Das ist übrigens genau die Polizei, die wir nicht wollen. Wir wollen eine Polizei, die schon im Vorfeld alles dafür tut, Straftaten zu verhindern, um damit sicherstellen zu können, dass Menschen ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen können.
Auch hinsichtlich der unabhängigen Versammlungsbeobachter haben wir eine Frage. Wenn Versammlungsbeobachter per Gesetz nun wirklich neutral sein und Sonderrechte bekommen sollen, dann dürfen wir doch davon ausgehen, dass sie nicht nur mögliche Übergriffe der Polizei, sondern auch Übergriffe von Demonstrationsteilnehmern filmen oder dokumentieren können.
Da habe ich eine entscheidende Frage: Wer soll diese Beobachter eigentlich vor dem schwarzen Block schützen, wenn der erst einmal spitzbekommen hat, dass die Film- und Tonaufnahmen der Straftaten aus dem schwarzen Block von den Staatsanwaltschaften beschlagnahmt werden können und müssen? Das betrifft die Strafprozessordnung, Herr Kollege Fürter. Das wissen Sie so gut wie ich. Wenn Demonstrationen eskalieren und es zu Straftaten kommt und wenn es gemeldete Demonstrationsbeobachter gibt, dann müssen die Staatsanwaltschaften das Material beschlagnahmen.
Schönen Dank, Herr Kollege Dolgner. Ich habe das noch nicht ganz verstanden. Positioniert sich die SPD-Fraktion nun für oder gegen Demonstrationsbeobachter?
Im Augenblick positionieren wir uns überhaupt noch nicht dazu, solange die Frage nicht geklärt ist, ob die Menschen, denen Sie offiziell einen Demonstrationsbeobachterstatus zuweisen wollen, nicht allein dadurch gefährdet werden, dass Sie ihnen zumuten, alles zu dokumentieren, und diese Dokumente beschlagnahmbar sind und auch gegen Straftäter aus der Demonstration verwendet werden können. Dann stellt sich die Frage, wer für den Schutz dieser Demonstrationsbeobachter zuständig ist. Im Zweifelsfall ist der Staat dafür zuständig. Wie soll dann der Schutz gewährleistet werden, wenn diese Menschen derart weitreichende Sonderrechte haben?
Ich schlage vor, dass wir das im Ausschuss diskutieren. Wir haben dem Kollegen Fürter schon vor einem Jahr diesen Hinweis gegeben. Ich habe in diesem Gesetzentwurf keine Antwort darauf gelesen. Es kann aber sein, dass es darauf eine Antwort gibt. Insofern haben wir nicht den Erkenntnisstand, den Sie vielleicht haben, um uns dazu positionieren zu können.
Vielleicht können Sie aber nachher meine Frage beantworten, wie Sie das sicherstellen wollen. Dann kann ich Ihnen sagen, ob wir Demonstrationsbeobachter gut finden oder nicht gut finden, die man in einem Gesetz kodifiziert. Sie wollen hier Rechte einräumen. Dazu gehören aber auch Pflichten. Wenn der Staat diese akkreditiert, dann müssen wir uns überlegen, wie der Staat damit umgeht und wie er diese im Zweifelsfall auch schützt.
Wenn Sie es für eine Lappalie halten, dass diese Video- und Tonaufnahmen machen, die Staatsanwaltschaften beschlagnahmen und als Beweismittel gegen Demonstranten verwenden können, dann muss man darüber reden. Darüber können wir im Ausschuss sicher noch einmal reden.
Es gibt aber noch viele andere Fragen, so zum Beispiel die Frage, ob die Kombination Ihrer verschiedenen Vorschriften wirklich zulassen soll, dass eine nicht näher definierte private Vereinigung von of
fen ausländerfeindlichen Rechtsextremisten ohne verantwortliche Person, ohne verantwortliche Versammlungsleitung spontan ohne Anzeigepflicht auf einem privaten Parkplatz eines Gastwirts zum Beispiel türkischer Herkunft eine Demonstration veranstalten darf. Und die Polizei darf erst bei unmittelbarer Gefahr für die Friedlichkeit der Demonstration den Parkplatz überhaupt betreten. Die Kombination Ihrer verschiedenen Rechtsvorschriften würde ein solches Szenario zumindest nahelegen. Ich hätte das gern entkräftet, bevor ich mich zu Ihrem Gesetzentwurf positiv oder negativ äußere.
Ich kann mir übrigens auch aus persönlichen Erfahrungen heraus gut vorstellen, wie man auf viele der Ideen im vorliegenden Gesetzentwurf kommt. Aber Ideen müssen auch zu Ende gedacht werden, sonst wird aus gut Gedachtem ganz schnell schlecht Gemachtes. Deshalb sind wir auch dafür, das an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen und dort in aller Ruhe zu beraten.
