Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sparkassengesetz ist nicht gescheitert. Mehrere Sparkassen in Schleswig-Holstein möchten von den neuen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch machen. Sie werden darin mittlerweile auch vom Sparkassenund Giroverband unterstützt. Die Anforderungen von Basel III machen eine Eigenkapitalverstärkung der Sparkassen dringend erforderlich. Nur die Opposition hat den Schuss noch nicht gehört.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das vorausschauende Handeln der Regierungsfraktionen bei der Änderung des Sparkassengesetzes ändert allerdings nichts daran, dass die Regelungen von Basel III einige Ungereimtheiten aufweisen. Aus heutiger Sicht ist es absolut unverständlich, dass die Eigenkapitalanforderungen für das Kreditgeschäft heraufgesetzt werden, Staatsanleihen hingegen - als vermeintlich sichere Anlagen - davon

ausgenommen bleiben. Daran merkt man, dass die Empfehlungen des Baseler Ausschusses zwar die Lehren aus der Finanzmarktkrise ziehen, die Regulierungsbehörden aber der aktuellen Staatsverschuldungskrise erneut hinterherhinken. Die Sparkassen kritisieren deshalb völlig zu Recht, dass mit Basel III Kreditrisiken gegenüber Marktrisiken aus dem Wertpapiergeschäft benachteiligt werden.

Anzumerken ist allerdings, dass auch eine Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen nicht dazu führen würde, dass die Eigenkapitalanforderungen für das Kreditgeschäft sinken. Eine Gleichbehandlung von Kredit- und Wertpapiergeschäft würde somit die befürchtete Verteuerung von Mittelstandskrediten nicht verändern können.

An dieser Stelle setzt der Vorschlag an, differenzierte Eigenkapitalanforderungen in Abhängigkeit von der Institutsgröße vorzugeben. Für kleine Institute - wie Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken - würden demnach geringere Eigenkapitalanforderungen gelten als für Großbanken.

Damit überhaupt die Möglichkeit dazu besteht, Änderungen an Basel III vorzunehmen, kommt es entscheidend darauf an, ob vonseiten der EU-Kommission eine verbindliche Verordnung erlassen wird oder ob von den Mitgliedstaaten mittels einer Richtlinie die Umsetzung in nationales Recht gefordert wird. Im Rahmen einer nationalen Regelung könnte den Besonderheiten des deutschen Bankensystems mit seinem Drei-Säulen-Modell Rechnung getragen werden. Allerdings - das muss man fairerweise hinzufügen - besteht die Gefahr, dass eine solche Richtlinie in anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht oder nur schleppend umgesetzt wird. Es könnte dann die paradoxe Situation entstehen, dass für Großbanken in anderen Ländern nach wie vor die alten - niedrigen - Eigenkapitalanforderungen existieren, während in Deutschland zwar nach Institutsgröße differenzierte, aber insgesamt deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen bereits beschlossen sind und somit ein Wettbewerbsnachteil für alle deutschen Banken und Sparkassen im Vergleich mit dem europäischen Ausland entsteht.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das Thema ist komplex. Vor diesem Hintergrund bedanke ich mich ganz herzlich bei der Landesregierung für den heutigen Bericht, in dem ihre Sichtweise aufgezeigt wird und Hinweise für das künftige Handeln gegeben werden. Die gemeinsame Initiative von Wirtschaftsminister Jost de Jager und seines bayerischen Amtskollegen hat bereits deutlich gemacht, dass sich unsere Landesregierung des Themas annimmt. Um das nachzuweisen, hätte es nicht des

(Tobias Koch)

Berichtsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedurft.

(Beifall bei CDU und FDP - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich doch gerade für den Bericht bedankt! Den hätte es doch gar nicht gegeben, wenn wir ihn nicht beantragt hätten!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wiegard, ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich für diesen Bericht, auch deshalb, weil wir ihn inhaltlich zu zwei Dritteln unterstützen können.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es ist nicht alles schlecht, was gemacht wird.

Die bislang bekannt gewordenen Überlegungen zu den bankenaufsichtlichen Regelungen im Zusammenhang mit Basel III lassen in der Tat befürchten, dass auch die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken in vollem Umfang von diesen Regelungen betroffen sein werden. Dabei ist grundlegend gar nichts gegen eine strengere Regulierung der Finanzmärkte einzuwenden, um die Stabilität dieser Märkte zu erhöhen und die Kunden besser zu schützen. Ganz im Gegenteil, aus unserer Sicht sollten da sogar noch ein paar Schippen draufgelegt werden.

