Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist im Sozialausschuss ausführlich beraten worden, und er ist aus Sicht der Landesregierung dort auch aus guten Gründen abgelehnt worden; dies mit Sicherheit nicht, weil die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen kein Interesse daran hätten, den Arbeitsschutz in Schleswig-Holstein zu stärken, sondern weil die im Antrag enthaltenen Forderungen der SPD-Fraktion dieses richtige Ziel nicht voranbringen, sondern es sogar konterkarieren. Dazu ein Beispiel.

Die SPD-Fraktion hat gefordert, dass SchleswigHolstein den Vorsitz im Länderausschuss für Ar

beitsschutz und Sicherheitstechnik, kurz LASI, übernimmt. Dort steht ab 2012 der turnusmäßige Wechsel im Vorsitz an. Die Vertreter des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit haben im Ausschuss ausführlich erklärt, dass die Aufgaben des LASI-Vorsitzlandes im Wesentlichen Koordinierungsaufgaben sind. Sie beziehen sich gerade nicht speziell auf Schleswig-Holstein, sondern auf die sonstigen Arbeitsschutzakteure bundes- und auch europaweit. Die Übernahme des LASI-Vorsitzes würde die Arbeitskraft des Arbeitsschutzreferates in Schleswig-Holstein massiv binden, und zwar für drei Jahre. Das ginge nur auf Kosten von originären Arbeitsschutzaufgaben in SchleswigHolstein selbst, und zwar in einem Ausmaß, das nicht verantwortbar wäre, was auch etwas mit der personellen Situation im Arbeitsschutzreferat des Sozialministeriums zu tun hat. Die hat Kollege Garg nicht verursacht, sondern die hat er von seiner Amtsvorgängerin übernehmen müssen.

Minister Garg ist daher 2010 mit einem Antrag zur Neuausrichtung des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik auf der Ebene der Arbeits- und Sozialminister der Länder aktiv geworden. Er hat verdeutlicht, dass aus unserer Sicht die Arbeit des Länderausschusses auf den Prüfstand gehört, unter anderem um jüngere Entwicklungen im staatlichen Arbeitsschutz besser zu berücksichtigen, ebenso aber auch die unterschiedliche Entwicklung der personellen und finanziellen Ressourcen in den Bundesländern.

Ergebnis dieser von Schleswig-Holstein initiierten Diskussion ist ein einstimmiger Beschluss der diesjährigen Arbeits- und Sozialministerkonferenz. Er zielt im Zuge einer erforderlichen Neuausrichtung auf eine Straffung und Optimierung der LASI-Arbeit. Schleswig-Holstein wird sich in einer Arbeitsgruppe auf Abteilungsleiterebene an der Erarbeitung eines entsprechenden neuen Konzeptes beteiligen.

Eine weitere Forderung des vorliegenden Antrags ist, Kollege Baasch, Bedingungen zu schaffen, damit der Arbeitsschutz alle notwendig zu prüfenden Bereiche abdecken kann, und Anweisungen für die Prüfungen zu geben. Allerdings - das ist im Sozialausschuss auch Ihnen, Herr Kollege, eingehend dargelegt worden - hat das Sozialministerium der staatlichen Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord schon längst eine Besichtigungsstrategie vorgegeben. Diese ist übrigens nicht einmal eine Neuigkeit. Das Arbeitsschutzkonzept wird zurzeit fortgeschrieben.

Das Konzept schreibt eine Risikoorientierung der Aufsichtstätigkeit vor. Damit wird den unterschiedlich hohen Arbeitsschutzrisiken in den Betrieben Rechnung getragen, gleichzeitig aber auch dem knappen Personalbestand.

