Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten In- es Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich sage es noch einmal: Wir können das nicht zulasten der Kommunen tun. Das ist Augenwischerei.

Das ändert nichts daran, dass es nicht nur unlogisch, sondern vor allem auch unfair gegenüber den Schulträgern ist, diese mit den Kosten für die Schülerinnen und Schüler aus dem Nachbarland einfach im Regen stehen zu lassen. Außerdem kann es schon ganz prinzipiell nicht sein, dass sich das Land bei den Schulträgern bedient, dann aber seiner eigenen Bringschuld nicht nachkommt.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Die aktuelle Gesetzeslage ist also den Kommunen gegenüber ungerecht.

Aus Sicht des SSW war die Entstehung des neuen Gastschulabkommens wirklich haarsträubend. Bis heute liegen keine belastbaren Zahlen vor; bis heute wissen wir nicht, wie viele Kinder und Jugendliche zwischen den Bundesländern hin und her pendeln. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass es Einschränkungen durch den Datenschutz gibt. Das ändert aber nichts daran, dass Schleswig-Holstein pro Jahr 12,4 Millionen € zahlt und es dafür kein solides oder transparentes System gibt. Vielmehr ist diese Summe das Ergebnis eines politischen Kuhhandels gewesen.

(Beifall der Abgeordneten Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein letzter Punkt, der sich in diesem Zusammenhang auftut, ist die Frage nach den Kapazitäten in Schleswig-Holstein, also ob es in Schleswig-Holstein überhaupt möglich wäre, alle Landeskinder auch im eigenen Land zu beschulen. Von der Stadt Ahrensburg wissen wir, dass dies nicht der Fall ist. In diesem Sinne kommt das Land mit einer Zahlung von 12,4 Millionen € an Hamburg wahrscheinlich noch billig davon. Umso unverständlicher ist es also, dass die Schulträger dann nicht die Erstattung bekommen, die ihnen zusteht. Dies zu ändern ist höchste Zeit.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Allein für die notwendigen Richtigstellungen bräuchte ich jetzt schon fast die Redezeit von fünf Minuten. Deshalb will ich versuchen, mich zu beeilen.

Der erste wichtige Punkt: Die Erstattungsregelung, über die wir diskutieren, ist nicht Teil des Gastschulabkommens mit Hamburg. Es war eine Folgeentscheidung, die der Landtag Ende 2010 aufgrund des Umstands getroffen hat, dass wir im Rahmen des Gastschulabkommens deutlich mehr an Ausgleichszahlungen an Hamburg zu entrichten haben. Diese Entscheidung hat der Landtag damals aus einer Reihe sehr guter Gründe getroffen. Das Land musste erheblich höhere Ausgleichszahlungen an Hamburg übernehmen. Wir haben zwar nicht die 30 Millionen € akzeptieren müssen, die von der früheren Hamburger Schulsenatorin Frau Goetsch verlangt worden sind. Aber mit 12,4 Millionen € im Jahr 2011 haben wir doch erheblich mehr Aufwendungen für den Abschluss eines Gastschulabkommens hinnehmen müssen.

An diesen Mehraufwendungen sollten die Wohnsitzgemeinden nach einer damals unter allen Landtagsfraktionen unstrittigen Auffassung beteiligt werden.

Zweiter Punkt: Eine entsprechende Regelung hat es lange Zeit vorher auch schon für die Schulen in freier Trägerschaft gegeben, also für die Schüler aus Schleswig-Holstein, die Hamburger Ersatzschulen, also Privatschulen in Hamburg, besuchen

(Anke Spoorendonk)

und für die das Land erhebliche Ausgleichszahlungen leistet. Für diese Schüler mussten die Herkunftsgemeinden aus Schleswig-Holstein im Land Schleswig-Holstein bereits seit Langem Schulträgerkosten erstatten. Es lag daher nahe, eine solche Erstattungspflicht auch für schleswig-holsteinische Gastschüler an öffentlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg einzuführen.

Der dritte Punkt ist auch wichtig: Ohne eine solche Erstattungspflicht gäbe es für die Gemeinden im Hamburger Umland einen erheblichen Anreiz, möglichst viele Schüler an Hamburger Schulen zu entsenden, da sich die Kommunen auf diese Weise erhebliche Aufwendungen für Schulträgerausgaben ersparen könnten, was naturgemäß andere Kommunen in Schleswig-Holstein, die weiter nördlich liegen, nicht können.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlägt nun mit ihrem Gesetzentwurf vor, komplementär auch eine Erstattungspflicht des Landes für Schulträgerkosten einzuführen, die entstehen, wenn Schüler aus Hamburg öffentliche Schulen in Schleswig-Holstein besuchen. Für diese auch von den Hamburger Umlandgemeinden erhobene Forderung kann man unter Gleichbehandlungsaspekten sicherlich Verständnis haben. Aber es sei auch darauf hingewiesen, dass dieser Punkt in den 2010 über viele Monate hinweg geführten Diskussionen überhaupt keine Rolle gespielt hat. Die Frage ist damals nicht thematisiert worden. Deshalb ist das im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Ende 2010 auch nicht berücksichtigt worden.