Ich möchte Sie darauf hinweisen: Alle Rechte, die Sie mit dem Gesetzentwurf gewähren wollen, müssen für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes gewährt werden - ob wir das wollen oder nicht. Wenn wir die Demonstrationsfreiheit stärken und die Eingriffsrechte des Staates zurückfahren, dann tun wir das auch gegenüber Menschen, deren Demonstrationen wir hier alle nicht wollen und die wir bisher alle abgelehnt haben. Dann werden wir uns auch noch einmal über das Thema Störung von Demonstrationen, auch im Zusammenhang mit der Palmarum-Demonstration in Lübeck, unterhalten müssen. Denn auch da gab es unterschiedliche Sachen.
Das heißt, wir müssen diese Debatte auch ehrlich führen, alle Rechte, die wir geben, müssen wir allen geben. Wir müssen zum Beispiel auch dem besagten türkischen Gastwirt eine Antwort darauf geben, ob er das als Sonderopfer für ein Grundrecht hinzunehmen hat oder nicht.
- Entschuldigen Sie, Herr Fürter. Ich habe meine eigenen Erfahrungen gemacht. Das ist nicht unrealistisch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Schleswig-Holstein kann sich ein eigenes Versammlungrecht geben. Ja, SchleswigHolstein braucht auch ein eigenes Versammlungsgesetz. Und ja, das neue Versammlungsgesetz sollte liberal und rechtssicher sein.
Wir wollen ein Versammlungsgesetz, das den hohen Ansprüchen des Grundgesetzes gerecht wird und auf keinen Fall ein grünes „Polizeimisstrauensgesetz”.
Die Grünen entlarven sich einmal mehr selbst, wenn wir uns einmal die Gesetzesbegründung genauer anschauen. Dort heißt es doch tatsächlich:
- So, so. Misstrauen in die Arbeit unserer Polizei ist vielleicht nicht das bestimmende Motiv, aber nach Ihren eigenen Worten ist es auf jeden Fall ein Motiv.
Misstrauen in die Arbeit der Polizei ist für liberale Menschen überhaupt nie ein Motiv. Wir vertrauen nämlich grundsätzlich unserem Rechtsstaat und seinen Organen, genauso wie wir unseren Bürgerinnen und Bürgern vertrauen. Darin unterscheiden wir uns zum Glück von den Grünen.
Unser Motiv für ein eigenes Versammlungsgesetz kann und muss die rechtskonforme Ausgestaltung des liberalen Grundgesetzes sein. Dabei setzen wir auf Rechtsstaatlichkeit und Eindeutigkeit. Beides lässt der grüne Gesetzentwurf leider vermissen. Wer dauernd auf die Polizei als personifizierte Gegnerin schielt, verliert leider den Blick fürs Wesentliche.
- Was kommt von dahinten immer für ein Gegrummel? Wir waren gar nicht so weit auseinander nach den Worten von Herrn Dolgner.
Lassen Sie mich einige Beispiele dafür anführen. Liebe Grüne, nach Ihrem Gesetzentwurf muss jede Behörde und jede Einrichtung eines Landes die Versammlung schützen und die Versammlungsfreiheit stärken. Meinen Sie wirklich jede Einrichtung, also auch das UK-SH, die Finanzämter und das Schloss Gottorf mit seinen Moorleichen? Der grüne Gesetzentwurf strotzt nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen, die vermutlich noch nicht einmal welche sind. Da ist die Rede von einschüchternden Elementen - das haben wir schon gehört -, die vermieden werden müssten. Was soll das bitte sein? Meinen Sie vielleicht den Schutzanzug eines Polizeibeamten oder die Androhung eines Platzverweises gegenüber einem Demonstranten, der Steine wirft?
Genauso unbestimmt ist die Definition der Verhältnismäßigkeit. Anhand eines „strengen Maßstabes” soll geprüft werden. - Ich kenne strenge Lehrer, aber die helfen auch nicht bei der Auslegung dieser Norm.
Dabei ist ein Kritikpunkt am bisherigen Versammlungsgesetz des Bundes gerade doch dessen Auslegungsbedürftigkeit. Sie weiten diese durch Ihren Entwurf noch aus.
Die Grünen sprechen gern und häufig vom Dialog des Miteinanders. Wie der aussehen soll, zeigt sich an einer anderen Stelle. Dort ist vom Kooperationsgebot die Rede. Eine Pflicht zur Kooperation wird aber nur den Behörden auferlegt.