Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Herr Kollege, Sie sprechen über die Fahrt von Quickborn nach Hamburg und die Erreichbarkeit mit dem Zug, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und im Zweifel mit dem Fahrrad. Können Sie mir erklären, wie das bei mir von Mohrkirch nach Kiel oder generell im ländlichen Raum funktionieren soll?

- Es ist schon einmal spannend, dass Sie von der A 7 jetzt insgesamt auf die Verkehrs- und Mobilitätspolitik in Schleswig-Holstein kommen. In der Tat sind wir der Meinung, dass wir moderne Verkehrsmobilitätskonzepte brauchen. Dazu gehören natürlich in erster Linie der Ausbau des ÖPNV, aber auch Mitfahrzentralen und im Grunde genommen alles das, was in der Strategie CO2 vermeidet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern gehe ich mit, wenn wir diese Konzepte gemeinsam besprechen wollen: CO2-Vermeidung angesichts der Klimakrise.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt nennen. Ich frage mich auch - Sie sind sehr stark dabei, den Neubau zu postulieren -: Warum heben wir nicht die Effizienzen im System? Wir haben doch folgendes Problem. Wir leben in Deutschland vom Werteverzehr unserer Infrastruktur. Wir brauchten 37 Milliarden €, um die bereits geschaffene Infrastruktur zu ertüchtigen. Da rede ich nicht über Neubau, sondern ich rede von einem Brot-und-Buttergeschäft, das, was wir haben, zu ertüchtigen. Was bringt es uns jetzt, wenn wir Millionen in die A 7 investieren, und dann fallen uns bei der Rader Hochbrücke die Bolzen heraus, und wir stauen das, was wir in Hamburg auflösen, wieder an einer Brücke?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

9 Milliarden € wird es kosten, unsere Brücken zu ertüchtigen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: In ganz Deutsch- land!)

- Ja, aber wir haben in Schleswig-Holstein als Land zwischen den Meeren nun einmal viele Brücken, Herr Arp. Das sollten auch Sie wissen.

Wir müssen uns also die Frage stellen, wie wir eine moderne Mobilitäts- und Verkehrspolitik mit den Erfordernissen der Schuldenbremse und der Finanzpolitik harmonisieren. Das ist die zentrale Frage. Es ist richtig, die A 7 gehört zu den vordringlichen Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans. Aber Sie feiern jetzt schon die Ausschreibung. Man muss doch einmal sagen, im Entwurf des Investitionsrahmenplans von 2011 bis 2015, der mir vorliegt, sind keine Bundesmittel für den Ausbau vorgesehen. Jetzt suchen Sie einen Investor, der bereit ist, mitweniger als 50 % einzusteigen. 50 % ist die Höchstgrenze. Es wird eher so sein, dass Sie niemanden finden werden. Die Firmen werden das

(Dr. Andreas Tietze)

hochreizen, möglichst viel öffentliches Geld in dieses Projekt hineinzunehmen. Auch muss der Bund auf Lkw-Maut-Einnahmen verzichten. Auch da wird es haushaltspolitische Folgewirkungen geben.

Sie haben auch das PPP-Projekt genannt. Ich habe das jetzt so verstanden Herr Minister, quick and dirty, PPP, bringt jetzt schnell den Erfolg. Ich bin da skeptisch. Ich will PPP nicht grundsätzlich verteufeln, aber im Grunde genommen haben wir die negative Erfahrung im Straßenbau. Was ist bei der L 192 passiert? - Quick and dirty, eine Straße, 30 km im Norden, gebaut, 300 Bäume plattgemacht und jetzt - der Umdruck, über den wir debattieren, sagt es sehr deutlich - zahlen wir als Land noch einmal drauf. „Erfolgreiches PPP“ nenne ich das nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt ein ungutes Gefühl. Deshalb ist der sechsspurige Ausbau nicht der Weisheit letzter Schluss.

Unsere Linie in der Verkehrspolitik bemisst sich einzig und allein an der Frage, ob der Verkehr in die ökologische Wende einbezogen wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie sinnvoll, frage ich mich, ist es, das Straßennetz auszubauen, wenn wir alle wissen, dass mehr Ausbau mehr Verkehr erzeugt?

(Glocke des Präsidenten)

Wir kommen doch sofort auf folgende Debatte: Die nächste Tunnelröhre muss gebaut werden. Dann möchten Sie am liebsten noch den gesamten Elbtunnel tiefer legen, damit Sie für die Elbvertiefung eine Chance haben, dass die Schiffe durchfahren können. Das ist doch Ihre Logik. Mehr Ausbau erzeugt auch mehr Verkehr.

Herr Abgeordneter, ich habe jetzt eben nicht geklingelt, um Ihre Rede musikalisch zu untermalen,

(Heiterkeit)

sondern um darauf hinzuweisen, dass die Redezeit abgelaufen ist.

(Beifall)

Ich bedanke mich für den Hinweis, Herr Präsident. Aber weil Weihnachten ist, hatte ich das fehlinterpretiert.

(Heiterkeit)

Formulieren Sie bitte den letzten Satz.

Ich komme zum Schluss.