Natürlich gibt es auch Volksbanken und Sparkassen, die sich unabhängig von ihrer Größe als Global Player betätigen wollten - ich glaube, manche machen das immer noch -, dabei aber auf die Nase gefallen sind oder sich ohne sorgfältige Prüfung mit den falschen Geschäftspartnern eingelassen haben. Das ist für manche sogar existenziell geworden. Sie wissen: Um Beispiele zu finden, braucht man unser Bundesland nicht einmal zu verlassen.

Dennoch darf eine Regulierung nicht pauschal erfolgen, sondern muss die grundlegenden Unterschiede der verschiedenen Kreditinstitute hinsichtlich Größe, Regionalität, Geschäftsmodell und Systemrelevanz berücksichtigen. Es ist absurd, eine kleine Regionalsparkasse mit Instituten, die bei Problemen tatsächlich finanzmarktsystemrelevant werden könnten, auf eine Stufe zu stellen. Es ist gut, wenn die Landesregierung dies gegenüber der

Bundesregierung nachdrücklich verdeutlicht, um eine nachteilige europarechtliche Regelung doch noch zu verhindern.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese kann nun einmal nur so aussehen - Herr Koch, das ist so -, dass statt einer Verordnung eine Richtlinie erlassen wird, die durch nationales Recht auszufüllen ist - mit all den Nachteilen, die Sie schon geschildert haben.

Herr Carstensen, wie wir der Presse entnehmen konnten, kennen Sie Herrn Oettinger recht gut. Er hat sich mit dieser Frage befasst und ist auch gegenüber der Bundesrepublik schon tätig geworden. Vielleicht reden Sie, wenn Sie sich treffen, auch einmal über die Arbeit - vielleicht sogar über Politik - und können auf diesem Weg im Interesse des Landes etwas erreichen, wenn die Bundesregierung - Herr Wiegard hat es dargestellt - leider völlig versagt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Konsequenzen dieses Versagens wären tatsächlich tragisch: Durch eine Erhöhung der Liquiditätsanforderungen käme es zu einer Umschichtung des Anlagekapitals zu eher kurzfristigen Anlagen statt zu lang- und kurzfristigen Kreditvergaben. Der Kapitalmarkt würde gestärkt. Mittel- und langfristige Unternehmenskredite würden teurer, weil sie knapper und durch kürzere Laufzeiten und kürzere Zinsbindungen abgelöst würden.

Die erhöhten Eigenkapitalanforderungen könnten weitere Konzentrationsbewegungen auslösen und das Regionalprinzip weiter aushöhlen. Das ist tatsächlich eine Lösung, auch wenn die schon heute zu beobachtende „Fusionitis“ tragisch genug ist. Sie ist das weitaus kleinere Übel im Vergleich zu einer Lösung auf der Grundlage der Beteiligungsmöglichkeiten des Sparkassengesetzes. Angesichts der Notlage, die Herr Wiegard geschildert hat, überlegen sich die Sparkassen tatsächlich, sich auf die Beteiligungsmöglichkeiten nach dem jüngst geänderten Sparkassengesetz einzulassen. Dass das so einfach nicht ist - und wenn, dann zunächst nur in einer Region -, beweist die Auffassung des Kartellamts zur beabsichtigten Beteiligung der HASPA an der Kreissparkatze Ratzeburg. - Entschuldigung, an der Kreissparkasse Ratzeburg. Trotz des Bedauerns des Verbandes, dass diese Bedenken vorgetragen werden, ist es so, dass weitere öffentlich-rechtliche Anleger - oder die, die sich dafür halten - nicht Schlange vor den Sparkassentüren stehen. Private

(Tobias Koch)

Eigentümer wollte weder der Sparkassen- und Giroverband noch die CDU; das war ein Ansinnen der FDP, wenn ich es richtig verstanden habe. Ein Lösung kann das jedoch nicht sein.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das europarechtliche Risiko besteht trotz der Rückfallklausel, die im Gesetz steht, immer noch. Rechtssicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sieht nun einmal ganz anders aus.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesen Murks könnten wir in diesem Haus durch eine Gesetzesänderung immerhin noch selbst verändern. An dieser Stelle appelliere ich an die CDU: Sie haben sich in der Energiefrage und in der Frage der Festlegung einer Lohnuntergrenze schon bewegt.

