Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

(Anke Spoorendonk)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende siebte Minderheitenbericht der Landesregierung ist eine Fortschreibung aus dem Jahr 2007. Er gibt umfassend und kompetent Auskunft über die Entwicklung der Minderheiten- und Volksgruppenpolitik in Schleswig-Holstein. Er ist leicht verständlich, stellt ein qualifiziertes Nachschlagewerk für Insider dar und ist eine gute Materialsammlung für die weitere gemeinsame Arbeit.

Dabei ist allein die Berichterstattung innerhalb einer Legislaturperiode für sich genommen Bestandteil einer aktiven Minderheitenpolitik. Das ist nicht nur so, weil wir dann im Plenum darüber diskutieren, sondern auch, weil hier Entwicklungen aufgezeigt werden und sich neue Perspektiven ergeben können.

Ich möchte mich daher bei dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Heiner Garg, aber auch bei unserem Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, der für diesen Bericht federführend verantwortlich ist, sehr herzlich bedanken. Ich bedanke mich bei unserer Beauftragten für Minderheiten und Kultur, Frau Caroline Schwarz, und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich für diese informative und umfassende Berichterstattung.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Danken möchte ich auch allen Minderheitenvertretern, den entsprechenden Vereinen, Verbänden und Einrichtungen für ihr Engagement in SchleswigHolstein und Dänemark. Sie tragen mit ihrem - im Wesentlichen ehrenamtlichen - Einsatz entscheidend dazu bei, dass die Minderheiten ein Sprachrohr erhalten und ihrer Bedeutung entsprechend Anerkennung erfahren. Vielen Dank dafür!

Von einem - historisch betrachteten - anfangs spannungsreichen Nebeneinander hat sich das Verhältnis zwischen Mehrheiten und Minderheiten zu einem vorbildlichen Miteinander in unserem Land entwickelt. Für uns ist über alle Fraktionen hinweg die politische Teilhabe der Minderheiten eine Selbstverständlichkeit geworden. Darauf können wir Schleswig-Holsteiner stolz sein. Die nationalen Minderheiten südlich der Grenze, also Dänen, Friesen, Sinti und Roma, sowie die deutschen Nordschleswiger in Dänemark stehen über Gremien, Arbeitsgruppen und heute hier im Plenum in einem ständigen Dialog mit der Landesregierung und dem Landtag. Wir sind sozusagen „Brückenbauer“ zwischen Nachbarn geworden. Das ist eine Entwicklung, die im gesamten europäischen Raum mit Respekt und Anerkennung wahrgenommen wird.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Früher war das so!)

Wie der Bericht für den Zeitraum 2009 bis 2012 deutlich macht, gibt es auch weiterhin berechtigte Sorgen und Anliegen der Minderheiten diesseits und jenseits der Grenze, für die es bis heute keine ganz und gar befriedigenden Lösungen gibt. So waren die letzten beiden zurückliegenden Jahre vor allem von der Diskussion über die Zukunft der finanziellen Förderung für die Minderheiten und Volksgruppen geprägt. Insbesondere die dänische Minderheit und auch der Bund der Nordschleswiger fordern Gleichbehandlung und Planungssicherheit, um ihre Arbeit auch weiterhin erfolgreich und konstant leisten zu können.

Zu den im Rahmen der Haushaltskonsolidierung gekürzten Schülerkostensätzen für dänische Schüler sieht die CDU-Fraktion aufgrund der katastrophalen finanziellen Haushaltslage des Landes derzeit leider keine Alternative. Wir werden uns jedoch weiter mit Nachdruck dafür einsetzen, dass der Bund hier ebenfalls Verantwortung übernimmt und die für die Jahre 2011 und 2012 getragenen 3,5 Millionen € für den Dänischen Schulverein auch zukünftig zur Verfügung stellen wird. Wir landen damit bei einer Förderquote von 96 %, und das könnte in Zeiten einer derart angespannten Haushaltslage des Landes auch einmal anerkannt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Unruhe)

Frau Kollegin, ich bitte um einen kleinen Augenblick. - Ich fände es sehr gut, wenn wir insgesamt ein bisschen mehr Ruhe und Aufmerksamkeit für die Rednerin und das Thema haben könnten.

Überdies hat der Kontaktausschuss gerade am letzten Freitag seine Unterstützung für eine vertragliche Regelung zwischen dem Land und dem Bund der Nordschleswiger für eine vierjährige Festschreibung der Fördermittel bekräftigt. Dem BDN soll damit Spielraum gegeben werden, eigene Ausgabenschwerpunkte zu setzen und gegebenenfalls Mittel anzusparen. So ein Vertrag könnte auch als Vorbild für andere Minderheiten dienen.

