Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

(Ministerin Dr. Juliane Rumpf)

Jahrzehntelang galt Asbest als Wunderfaser und wurde massenhaft in Baumaterial verwendet. Wir alle werden vielleicht schon einmal auf unseren Grundstücken oder bei Altbauten oder, wenn wir durchs Land fahren, bei landwirtschaftlichen Gebäuden auf Eternitplatten gestoßen sein. Asbest, abgeleitet von asbestos - griechisch - bedeutet unvergänglich. Ebenso unvergänglich wie die Faser ist auch das Gesundheitsrisiko, das mit ihr verbunden ist.

„Für Asbest kann keine Wirkungsschwelle und damit auch keine gesundheitlich unbedenkliche Dosis angegeben werden.“

So zitiert das OVG-Urteil aus dem Jahr 2009 das Bayerische Landesamt für Umwelt. Sie selber haben das Landesamt in Ihrem Bericht häufiger zitiert. Ich habe mich gefragt, warum allerdings dieser wichtiger Hinweis fehlt.

Ebenso fehlen Stellungnahmen von Zeitzeugen, zum Beispiel einem ehemaligen Mitarbeiter der Fulgurit-Werke oder dem ehemaligen Dezernatsleiter des niedersächsischen Landesamtes für Ökologie, einem ausgewiesenen Fachmann für die Gefahren von Asbest. Beide weisen seit Langem darauf hin, dass auf der Halde in Wunstorf keineswegs nur Asbestschlämme lagern, sondern in größeren Mengen auch weitaus gefährlichere Asbeststäube.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört, hört!)

Stattdessen gibt die Landesregierung vor allem die Einschätzung - das haben Sie heute leider noch einmal getan, Frau Ministerin - der Behörden von Niedersachsen wieder. Es kann aber nicht sein, dass Sie sich deren Haltung bezüglich der vorgeblichen Alternativlosigkeit der Transporte so unkritisch zu eigen machen.

So heißt es zum Beispiel in diesem Bericht:

„Seitens des Landes Niedersachen wird eine Sicherung vor Ort als nicht möglich angesehen …“

Man verweist auf den Platzmangel vor Ort und darauf, dass die Fläche - das ist auch interessant - für eine gewerbliche Nutzung benötigt werde.

Für den wirtschaftlichen Vorteil der Region Hannover - der sei ihr gegönnt - sollen über 7.000-mal die Bewohnerinnen und Bewohner entlang der mehr als 200 km langen Transportstrecke gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt werden, deren Dimension niemand abschließend bewerten kann.

Diese Begründung ist unzumutbar. Genau das ist es auch, was die Menschen hier in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern zu Recht auf die Straße treibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Ich weiß - Sie alle, die sich damit beschäftigt haben, wissen es -, dass es Gutachten gibt, die besagen, eine sichere Lagerung am jetzigen Standort sei nicht möglich. Es zeigt sich aber auch, dass sich die verschiedenen Gutachter nicht einig sind. Es gibt ernst zu nehmende Gutachten, die sagen, das Gegenteil sei der Fall, eine sichere Lagerung vor Ort gehe. Denken Sie nur an die Möglichkeit einer Einhausung. Wir reden ja immer davon, wie wunderbar sicher Rondeshagen als die einzige eingehauste Deponie in Deutschland ist. Genau dies könnte man auch vor Ort in Wunstorf-Luthe versuchen.

Ich frage daher die Landesregierung: Warum haben Sie in dem Schreiben an das Land Niedersachsen nicht mit Nachdruck die ernsthafte Prüfung einer solchen Lösung angemahnt? Stattdessen haben Sie „darum gebeten..., dass die rechtlichen Bestimmungen zweifelsfrei eingehalten werden“. Ja, meine Damen und Herren, wo sind wir denn? Ich bin bislang immer davon ausgegangen, dass Behörden in unserem Land selbstverständlich die rechtlichen Bestimmungen einhalten und dazu nicht von der schleswig-holsteinischen Landesregierung aufgefordert werden müssen. Das ist mehr als grotesk.