Neben dem Arbeitsschutzkonzept gewinnt die gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie zunehmend an Bedeutung. Sie enthält detaillierte Vorgaben zur Durchführung der Betriebsbesichtigungen. Die gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie wird von den Bundesländern und dem BMAS - was das ist, weiß ich nicht

(Zurufe)

- Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung; danke schön - und den Unfallversicherungsträgern getragen und in Abstimmung mit den Sozialpartnern bundesweit durchgeführt. Die Länder haben sich im Übrigen darauf verständigt, zukünftig in den Betrieben stärker die strukturellen Voraussetzungen für einen wirksamen Arbeitsschutz zu kontrollieren. Diese sogenannte Systemkontrolle ist nach Einschätzung der Fachleute deutlich wirksamer als eine detaillierte Einzelkontrolle. Das wird im Rahmen der angesprochen Fortschreibung unseres Arbeitsschutzkonzeptes in Schleswig-Holstein seinen Niederschlag finden, meine Damen und Herren.

Was der Antrag will, tut das Sozialministerium bereits. Die Sache des Arbeitsschutzes ist bei dieser Landesregierung und den Akteuren in den Betrieben und bei der Unfallkasse Nord in guten Händen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag Drucksache 17/1765 abzulehnen. Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW. Enthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Zurufe)

- Möchten Sie Auszählung?

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja!)

Dann müssen wir jetzt auszählen. Dann wiederhole ich die Abstimmung. Ich sage noch einmal, der

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

Ausschuss empfiehlt, den Antrag Drucksache 17/ 1765 abzulehnen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte, nachzuzählen. - Wer ist dafür, den Antrag anzunehmen? Ich bitte, auszuzählen.

Wir haben jetzt 30 Stimmen, die den Antrag ablehnen, und 24 Stimmen, die dem Antrag zustimmen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 47.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 60 auf:

Bürgerbeteiligung im Bereich der erneuerbaren Energien

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1608

Bericht der Landesregierung Drucksache 17/1922

Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, zum Bericht das Wort.

(Unruhe)

- Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit für diesen Tagesordnungspunkt und den Bericht des Ministers.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP die Landesregierung aufgefordert zu prüfen, ob eine ehrenamtliche Ombudsstelle eingesetzt werden sollte, die im Bereich der erneuerbaren Energien einen Anstieg von Streitfällen verhindert und langwierige Streitfragen abwendet. Sie kennen den Auftrag aus der Landtagsdrucksache; ich brauche ihn nicht zu wiederholen.

In der Tat sind die erneuerbaren Energien kein Feld der reinen Harmonie. Mit der Energiewende verschwinden zwar auf der einen Seite die gesellschaftlichen Großkonflikte zwischen Kernkraft und den erneuerbaren Energien, auf der anderen Seite erleben wir, dass auch der Ausbau der erneuerbaren Energien im Konflikt zu anderen politischen oder individuellen, insbesondere aber auch umweltpolitischen Zielen steht oder vermeintlich steht. Nicht jede Gemeinde zum Beispiel will Windeignungsflächen aus im Einzelfall mitunter durchaus nachvollziehbaren Gründen. Die energetische Bio

massenutzung, ein anderes Beispiel, verändert die landwirtschaftlichen Anbaustrukturen in den Augen vieler nicht nur zum Vorteil. Großflächige Fotovoltaikanlagen verändern das Landwirtschaftsbild. Auch dort gibt es Akzeptanzprobleme. Die geothermische Nutzung des Untergrunds muss mit großer Sortgafalt geplant werden, sonst kann es im wahrsten Sinne des Wortes zu Verwerfungen kommen.

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)

- Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Herr Minister, Sie haben weiter das Wort, aber es war sehr laut.

Das will ich jetzt nicht kommentieren.

(Heiterkeit)

Ich fahre fort. - Auch gegen die Aufstellung von Offshore-Windanlagen weit draußen auf dem Meer richtet sich zum Beispiel mit Blick auf die Schweinswale und die übrige Fauna durchaus Protest.

