem Beamte künftig nur in hoheitlichen Bereichen eingesetzt werden, damit man die Zahl der Beamten auf Landesebene reduziert. Der SSW sagt: Beamte sollten die Ausnahme bleiben und nicht die Regel.
In allen nicht-hoheitlichen Bereichen reichen Angestellte zur Aufgabenerfüllung völlig aus. Der Einwand, dass durch die Schulpflicht der Unterricht gewährleistet werden muss und das nun einmal nur durch ein faktisches Streikverbot der Lehrerinnen und Lehrer gehe, hat bereits das Kasseler Gericht verworfen. Lehrkräfte müssen nicht zwangsläufig
Beamte sein. Längerfristig würde das dem Land Pensionskosten sparen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die rot-grüne Regierung von Heide Simonis versucht hat, eine Entbeamtungspolitik durchzuführen. Das klappte nicht, aber der Ansatz ist immer noch richtig.
Der Antrag der LINKEN enthält konkret auch die Forderung, alle laufenden Disziplinarverfahren gegen die am Bildungsstreik beteiligten Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, mit allen damit zusammenhängenden Rechten hinsichtlich möglicher Beförderungen oder der Übernahme von Leitungspositionen. Bei aller Sympathie für diese Perspektive wird diese Aufforderung ins Leere laufen, wenn nicht vorab geklärt ist, wie weiter mit dem Kasseler Urteil verfahren werden soll.
Daher finde ich es wünschenswert, wenn dieser Punkt im Ausschuss vertieft werden könnte. Denn fest steht, dass der Beamtenbund kein Interesse daran hat, dass die Grenzen zwischen Angestellten und Beamten weiter verwischt werden. Dort verweist man interessanterweise darauf, dass laut Bundesverfassungsgericht die Menschenrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung wie ein einfaches Gesetz zu behandeln sei und damit unter der Ebene der Verfassung stehe. Darum läuft es ins Leere, jetzt wieder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Wir müssen das innerhalb der Bundesrepublik klären, um in dieser Sache weiterzukommen.
Dennoch steht für den SSW fest, dass die in diesem Hause vorgetragene Meinung des Bildungsministeriums zum Streikrecht verbeamteter Lehrkräfte so nicht stehen bleiben kann.
In der Sache würden wir uns der Stimme enthalten, weil wir den Antrag der LINKEN insgesamt für nicht zielführend halten.
Für die Landesregierung ist als Redner Finanzminister Rainer Wiegard gemeldet. Ich erteile Ihnen hiermit das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst einmal unsere Beamtinnen und Beamten vor diesem Antrag in Schutz nehmen, denn man könnte bei der Berichterstattung auf die Idee kommen, dass sie dahinterstecken und das gern möchten. Aber die große Mehrheit unserer Beamtinnen und Beamten hält überhaupt nichts davon. Die Landesvorsitzende Anke Schwitzer des Deutschen Beamtenbundes hat zum Streikverbot kürzlich gesagt:
„Unser Land muss im Sinne der Bürgerinnen und Bürger funktionsfähig bleiben. Das geht aber nur, wenn den Beamtinnen und Beamten Streiks grundsätzlich untersagt bleiben.“
Das ist eine richtige Feststellung. Deshalb kann man in aller Kürze auf den Antrag eingehen. Das Berufsbeamtentum in Deutschland ist ein wesentlicher Stabilitätsfaktor in Staat und Gesellschaft und hat deshalb Verfassungsrang. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums auch das steht so in unserer Verfassung - zählt das Streikverbot. Das hat übrigens unser Bundesverfassungsgericht mehrfach, zuletzt vor vier Jahren, festgestellt und bestätigt. Daher sehe ich nicht, dass es in Deutschland derzeit zu diesem Punkt eine Rechtsunsicherheit gibt.
Das Streikrecht für Beamte ist rechtlich nicht zulässig, inhaltlich nicht geboten und wird von den Betroffenen selbst nicht gewünscht.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Deshalb schließe ich die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Antrag Drucksache 17/1776 federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
- Wir sind in der Abstimmung. Frau Kollegin, wir stimmen ab, ob wir den Antrag an den Innen- und Rechtsausschuss und den Bildungsausschuss überweisen wollen.
Es haben offensichtlich nicht alle abgestimmt. Es wäre gut, wenn alle, die für die Überweisung sind, jetzt noch einmal die Hand heben. - Wer ist dagegen? - Damit ist der Antrag auf Ausschussüberweisung mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW abgelehnt.
Damit kommen wir zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag Drucksache 17/1776 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der LINKEN sowie der Abgeordnete Peter Eichstädt.
Wer stimmt diesem Antrag nicht zu? - Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. - Wer enthält sich? - Das sind die meisten Mitglieder der Fraktion der SPD, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SSW-Fraktion. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass weitere Tagesordnungspunkte in den Nachmittag verschoben werden. Wir beginnen jetzt mit der Mittagspause, die um 14 Uhr beendet ist. Ich darf Sie dann alle wieder hier im Plenarsaal begrüßen. Die Sitzung ist unterbrochen.