Nun zu den umstrittenen Gutachten des TÜV: Hier gibt es zahlreiche Ungereimtheiten bezüglich der Methode, der Messungen und auch der Ergebnisse. Als Grundlage für eine Gefährdungseinschätzung reichen die Daten mitnichten aus. Das niedersächsische Umweltministerium weist in einer Presseerklärung vom 18. November 2011 selbst auf die Inhomogenität des Asbestschlamms hin. Man kommt zu dem Schluss, dass bei jedem zehnten Transport weitere Messungen durchgeführt werden sollen. Ich frage Sie: Warum nicht bei jeder achten oder jeder fünfzehnten Fahrt? Das ist vollkommen willkürlich und zeigt die Ratlosigkeit an dieser Stelle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die geplante Anlieferung des Mülls in Muldenkippern statt in geschlossenen, staubdichten Behältern, wie sie das OVG Lüneburg gefordert hat, lässt Zweifel daran aufkommen, dass hier wirklich die Sicherheit der Bevölkerung vor ökonomische Interessen gestellt wird. Im Gegenteil, ich habe den

(Marlies Fritzen)

Eindruck, dass bestehende Standards im Umgang mit Asbestmüll verwässert werden sollen. Das bisherige Vorgehen der Behörden vor allem in Niedersachsen folgt dem Konzept „Versuch und Irrtum“. Die Menschen entlang der Transportstrecke und an den Deponiestandorten sind aber keine Versuchskaninchen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr froh, dass wir heute erneut einen interfraktionellen Antrag vorlegen, in dem man sich darauf verständigt hat, dass die Deponie Rondeshagen bis zur vollständigen Klärung der offenen Fragen den Müll nicht annehmen soll. Frau Ministerin, Sie haben das gerade bestätigt. Die Sicherheit der Bevölkerung ist wichtiger als ökonomische Interessen. Ich fordere Sie auf, weiterhin gemeinsam dafür zu kämpfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Michael von Abercron.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank an die Frau Ministerin für ihren hervorragenden Bericht, der uns in mancher Beziehung hoffnungsfroh stimmen kann. Ich glaube, zwar sind viele Fragen noch nicht geklärt, aber wir kommen im Einzelnen noch darauf, dass wir zu einer Klärung kommen.

Umweltpolitik ist das beste Beispiel dafür, dass wir die Zukunft nur dann sicher gestalten können, wenn wir uns der Verantwortung aus der Vergangenheit stellen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Herzlichen Dank! - Dies lässt sich sehr gut an dem Problem Asbest nachvollziehen: früher Wunderfaser, heute mehr Altlast und Gift.

Die Deponie Rondeshagen soll etwa 25.000 t Asbestschlamm aus Wunstorf in Niedersachsen aufnehmen. Welche Risiken ergeben sich aus der Beund Entladung, dem Transport und möglicherweise aus der Deponierung?

Seit 1990 türmen sich etwa 140.000 m3 dieses asbesthaltigen Materials, meist Schlämme und Scherben, auf einer großen Deponie, einem Berg der Fir

ma Fulgurit in Wunstorf-Luthe bei Hannover. Ohne aufwendige Sicherungsmaßnahmen droht durch Verwitterung und Verwehung eine Freisetzung. Deshalb haben sich die politischen Gremien in Hannover für die sehr aufwendige Variante eines Abtransportes auf eine sichere Deponierung entschieden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Entscheidung - auch wenn wir das kritisch sehen mögen - müssen wir - ich kommen noch darauf als andere politische Meinungsträger akzeptieren. Das Material soll per Lkw auf die Deponien Ihlenberg und Rondeshagen verbracht werden. Be- und Entladung, aber insbesondere der Transport werden von den Bürgern kritisch gesehen. Ja, damit werden auch große Ängste hervorgerufen. Vorliegende Untersuchungen haben diese Ängste nicht zerstreuen können.

Es geht um die Frage, ob bei den Be- und Entladevorgängen die Luftbelastung erhöht wird, ob der Transport in den Containern, die durch Schaumüberzüge abgesichert sind, bei Unfällen tatsächlich sicher ist. Vor diesem Hintergrund ist es sehr gut nachzuvollziehen, dass die Menschen zumindest fordern, das muss sicher sein. Dazu - haben Sie immer gesagt - kann man nur die Big Bags nehmen. Ein Kollege im Ausschuss hat einmal von Sixpacks gesprochen. Die sind zwar auch ganz nett, aber auch nicht so sicher; die meinen wir nicht.

