Lieber Kollege Kubicki, die Koalition hat in diesem Bereich gnadenlos versagt. Jetzt haben wir die große Chance, etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen und Druck zu machen. Diesen Druck müssen Sie jetzt machen, damit CCS in der Bundesrepublik Deutschland komplett verboten wird.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Debatte verfolgt - das machen eine Menge Menschen in unserem Land, weil sie davon betroffen sind -, muss man den Eindruck gewinnen,
dass es in der Macht des Landtags von SchleswigHolstein liegt, CCS-Technologie europaweit zu verbieten und dafür Sorge zu tragen, dass diese Technologie nicht zur Anwendung kommt.
Ich habe vom Kollegen Stegner vernommen, dass der Gesetzentwurf, der gerade im Bundesrat abgelehnt worden ist, ein schlechter Gesetzentwurf sei und er deshalb und nicht wegen der Länderklausel abgelehnt worden sei. Herr Kollege Stegner, ich möchte Sie daran erinnern, dass dieser Gesetzentwurf bis auf die Länderklausel fast wortgleich vom ehemaligen Umweltminister Sigmar Gabriel jetzt SPD-Bundesvorsitzender - im Juni 2009 eingebracht worden ist. Zudem hat Herr Gabriel die Union aufgefordert, ihren Zickzackkurs in dieser Frage aufzugeben und endlich zu einer Abstimmung zu kommen. Wäre die Union damals dieser Aufforderung gefolgt, dann hätten wir heute bereits ein CCS-Gesetz ohne Länderklausel, das die Speicherung bei uns im Land ermöglicht hätte.
Ich möchte ferner daran erinnern, dass Sigmar Gabriel in dieser Frage ein Überzeugungstäter ist. Noch Anfang des Jahres wurde erklärt:
„SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Bundesregierung aufgefordert, das CCS-Gesetz zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid so schnell wie möglich zu verabschieden. Wir brauchen diese Kraftwerkstechnologie mit CO2-Abscheidung, um aus Kohle umweltfreundlich Strom zu erzeugen … “
Sigmar Gabriel nicht vor zwei, drei Jahren, sondern Anfang dieses Jahres. Die Erklärungen haben sich durch Herrn Steinmeier vor einigen Wochen in Brandenburg wiederholt, als er dort das Demonstrationsobjekt besuchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte viel Verständnis für die Argumentation, die hier aufgegriffen wird, wenn das Gesetz wegen der Länderklausel abgelehnt worden wäre und man gar kein CCS in Deutschland haben möchte. Aber, Herr Kollege Harms und Herr Kollege Stegner, ich frage mich, wie Ihre Wirkungsmöglichkeiten in Ihrer eigenen Partei sind, wo Sie doch dem Präsidium angehören. Der Bundesratsantrag der Länder Bran
denburg, Hamburg und Sachsen, Bundesratsdrucksache 487/3/11 vom 21. September 2011, hat folgende Formulierung, warum man das ablehnen und die Länderklausel streichen soll:
„Mit der Erprobung der CCS-Technologie in einem einzigen Demonstrationsobjekt und dem Ausschluss von möglicherweise geeigneten Speicherregionen in Deutschland wäre weder dem Gesetzesanliegen eines möglichst umfassenden Erkenntnisgewinns in der Demonstrationsund Erprobungsphase der CCS-Technologie Genüge getan, noch könnten die Voraussetzungen geschaffen werden, um nach erfolgreicher Erprobung die kommerzielle und großtechnische Anwendung, die ausreichende Speichermöglichkeiten voraussetzt, in Angriff zu nehmen.“
So unser Nachbarland Hamburg. Das ist doch das genaue Gegenteil von dem, was Sie suggerieren. Sie wollen CCS-Speicherung. Sie wollen verhindern, dass einzelne Länder wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen ausscheren können aus lauter Furcht, dass dann in Deutschland keine Anwendung mehr stattfindet, weil sonst in anderen Regionen gar keine ausreichenden Speicherkapazitäten vorhanden sind.
Auch der Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Bundesratsdrucksache 487/ 2/11, auch vom 21. September 2011, sagt nicht: „Wir wollen keine CCS-Technologie“, sondern sagt das genaue Gegenteil:
„Das Gesetz gewährleistet in keinem ausreichenden Maße eine ergebnisoffene Erforschung der CCS-Technologie“.
Die sozialdemokratisch geführten Länder wollen eine CO2-Speicherung in Deutschland, und sie wollen verhindern, dass Länder wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen sagen: Bei uns nicht. Das war die Zielrichtung und nicht die erklärte Ausrichtung, man wolle CO2-Speicherung bundesweit verhindern.
Glauben Sie ernsthaft, weil Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen die Steinkohle hat, glauben Sie, dass in Sachsen, wo die Braunkohle gefördert wird, dass in Brandenburg, wo Braunkohle gefördert wird, die Länder sich dort auf den Weg machen, zu sagen: „Diese Technologie soll nicht angewandt werden“? Das Gegenteil wird der Fall sein. Die sozialdemokratisch geführten Bundesländer werden ein Gesetz durchsetzen, ohne jede Einspruchsmöglichkeit von Ländern, weil ansonsten in Deutschland keine Speicherung stattfindet. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie hier erzählen, Herr Kollege Stegner, und das genaue Gegenteil von dem, was die Bürgerinnen und Bürger hier erwartet haben.