(Tobias Koch [CDU]: Jetzt seid ihr mal dran!)

Nur an dieser Stelle scheint keine Bewegung möglich zu sein; Herr Koch hat das leider so vorgetragen. Aber ich gehe davon aus, dass die Zeit uns recht geben wird. Wenn wir diese Regelung - Basel III - verhindern, haben wir hier alle Möglichkeiten, eine vernünftige Regelung im Interesse der öffentlich-rechtlichen Sparkassen auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ba- sel III können wir gar nicht verhindern! Po- pulismus!)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Katharina Loedige das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutschen Sparkassen und die deutschen Genossenschaftsbanken sind mit ihrer Institutssicherung recht gut durch die Krise gekommen. Diesem System der gegenseitigen Hilfe, das sich über die Jahre bewährt hat, will EU-Binnenmarktskommissar Barnier mit Neuregelungen zum Finanzsektor Rechnung tragen und hat ihnen die Beibehaltung ihrer Besonderheiten zugesichert. Die EU plant das Regelwerk Basel III mittels einer Verordnung und einer Richtlinie umzusetzen. Da

bei fallen die größten und wichtigsten Veränderungen in den Regelungsbereich der Verordnung.

Nun ist die nationale Einflussmöglichkeit auf eine EU-Verordnung gering. Nationale Besonderheiten können nicht durch den Gesetzgeber im jeweiligen Mitgliedsland berücksichtigt werden, sondern ihnen muss schon auf EU-Ebene Rechnung getragen werden. Die Struktur des Bankensystems in Europa ist so unterschiedlich, dass fraglich ist, ob hier eine einheitliche Regelung mithilfe einer Verordnung, die allen nationalen Besonderheiten Rechnung trägt und tragen kann, der richtige Weg ist. Eine Richtlinie wie bei Basel II mit einer angemessenen nationalen parlamentarischen Beteiligung wäre aus unserer Sicht besser gewesen.

Dabei ist Basel III ein wichtiger Beitrag zu einem sicheren Finanzsystem. Basel III zwingt die Banken dazu, mehr Eigenkapital vorzuhalten. Die Mindestkapitalanforderungen für „hartes“ Eigenkapital werden auf 4,5 % erhöht. Das bedeutet mehr Sicherheit für die Kunden. Es werden internationale Standards installiert, die ein Minimum definieren sollen. Bei der Umsetzung von Basel III ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass das Versprechen, der besonderen Bedeutung von Sparkassen und Genossenschaftsbanken Rechnung zu tragen, auch erfüllt wird.

Im Zuge der Umsetzung von Basel III sollte es zugunsten der Kredite für Mittelstand und Handwerk in Schleswig-Holstein nicht zu einer Verteuerung kommen. Das bleibt noch abzuwarten.

Ich möchte hier aber auch noch einmal auf die Anfrage der Grünen bezüglich der Kartellrechtsgenehmigung zu sprechen kommen. Gerade nicht die Grünen, aber auch nicht die SPD, auch nicht der angebliche Fachsprecher für Sparkassen, Herr Eichstädt, sind auf das Problem Basel III und Sparkassen gekommen, sondern die Handwerker. Das müssen wir einmal ganz ehrlich sagen, Frau Heinold. Die Handwerker haben uns alle einen Brief geschrieben, und da sind die Grünen auf einmal auf die Idee gekommen, das Thema hier groß aufzuziehen. Wären Sie schon viel früher auf Basel III und die Probleme für die Sparkassen gestoßen, dann hätten Sie, Frau Heinold, unserer Änderung des Sparkassengesetzes schon im letzten Jahr zugestimmt.

(Beifall bei FDP und CDU)

(Thomas Rother)

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold zu?

Frau Abgeordnete Loedige, sind Sie der Auffassung, dass es gutes Handeln von Parlamentarierinnen und Parlamentariern wäre, Post zu ignorieren?

- Nein, natürlich nicht. Ich habe auch geantwortet. Ich weiß nicht, was Sie mit der Post der Handwerker gemacht haben.

(Heiterkeit bei der FDP)

Frau Abgeordnete Loedige, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Teilen Sie meine Auffassung, dass es sinnvoll sein kann, wenn man von verschiedenen Institutionen oder Bürgerinnen und Bürgern angeschrieben und auf ein Problem aufmerksam gemacht wird, dies zum Anlass zu nehmen, um auch parlamentarische Initiativen zu starten?