Keine der erneuerbaren Energien - das ist das Fazit - ist nur positiv. Jede bringt Veränderungen mit sich, die mitunter, wie gesagt, auch Widerstand auslösen. Ich möchte an dieser Stelle gleichwohl klar sagen, die Landesregierung hält den Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin für richtig und wichtig. Er ist zwingend, gerade in Schleswig-Holstein, weil ohne den Beitrag Schleswig-Holsteins die Energiewende in Deutschland nicht gelingen wird.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb - das ist auch der Geist des Antrags gewesen - geht es nicht darum, zu beschreiben, welche Probleme entstehen können, sondern es geht darum, zu beschreiben, wie man diese Probleme, auch mögliche Akzeptanzprobleme, beheben kann. Deshalb brauchen wir Wege, die Streitfragen, die es gibt, zu lösen, und zwar ohne den Ausbau der erneuerbaren Energien gleichzeitig zu gefährden.

Der vorliegende Bericht zeigt auf, dass es solche streitschlichtenden Verfahren und Einrichtungen bereits gibt. Für Fragen im Zusammenhang mit

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

dem Vollzug des EEG steht deutschlandweit die EEG-Clearingstelle zur Verfügung. In SchleswigHolstein hat die Regionalplanung qua Gesetz die Aufgabe, die räumlichen Nutzungsansprüche zu koordinieren. Sie erhebt den Anspruch, mit ihren Verfahren transparent, objektiv und überfachlich die verschiedenen Interessen abzuwägen. Damit nimmt sie gleichzeitig auch die Aufgaben einer Schlichtungsstelle wahr. Im Rahmen der Bauleitplanverfahren eröffnet das Baugesetzbuch die Einbindung eines Mediators. Schließlich existiert ein flächendeckendes Angebot gerichtlicher Mediation zur Lösung von Konflikten auch aus dem Bereich der erneuerbaren Energien.

Im Zuge der Netzentwicklungsinitiative - darauf ist die Landesregierung ein Stück stolz - kommt ein Übriges hinzu. Zusammen mit den Netzbetreibern und den Kommunen bieten wir eine vorgezogene und das Genehmigungsverfahren begleitende Bürgerbeteiligung an. Ziel ist es, Konflikte schon vor dem förmlichen Planverfahren zu entdecken und im Vorwege zu lösen. Dies ist eine vorlaufende Bürgerbeteiligung, die am Beispiel der Fehmarnbelt-Querung als ein strukturiertes Dialogverfahren laufen kann, die aber auch über andere Formen stattfinden kann. Ich bin sehr froh, dass wir in der Vereinbarung zur Beschleunigung des Netzausbaus dieses Einvernehmen mit den kommunalen Trägern und den Netzbetreibern haben erreichen können.

Es hat auch schon die ersten sechs Regionalkonferenzen gegeben, eine für die Ostküste in Eutin und insgesamt fünf Veranstaltungen an der Westküste. Die Atmosphäre in den Regionalkonferenzen war sehr sachlich und konstruktiv. Dies bestärkt uns darin, diesen Dialogprozess gemeinsam mit den Kommunen und den Netzbetreibern offensiv fortzusetzen.

Insofern galt es auch, in diesem Bericht abzuwägen, ob in diesem Geflecht verschiedener Clearingstellen, Mediationen, Mediatoren und vorlaufender Bürgerbeteiligung eine weitere Einrichtung, nämlich der Ombudsmann, notwendig ist oder ob möglicherweise dadurch auch eine zusätzliche Unübersichtlichkeit hätte erzeugt werden können. Wir haben uns als Landesregierung dafür entschieden, uns im Wesentlichen auf die Einrichtungen und Verfahren zu stützen, die es jetzt gibt, und glauben, dass wir damit eine vorlaufende Bürgerbeteiligung tatsächlich erreichen können, die - das soll mein letzter Satz sein - aus meiner Sicht übrigens nicht nur an Organisationen und Verfahren hängt, son

dern vor allem an dem tatsächlichen Willen, die Bürger früher zu beteiligen.