„Zum Schluss werden diejenigen, die sich jetzt gefreut haben, das Gesetz ist vom Tisch, sich die Augen reiben und feststellen, dass die Möglichkeiten, die wir gehabt hätten in einer logischen Sekunde unseres Gemeinwesens, Länder in die Lage zu versetzen, entgegen eigentlich bundesgesetzlicher Regelung über ihr Territorium selbst zu bestimmen, nicht mehr gegeben sind.“
Sie werden sehen, dass das nicht mehr möglich sein wird mit der Folge, dass hier eine Speicherung auch gegen große Proteste stattfinden wird, weil ansonsten andere Regionen dafür nicht zur Verfügung stehen. Das ist sehr bedauerlich für unser Land.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Lars Harms hat hier sehr deutlich die Haltung des SSW dargelegt. Wenn ich mich trotzdem zu Wort gemeldet habe, dann deshalb, weil ich mich über einige Äußerungen doch sehr geärgert habe. Johannes Callsen sagt, die Opposition habe die Ängste der Bevölkerung geschürt. An anderer Stelle höre ich, die Bevölkerung sei verunsichert.
Darüber ärgere ich mich total. Man darf gern die Opposition für alles beschuldigen, was man will. Aber ich finde, das ist eine unheimliche Missachtung unserer Bevölkerung.
Ich glaube, hier haben einige den Kontakt zur Bevölkerung verloren. Ich war am 9. September in Niebüll zum Oldtimer-Treff und Bauernmarkt. Da kam dann eine Bäuerin an, die dort ihre Produkte verkaufte, und sagte zu mir: „Pass mal auf, Flemming. Wenn ich dir jetzt hier ein Produkt verkaufe und da Bio draufsteht, dann erwartest du doch auch von uns, dass da Bio drin ist. Genau das erwarten wir auch von euch Politikern. Wenn ihr Länderklausel sagt, dann erwarten wir, dass da Länderklausel drin ist und nicht eine Mogelpackung.“
Glaubt ihr wirklich, dass die Opposition diese Frau verunsichert hätte? - Nein, ganz bestimmt nicht. Die Bevölkerung in Schleswig-Holstein ist viel weiter und hat sich wirklich mit diesem Thema auseinandergesetzt. Sie lässt sich doch nicht von der Opposition verunsichern. Die wissen nämlich, worüber die reden. Das muss man einmal ganz deutlich sagen.
Ein anderer kam zu mir und sagte: „Wie kann das angehen? Wenn die EU schon einmal den Mitgliedsländern das Recht gibt, keinerlei Speicherung auf Teilen oder auf der Gesamtheit ihrer Hoheitsgebiete zuzulassen, dann muss doch die logische Schlussfolgerung sein, dass dann die Bundesrepublik das auch den einzelnen Ländern zulässt. Sonst gibt das doch keinen Sinn.“ Das bedeutet: ohne Wenn und Aber. Das ist doch jetzt keine Auseinandersetzung zwischen CDU oder FDP. Das ärgert mich so. Darin sehe ich das nächste große Problem.
Außer all den Gefahren, die jetzt in diesem CCSGesetz liegen, sehe ich auch ein demokratisches Problem. Wir haben eine Situation, in der die Bevölkerung in Schleswig-Holstein sich wirklich engagiert hat, ganz klar ihre Meinung zum Ausdruck gebracht hat. Ich bitte, noch einmal darüber nachzudenken, welche Organisationen und Institutionen in dieser Bürgerinitiative sind. Das ist doch wirklich mehr als eine Bürgerinitiative. Das ist doch wirklich eine Volksbewegung. Die haben ihre Meinung ganz klar zum Ausdruck gebracht. Wenn man die Menschen hier nicht ernst nimmt, dann soll man
sich nicht wundern und nicht beschwerden, wenn bei einer Landtagswahl nur noch 51 % zur Wahl gehen. Wir erleben immer wieder, dass man hier sagt, wir müssen etwas tun, damit die Leute auch wieder zur Wahl gehen. Aber wenn wir sie nicht ernst nehmen, wenn wir sie nicht in diese Diskussion einbinden und uns über ihre Wünsche hinwegsetzen, liebe Leute, wie soll das dann weitergehen? Ich denke, darüber sollte man einmal ernsthaft nachdenken.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Der Tag der Abstimmung im Bundesrat war für Schleswig-Holstein ein trauriger Tag. Ich war traurig aus dem einfachen Grund: Hier oben sitzt der Vorstand der Bürgerinitiative. Diese Bürgerinitiative hat sich zwei Jahre lang vehement dafür eingesetzt, dass sie in Schleswig-Holstein keine CO2-Einlagerung erhalten. Diese Bürgerinitiative musste am Freitag zur Kenntnis nehmen, dass alles wieder auf null zurückgedreht ist. Ich war am Montag in Leck bei der Bürgerinitiative, die sich dort jeden Montag um 18 Uhr trifft. Jeder, der in Nordfriesland lebt, weiß das. Da habe ich feststellen dürfen, dass es auch in der Bürgerinitiative durchaus unterschiedliche Haltungen dazu gibt. Also, den ganz großen Jubel, Herr Kollege Meyer, den Sie da eben postuliert haben, konnte ich dort nicht erkennen. Auch dort stellt man sich durchaus die Frage: Ist es nun ein Sieg, oder haben wir eventuell mit Zitronen gehandelt? - Ich bin der Ansicht, wir haben mit Zitronen gehandelt.
Was hier passiert ist, Herr Kollege Stegner, war schlicht und ergreifend Parteikalkül im Bundesrat, denn dort sind die Mehrheiten leider anders als im Bundestag und auch hier im Landtag.