(Heiterkeit)

Wir nehmen die Herausforderungen einer modernen Mobilitätspolitik in Schleswig-Holstein gern an.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DIE LINKE hat den sechsspurigen Ausbau der A 7 immer abgelehnt und bleibt, nicht überraschend, bei dieser Position. Ein solcher Ausbau wäre eine weitere in Beton gegossene Manifestation einer völlig verfehlten Verkehrspolitik. Wenn es darum geht, Beton und Asphalt quer durch die Landschaft zu ziehen, kann es Schwarz-Gelb wie immer nicht schnell genug gehen. Ich würde mir einmal wünschen, dass eine ähnliche Eile bei der Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit oder der Schaffung vollwertiger, existenzsichernder Arbeit oder der Beseitigung der Ungerechtigkeiten in der Bildungspolitik auftreten würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird behauptet, ein Ausbau der A 7 würde zu positiven wirtschaftlichen Effekten für SchleswigHolstein führen, insbesondere der nördliche Landesteil könne profitieren. Wo aber sollen diese Effekte eigentlich herkommen? Erklärtes Ziel des Ausbaus der A 7 ist es doch, Verkehrsströme schneller durch Schleswig-Holstein durchzuführen.

Die hier von Ihnen zur Begründung vorgelegten Zahlen eines steigenden Transitverkehrs sind sehr mit Vorsicht zu genießen. Dass diese zukünftig tatsächlich in einem solchen Maße steigen, ist nicht zu erwarten. Wir konnten in den letzten Wochen bundesweit lesen, dass die Prognosen für den Verkehrswegeplan ziemlich auf Sand gebaut sind. Absurd ist ebenso die Begründung, ein Ausbau sei not

(Dr. Andreas Tietze)

wendig, weil dadurch regionaler Verkehr von den Landstraßen auf die Autobahn verlagert würde. Genau hierdurch würde die Verkehrsbelastung auf den zur A 7 führenden Straßen steigen.

Dies wird in der Planung nicht berücksichtigt. Zum Glück haben sich einige Bürgerinitiativen in den Anliegergemeinden dieses Themas angenommen und ihren Protest artikuliert. Ein Ausbau der A 7 schafft zusätzlichen Autoverkehr, den es ohne den Ausbau nicht geben würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein anderer Aspekt, der gegen dieses Bauvorhaben spricht, ist die geplante Durchführung als Projekt in sogenannter Öffentlich-Privater-Partnerschaft. Ausbau, Erhalt und Betrieb des Autobahnabschnitts sollen für 30 Jahre an einen privaten Konzessionär abgegeben werden. Hierfür soll dieser im genannten Zeitraum an den Einnahmen aus der LkwMaut beteiligt werden. Dass Sie schon wieder ein ÖPP-Projekt im Straßenbau durchsetzen wollen, spricht nicht gerade für Ihre Lernfähigkeit. Wir können uns noch gut daran erinnern, dass dem letzten Projekt Hunderte Bäume entlang der L 192 auch ein ÖPP-Projekt - zum Opfer gefallen sind. Das sind die Kollateralschäden, wenn man Projekte durchführt, bei denen die Hauptsache ist, dass dabei möglichst viel Profit für Private herauskommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Schon aus grundsätzlichen Erwägungen wird DIE LINKE daher jedes Projekt in Öffentlich-Privater Partnerschaft ablehnen. Viel zu häufig ist die öffentliche Hand mit solchen Vorhaben buchstäblich gegen die Wand gefahren. Nicht nur, dass ohne Not staatliche Einnahmen gemindert oder - wie bei diesem unsinnigen Projekt - Steuergeldverschwendungen verschleiert werden; Projekte in ÖffentlichPrivater Partnerschaft sind immer eine versteckte Subventionierung von Unternehmen zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das werden wir nicht hinnehmen.

Abschließen möchte ich mit einigen kurzen Vorschlägen für eine sinnvolle Verkehrspolitik eintreten, die den tatsächlichen Interessen der Einwohnerinnen und Einwohner Schleswig-Holsteins dient und nicht nur der Straßenbaulobby: Investieren Sie in den Ausbau der Schienenverkehrswege und des öffentlichen Personenverkehrs.

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen Sie Geld dafür in die Hand, Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Setzen Sie sich im Bund dafür ein, dass die Bahn in die Attraktivität ihres Angebots investiert, statt durch ständige Fahrpreiserhöhungen Pendlerinnen und Pendler zu schröpfen. Nicht zuletzt: Tun Sie etwas für die Beschäftigten im Güterverkehr. Fernfahrerinnen und Fernfahrern ist nicht unbedingt durch breitere Autobahnen geholfen, sondern dadurch, dass zum Beispiel endlich genug Stellplätze zur Verfügung gestellt werden, damit Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden können.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abge- ordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Hier besteht dringender Handlungsbedarf, hier ist Eile geboten. Eine solche Maßnahme würde - nebenbei bemerkt - auch nur einen Bruchteil der 300 Millionen € kosten, die durch einen sechsspurigen Ausbau der A 7 verschleudert würden. DIE LINKE steht für eine sozial-ökologische Verkehrswende.