Ich halte es für gefährlich, die Unterstützung der Minderheiten im Land allein auf die finanzielle Ausstattung zu reduzieren. Die überaus emotional geführte Debatte und der gerade gehörte Beitrag der Kollegin Spoorendonk zu den vorgenommen Kür

zungen können diesen Eindruck durchaus entstehen lassen. Dabei hat es erste Sparrunden für die dänischen Schulen bereits Ende der 90er-Jahre gegeben. Damals ging es der rot-grünen Regierung um die Schließung eines Haushaltslochs von 367 Millionen DM.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Da war Herr Stegner noch nicht Finanzminister,

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

sonst wäre der Fehlbetrag wohl höher ausgefallen.

(Unruhe bei der SPD)

Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Ute Erdsiek-Rave, rechtfertigte die Kürzungen für die Minderheiten kurz und knapp so: „Eine Ausnahme für die Minderheiten von den geplanten Kürzungen würde Neid bei anderen Organisationen und in der Mehrheitsbevölkerung hervorrufen.“ So einfach war das also damals.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Lars Harms [SSW])

Gerade die gesellschaftliche Bedeutung und die Teilhabe der Minderheiten ist in der jüngsten Vergangenheit immer wieder durch gemeinsame Projekte hervorgehoben und weiterentwickelt worden. Ich nenne hier zum Beispiel die Kompetenzanalyse zu Minderheiten als Standortfaktor im deutsch-dänischen Grenzland

(Rolf Fischer [SPD]: Die ist doch beerdigt!)

oder die Aufstellung des Idstedt-Löwen in Flensburg als Zeichen eines friedvollen Miteinanders. Auch die Aufstellung zweisprachiger Orts- und Hinweisschilde zähle ich durchaus dazu. Der nun bereits zum vierten Mal vereinbarte Arbeitsplan zwischen Schleswig-Holstein und der Region Syddanmark, der in diesem Jahr die Hochschulvernetzung und das Zusammenwirken im Gesundheitswesen als Schwerpunkt beschreibt, gehört ebenso dazu wie die gemeinsame Bewerbung Sønderborgs mit der gesamten Region zur Kulturhauptstadt 2017.

Die laufenden Verhandlungen zur Errichtung eines deutsch-dänischen Sinfonieorchesters möchte ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen. Ein grenzüberschreitendes, ja ein europäisches Orchester würde weit über Schleswig-Holsteins, Deutschlands und Dänemarks Grenzen hinaus strahlen, wäre einzigartig und in seiner kulturpolitischen Wirkung von ungemeiner Bedeutung.

Das sind Belege für eine sehr gute inhaltliche Zusammenarbeit der Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung. Das sind außergewöhnliche und ansehnliche Signale, und ich wehre mich entschieden dagegen, dass die dänische Minderheit dies offensichtlich alles ausblendet und eine gelungene Minderheitenpolitik anscheinend ausschließlich an 100 % für dänische Schüler festmacht, Frau Spoorendonk.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Haben Sie! - Ras- mus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was haben Sie denn anders ge- macht?)

Abschließend komme ich kurz zum Gesetzentwurf zur Minderheiten- und Sprachenförderung im kommunalen Bereich. Mein Kollege Werner Kalinka hat ja hierzu ausführlich in der ersten Lesung Stellung genommen und die Haltung der CDUFraktion zu diesem Gesetzentwurf deutlich gemacht. Nach den Vorstellungen des SSW soll zukünftig auch auf kommunaler Ebene, also in Kreisen, Gemeinden, kreisfreien Städten und sogar bei kommunalen Betrieben, ein Berichtswesen eingeführt werden, um darzustellen, wie die Minderheiten und Sprachen dort vor Ort geschützt und gefördert werden. Das heißt also, jeder Abfallwirtschaftsbetrieb, jedes Schwimmbad kann dann zukünftig zur Erstellung eines Berichts verpflichtet werden.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das stimmt nicht! - Zuruf des Abgeordneten Rasmus An- dresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Dann habe ich das falsch verstanden. Das ist auch gut so.

(Lars Harms [SSW]: Schlecht gelesen! - Bernd Heinemann [SPD]: In welcher Spra- che war das denn gehalten?)

- Es ist im Gesetzentwurf enthalten, und deshalb dachte ich, es hier einmal einzubringen. Ich bin beruhigt, dass dem nicht so ist.

