Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Als wir angefangen haben, hieß es, es gebe gar nichts bei Sportwetten, das sei ganz schlimm.

Dann kam urplötzlich aus dem Off die Meldung niemand weiß, warum -, dass nur sieben Lizenzen vergeben werde sollten. Mittlerweile sind wir bei 20 Lizenzen. Selbstverständlich bescheinigte die Europäische Kommission dem ersten Glücksspielstaatsvertragsänderungsentwurf vom April dieses Jahres, dass er evident europarechtswidrig sei. Die Kommission hat klargestellt, dass unmittelbar nach der Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren folgen würde. Das war ein Mahnschreiben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Jetzt sagen Sie plötzlich, wir seien diejenigen, die das in Frage stellten.

(Dr. Ralf Stegner)

Kollegin Heinold, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze. Ich bin mir nicht sicher, ob der Bundestag die Regelung, die die Länder vorhaben, so beschließen wird. Das wird bis 2013 nicht passieren, weil auch dort gesehen wird, welche Auswirkungen das auf Pferderennen und Pferdezucht hätte.

Frau Heinold, Sie sagen, Sie hätten rechtliche Bedenken. Das finde ich sehr vernünftig. Nach Ihrer Auffassung sollten wir jetzt unser Gesetz aufheben und dem Staatsvertrag, gegen den Sie rechtliche Bedenken haben, beitreten. Was ist das denn für eine Argumentation?

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wenn wir nicht beitreten, sondern verhandeln sollen, dann ist es immer noch besser, dies aus einer Position der Stärke statt aus einer Position der Schwäche heraus zu tun. Wir sind bereit - das betonen wir immer wieder -, auf der Basis unseres Gesetzes weiter zu verhandeln. Wir sollten jedoch nicht zuerst kapitulieren und dann abwarten, ob die anderen sich bewegen. Glauben Sie wirklich, dass sich eines der 15 anderen Länder bewegen würde, wenn wir das Gesetz bei uns aufheben würden, um dann in Verhandlungen einzutreten?

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold zu?

Frau Präsidentin, mit großer Freude.

Herr geschätzter Kollege Kubicki!

(Oh! bei der FDP)

Entspannt euch!

Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich für meine Fraktion die Position vertreten habe, dass es notwendig wäre, jetzt die Notifizierung zu beginnen, damit SchleswigHolstein sich diesem Staatsvertrag, wenn er notifiziert würde, anschließen könnte?

- Liebe Frau Kollegin Heinold, haben Sie meine Worte gehört? In dem Moment, in dem sich die Länder bereitfinden, vor Verabschiedung des Glücksspieländerungsstaatsvertragsentwurfs diesen noch einmal von der Europäischen Kommission notifizieren zu lassen, haben wir eine andere Gemengelage. Ich bin mir sicher - wie viele andere, die seit Langem mit der Materie vertraut sind -, dass der Entwurf so, wie er vorliegt, nicht notifiziert wird. Es wird auf ein Modell hinauslaufen, das zwar nicht zu 100 % unserem Modell entspricht, aber noch deutlich weiter von dem entfernt ist, was die 15 anderen Länder beschlossen haben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Den skizzierten Weg wollen wir gehen. Deshalb haben wir ausdrücklich angeboten, die Tür bis Ende Februar nächsten Jahres offenzulassen. Das war ja Sinn der Veranstaltung. Wir sind in dieser Frage wirklich auf einem guten Weg.

Das bayerische Kabinett wird nicht das einzige sein, das sich entsprechend entscheidet. Ich finde, auch die A-Länder müssten keine Angst vor einer neuen Notifizierung haben - wenn sie sich denn ihrer Rechtsposition sicher wären.

Ich erinnere daran, dass sich vor zwei Tagen das Europäische Parlament - Europa ist nicht teilbar, Herr Schippels; es ist nicht so, dass die sozialistischen Europäer entscheiden, während sich die anderen vom Acker machen können - entschieden hat, europaweit das Online-Spiel zu liberalisieren und einheitlich zu regeln. Es wird aber zugelassen und nicht verboten, wie es jedoch im Staatsvertragsentwurf der 15 noch vorgesehen ist.

Das Land Schleswig-Holstein hat mit der Position, die es eingenommen hat, viel erreicht, was Rechtssicherheit und die Bewegung der anderen Länder angeht. Diese Bewegung ist jedoch noch nicht zu Ende.