Nun zu Frau Spoorendonk, die eben behauptet hat, ich hätte ein Recht der Kommunen abgelehnt, ihrerseits eine Erstattung für die genannten Fälle zu erhalten. Das habe ich keineswegs getan, das habe ich keineswegs gesagt, Frau Kollegin Spoorendonk. Ich habe im Ausschuss lediglich gesagt: Für eine solche Erstattung bietet das jetzt geltende Schulgesetz keine Rechtsgrundlage. Ich kann schlicht und ergreifend solche Zahlungen aus meinem Haushalt nicht leisten, weil keine Rechtsgrundlage besteht. Das ist ein kleiner Unterschied.

Speziell die schleswig-holsteinischen Grünen haben sich ja damals in der Diskussion über das Schulgesetz besonders darum gekümmert, dass wir möglichst hohe Ausgleichszahlungen an Hamburg leisten. Frau Kollegin Strehlau hat dankenswerterweise schon darauf hingewiesen, dass es das Ziel der Kollegin in Hamburg gewesen ist, die damals von den Grünen gestellt wurde, möglichst mit diesen Einnahmen aus Schleswig-Holstein ihren Bildungsetat so zu sanieren, dass sie ihre Schulreform, die der

Volksentscheid in Hamburg dann gekippt hat, hätte finanzieren können.

Auch jetzt verzichten die Grünen darauf, auf die Frage zu antworten, wie die durch ihren Gesetzesvorschlag verursachten ungedeckten Mehrkosten finanziert werden sollen. Das ist zwar für eine Oppositionspartei sicherlich ein sehr einfacher Weg, aber zu einer soliden Politik gehört, dass man für kostenwirksame Forderungen auch einen Finanzierungsvorschlag unterbreitet. Wenn die Grünen das derzeit nicht wollen oder können, bleibt nur die Möglichkeit, den angesprochenen Regelungsbedarf im Rahmen des nächsten Landeshaushalts, also ab 2013, finanziell abzusichern. Das wäre meines Erachtens ein durchaus akzeptabler Weg, und das wäre auch gegenüber den Umlandgemeinden vertretbar, denen ja vor 2011 über viele Jahre hinweg erhebliche Schulträgerkosten erspart geblieben sind, weil sie bis dahin für vieleSchüler, die öffentliche Schulen in Hamburg besucht haben, keine Kosten zu tragen hatten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf, Drucksache 17/1964, dem Bildungsausschuss zu überweisen.

(Zuruf der Abgeordneten Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Kollegin Strehlau, verstehe ich Sie richtig: mitberatend dem Finanzausschuss?

(Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja!)

Gut. Also Überweisung in den Bildungsausschuss und mitberatend in den Finanzausschuss. Wer dem zustimmen will, bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Promotionen und Habilitationen in SchleswigHolstein

Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 17/1442

Antwort der Landesregierung Drucksache 17/1751

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich stelle fest, das ist nicht der Fall.

(Unruhe)

Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich für die Landesregierung das Wort dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Jost de Jager. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit, als das in der letzten Viertelstunde der Fall war.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat verdient das Thema deshalb Aufmerksamkeit, weil die Große Anfrage ja im Zusammenhang mit den Diskussionen und Berichterstattungen gestellt worden ist, die wir in der Öffentlichkeit über Promotionen und Habilitationen und die Frage hatten, ob es dort Plagiatsvorwürfe gegeben hat und ob die bestätigt worden sind oder nicht. Insofern freue ich mich, zur Klarstellung feststellen zu können: In Schleswig-Holstein musste bisher kein Doktortitel wieder aberkannt werden.

(Anhaltende Unruhe)

Für die Universitäten im Land hat die Einhaltung wissenschaftlicher Standards hohen Rang. Sie muss und kann nur durch die betreuenden Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sichergestellt werden. Hier kommt es auf jede Einzelne und jeden Einzelnen an. Insofern liegt die Qualitätssicherung auch bei der Frage der Plagiate, auch bei der Frage, wie intensiv Dissertationen geprüft werden, bevor sie angenommen werden, in der Hand der einzelnen Universität, des einzelnen Hochschullehrers. Ich bin froh, dass wir an den Universitäten in Schleswig-Holstein damit bisher keine Probleme gehabt haben. Darüber sollten wir alle miteinander froh sein.