Die CDU-Fraktion hält die zusätzliche verpflichtende Belastung unserer Kommunen mit einhergehenden finanziellen Konsequenzen nicht für sinnvoll. Zudem würden wir vielen der 1.100 Gemeinden im Land eine Berichtspflicht über ein Thema auferlegen, das für sie überhaupt nicht oder nur in geringem Umfang relevant ist. Die CDU-Fraktion setzt in diesem Bereich deshalb auf Feiwilligkeit.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Axel Bern- stein [CDU] und Johannes Callsen [CDU])

(Susanne Herold)

Jede Kommune kann selbst über die Vorlage eines Berichts zur Lage der Minderheiten vor Ort innerhalb einer Wahlperiode entscheiden. Der Kreis Nordfriesland und die Städte Flensburg und Kiel haben auf dieser Ebene bereits ein Berichtswesen eingeführt.

In Flensburg, der deutsch-dänischen Metropole der Grenzregion, nimmt die dänische Minderheit von jeher einen besonderen Stellenwert ein. Flensburg hat einen dänischen Bevölkerungsanteil von etwa 20 %. Hier sind neben der FUEV und dem ECMI auch eine Vielzahl regionaler Einrichtungen für die nationalen Minderheiten angesiedelt. In der Präambel der Flensburger Hauptsatzung wird explizit von einer gleichberechtigten Partnerschaft der Kulturen gesprochen. In diesem Jahr wurde zum ersten Mal ein Bericht zur Lage der dänischen Minderheit in Flensburg vorgelegt. Hier ergibt ein solcher Bericht auch Sinn. Hier gehört er hin. Hier ist ein Bericht als Bestandsaufnahme und als kreativer Ideengeber sinnvoll. Das kann ich beispielsweise für Dobersdorf und Elmshorn nicht sehen.

(Zurufe der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Meine Fraktion wird den SSW-Gesetzentwurf ablehnen. Für den Minderheitenbericht bitte ich um Überweisung federführend an den Europaausschuss und mitberatend an den Bildungsausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Birte Pauls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Gäste! Ich bedanke mich herzlich bei allen Beteiligten für diesen Bericht. Über den Inhalt kann ich mich an dieser Stelle leider nicht freuen. „Eine Minderheitenpolitik, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert, dient dem Wohl des Landes“, so der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung im November 2009. Aber diese Regierung hat mit ihrer Art und Weise der Politik leider das Vertrauen der Minderheiten komplett verspielt.

(Beifall bei SPD und SSW - Minister Dr. Heiner Garg und der Abgeordnete Chri- stopher Vogt [FDP] unterhalten sich auf der Regierungsbank - Zurufe von der SPD: Hört zu! - Olaf Schulze [SPD]: Das interessiert den Minister nicht!)

Mit dem jetzt vorliegenden Bericht, in dem Sie den hohen Stellenwert der Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein betonen, hätten Sie den ersten Schritt tun können, dieses Vertrauen wiederzugewinnen. Das ist dringend notwendig. Dafür möchte ich heute ausdrücklich werben. Lassen Sie uns endlich wieder zurückkommen zu einer Politik des Miteinanders, zu einer Minderheitenpolitik im Dialog und mit Zukunftsperspektive!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Anhaltendes Gespräch zwi- schen Minister Dr. Heiner Garg und dem Ab- geordneten Christopher Vogt [FDP] auf der Regierungsbank)

- Finden Sie das auch, Herr Dr. Garg?

(Zurufe von der SPD)

Dieser Bericht stellt aber leider in aller Deutlichkeit dar, wo die Regierung zum Thema Minderheiten steht, und verfestigt damit den Eindruck, dass sie die - auch nach Ihren Worten - „erfolgreiche und in Europa beispielhafte Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein“ überhaupt nicht verstanden und kein Gespür für die Belange der Minderheiten hat. Das hat Frau Herold eben auch deutlich gemacht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Selten hat so ein Bericht in aller Deutlichkeit die Schwäche einer Landesregierung dargestellt. Sie haben das Wort Gleichstellung in Ihrer Art der Minderheitenpolitik für sich gestrichen. Dieses für die Minderheiten so bedeutsame und wichtige Wort kommt in dem ganzen Bericht nur ein einziges Mal vor. Ihre zweifelhafte Minderheitenpolitik immer nur mit der Schuldenbremse zu entschuldigen, ist schlichtweg zu einfach und vorgeschoben.