Weitgehend unstrittig ist, dass die Zieldeponie Rondeshagen diese Materialien aufnehmen kann. Ja, diese Deponie ist sicher und hat die Vorrichtung zum Abkippen. Sie ist dafür vorgesehen. Das ist keine Frage.

Warum ist Asbest eigentlich so gefährlich? Die sehr langen, extrem dünnen Fasern setzen sich in den Zellen der Lunge fest, können von den Makrophagen nicht erkannt werden und bleiben dort. Das heißt, irgendwann kommt es zu der berühmten Asbestose. Das kann bis zum Krebs führen. Wir haben bis heute noch sehr viele Fälle, wo die Menschen an dieser Stauberkrankung leiden. Man kann daran sogar sterben.

Deshalb kann man sehr gut nachvollziehen, warum das Thema Sicherheit so wichtig ist. Es ist ausgesprochen schwierig - die Kollegin hat es eben auch schon angeführt - festzulegen, ab wann eine Gefährdung eintritt, weil sie individuell und biologisch sehr unterschiedlich ist. Gerade deshalb ist die Abwägung zwischen den Risiken eines Verbleibens in Wunstorf-Luthe auf der Halde und des Transports auf der Straße so unheimlich schwierig.

(Marlies Fritzen)

Zu Recht fragen die Bürger nach einem ehrlichen Kostenvergleich, das heißt ohne die Subventionierung durch irgendwelche Sanierungshilfen. Diese Verantwortung liegt in den politischen Gremien der Region Hannover. Wir aber tragen die politische Verantwortung für die Menschen in Schleswig-Holstein, die entlang der möglichen Transportrouten leben. Deshalb müssen wir vor einer endgültigen Entscheidung zur Annahme noch eine Reihe von Fragen klären. Die Ministerin hat zugesagt, dass sie uns dabei helfen wird.

Wie homogen ist der Schlamm? Kann ausgeschlossen werden, dass trockene Stäube enthalten sind? Haben sich nach der Angebotsabgabe neue Erkenntnisse ergeben? Ist der Deponiebetreiber vor der Angebotsabgabe und davon unterrichtet worden, dass es bereits eine Auflage eines niedersächsischen Gerichtes gab, nämlich des OVG Lüneburg, das den Transport an anderer Stelle für Big Bags vorgesehen hat?

Als Gesellschafter der Deponie Rondeshagen hat das Land ein Anrecht darauf, die Bedingungen für die Annahme dieses potenziell gefährlichen Abfallstoffes genau zu kennen und festzulegen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb möchten wir die Landesregierung nachdrücklich bitten zu prüfen, ob sich die Geschäftsgrundlagen seit der Angebotsabgabe nicht grundlegend verändert haben.

Sollte eine Verbringung des Asbestabfalls in Big Bags zwingend sein, wofür nach der derzeitigen Lage vieles spricht, kann die Deponie Rondeshagen dieses Material nicht annehmen, weil sie technisch dafür gar nicht geeignet ist. Wir tragen eine übergreifende Verantwortung, und wir wollen mit dem fraktionsübergreifenden Antrag auch ganz klar zum Ausdruck bringen, dass wir auf dem Laufenden gehalten werden wollen. Wir als CDU tragen deshalb diesen Antrag sehr gern mit. Das gilt natürlich auch für die Erkenntnisse über die Ergebnisse der rechtlichen Prüfung des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Völlig unabhängig von allen wirtschaftlichen und juristischen Fragen bleibt für uns eines völlig klar: Die Sicherheit der Bevölkerung hat absoluten Vorrang.

(Beifall bei CDU und FDP)

Mein letzter Satz: Asbest ist kein Weihnachtsgeschenk - egal wie es verpackt ist. Die Ausführungen der Ministerin habe ich aber als hoffnungsfrohe

Weihnachtsbotschaft verstanden. Ich wünsche Ihnen auch frohe Weihnachten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Peter Eichstädt.

(Zurufe von der SPD)

Langsam kommt hier weihnachtliche Stimmung auf, zumindest bei meinem Kollegen Weber. Das freut mich, er hat es verdient.

(Heiterkeit)