Herr Minister, einen Augenblick bitte. Ich habe eben um etwas mehr Aufmerksamkeit gebeten. Wenn es unbedingt notwendige Gespräche gibt, bitte ich, die draußen zu führen, aber hier drinnen bitte ich um mehr Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. In diese Aufmerksamkeit hinein kann ich dann auch einen zweiten positiven Aspekt benennen. Das ist nämlich der er

freulich hohe Frauenanteil an den Promotionen, den wir in Schleswig-Holstein haben.

(Beifall bei der FDP)

- Beifall vereinzelter männlicher Abgeordneter! Der liegt bei 50 % und damit über dem Durchschnitt von 44 %. Wir haben bei den Habilitationen ein etwas schlechteres Ergebnis. Hier kommen wir in Schleswig-Holstein auf einen Frauenanteil von 17 % gegenüber 24 %. Insofern sehen wir Licht und Schatten, aber ich glaube, es ist klar, dass die Frage der Teilhabe von Wissenschaftlerinnen an den akademischen Graden in Schleswig-Holstein auf der Tagesordnung steht und auch von den Universitäten besonders im Auge behalten wird.

Ich glaube, dass man feststellen kann, dass wir vor allem auch inhaltlich über die Frage der Promotionen reden müssen. Es hat ja in der vergangenen Woche ein Positionspapier des Wissenschaftsrats zur Qualitätssicherung der Promotionen insgesamt gegeben. Ich glaube, dass wir Anlass haben, darüber nachzudenken, weil wir auch wissenschaftspolitisch die Frage beantworten müssen, in welche Richtung Promotionsverfahren an den Universitäten in Schleswig-Holstein gehen sollen. Sollen es mehr strukturierte Dissertationen sein, oder sollen es auch weiter Promotionsverfahren sein, die im stillen Kämmerlein vorgenommen werden?

Der Landesrechnungshof ist ja leider nicht da; er hat letztens hier ein bisschen bemäkelt, dass wir zu viel Geld für Excellenzen aufwenden. Durch die Excellenzinitiative ist es uns aber gelungen, gerade im Graduiertenbereich neue Strukturen in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen, die dazu führen, dass wir stärker strukturierte Promotionsverfahren haben. Ich glaube, das ist richtig, weil das die wissenschaftliche Arbeit des Einzelnen in einen wissenschaftlichen Kontext stellt, der dazu angetan ist, dieses insgesamt im qualitativen Sinne zu verbessern.

Allerdings bin ich der Auffassung, dass wir die Vielfalt der Wege zur Promotion ausdrücklich aufrechterhalten sollten. Auch wenn wir davon wegkommen wollen, dass es zwischen dem Promovenden und seinem Doktorvater ein Eins-zu-Eins-Verhältnis gibt, was vielleicht nicht mehr Stand der Dinge ist, sollte man so etwas nicht ausschließen, wenn man gleichzeitig feststellen kann, dass Einzelne es immer noch wollen.

Weil es eine solche große Vielfalt gibt, ist es auch schwer, eine derartige Datenlage tatsächlich herzustellen. Ich kann mir vorstellen, dass gleich einer der Kritikpunkte sein wird, dass die Datenlage über

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

die Promotionen in Schleswig-Holstein nicht ausreichend ist. Das ist sie auch nicht. Wir haben deshalb auch im Sinne der Qualitätssicherung die Universitäten darauf hingewiesen, dass diese Datenlage möglichst verbessert wird, damit sie auch bestimmte Erfolgsquoten feststellen können. Aber es wird uns niemals gelingen, eine vollständige Datenlage zu bekommen, weil es nun einmal so ist, dass es jeder Einzelne selber in der Hand hat, wie schnell er promoviert, ob er sein Promotionsverfahren zu Ende bringt oder nicht. Insofern werden wir dort ein abschließendes Bild nicht zeichnen können.

Lassen mich einen letzten Punkt ansprechen. Das sind die Habilitationen. Wir haben in der Tat in Schleswig-Holstein einen Rückgang an Habilitationen. Der lässt sich aber leicht dadurch erklären, dass wir ja einen nicht mehr ganz so neuen Weg der Qualifikation haben. Das ist die Juniorprofessur. Insofern ist der Rückgang der Habilitationen mit einem Zuwachs der Juniorprofessuren zu erklären. Ich denke, damit haben wir auch hier ein abgestimmtes Bild.