Ich sage aber auch: Wenn es bei den anderen keine Bewegung gibt, verändert sich für die regierungstragenden Fraktionen dieses Landtags die Gemengelage auch nicht. Das Gesetz ist in Kraft. Es wird umgesetzt, wenn eine gemeinsame, vernünftige, rechtssichere Regelung bundesweit nicht gefunden werden kann.

(Beifall bei FDP und CDU)

(Wolfgang Kubicki)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Stegner, Ihr Beitrag macht mich wirklich fassungslos. Wenn Sie Herrn Beran oder Herrn Heinemann hätten reden lassen, dann hätte ich das noch irgendwie verstanden; sie waren bei der Debatte in der vergangenen Wahlperiode nicht dabei. Sie aber haben uns als Innenminister in der Großen Koalition in einen rechtswidrigen - damit illegalen und europarechtswidrigen - Glücksspielstaatsvertrag getrieben. Sie persönlich hatten die Verantwortung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nachdem alles entschieden war, auch durch den EuGH, entstand ein neuer Vertragsentwurf. Daraufhin haben Sie sich wiederum hier hingestellt und gesagt, den müssten wir ganz schnell unterschreiben und mittragen. Genauso müssten wir das machen.

Dann kam es zum Notifizierungsverfahren auf europäischer Ebene - das haben wir schon gehört -, und Sie haben von der EU-Kommission schallende Ohrfeigen bekommen: wieder europarechtswidrig, wieder illegal, wieder rechtswidrig.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Stegner, wenn ich von der Kommission und vom EuGH solche Zeugnisse ausgestellt bekomme, dann trete ich hier ein wenig bescheidener und selbstkritischer auf, als Sie es getan haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Dr. von Boetticher, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Stegner.

Sehr verehrter Herr Kollege von Boetticher, wären Sie so freundlich, dem Hohen Haus zu verraten, wie der

Umweltminister hieß, der die Ausweisung von Vogelschutzgebieten in Brüssel anmeldete und trotz Bedenken der SPD-Fraktion und anderer, die gewarnt hatten, das werde in Europa keinen Bestand haben, darauf bestand, dass das so richtig sei, der sich aber dann von Europa sagen lassen musste, dass das mit den europäischen Vogelschutzrichtlinien nicht vereinbar war?

- Lieber Herr Stegner, ich nehme das gern auf meine Kappe; denn ich habe in Verhandlungen einen Mittelweg gefunden zwischen dem, was die Kommission verlangte, und dem, was ich ursprünglich vorgesehen hatte. Das war ein großer Erfolg für Schleswig-Holstein. Ich bedanke mich, dass Sie das in Erinnerung gerufen haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Allein die Systematik der Argumentation muss Ihnen doch komisch vorkommen. Wir haben einen Vertrag, der immer noch darauf beruht, dass Lotto - von dem wir alle wissen, dass es das geringste Suchtpotenzial aufweist - in staatlicher Hand bleiben müsse, während das Automatenspiel - mit hohem Suchpozential - komplett privatisiert ist. Angesichts dessen muss uns allen doch klar sein, dass die Argumentation, die auf Suchtgründe Bezug nimmt, so nicht stimmen kann. Deshalb müssen wir etwas ändern. Damit haben wir angefangen, auch hinsichtlich der Automatenspiele. Das ist der richtige Weg. Auch sonst kann nicht alles so bleiben, wie es ist.

Der Hinweis des Kollegen Kubicki war völlig richtig: Wenn von den Grünen eine europaweit einheitliche Regelung angemahnt wird, dann stimmt das. Das unterschreibe ich. Aber mal ehrlich: Wie sähe denn eine europäische Regelung aus? Schauen wir uns doch einmal unsere Nachbarländer an. Wie ist es denn mit der Rechtssystematik in der Mehrheit der europäischen Mitgliedstaaten? Sie sind ganz nah dran an unserer Lösung. Ich bitte um ein bisschen mehr Realismus, was diese Art der Debatte angeht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold zu?

Bitte, Frau Abgeordnete Heinold.

Herr Kollege, ist Ihnen erinnerlich, dass wir in den Grundzügen viel Sympathie für Ihr Gesetz hatten und es uns weniger -

(Zuruf: Wer ist „wir“?)

- „Wir“ ist meine grüne Landtagsfraktion; bei Ihnen mag es so sein, dass hinter „wir“ niemand steht. Bei mir ist das anders.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt habe ich leider den Faden verloren. - Ist Ihnen bekannt, dass wir die Grundzüge des Gesetzes richtig finden und damit logischerweise auch für die Lösungen in anderen europäischen Ländern viel Sympathie haben?