Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Die soziokulturellen Zentren erfüllen also - wie kaum andere Institutionen - die Aufgabe, einen Ersteinstieg in das kulturelle Angebot in unserem Land zu bieten - sowohl für Erwachsene als auch besonders für Jugendliche.

Darüber hinaus wird Wert auf aktive und kreative Beteiligung gelegt und nicht nur einfach der Konsum von Kultur gefördert. Ich bin überzeugt, dass dies im Zeitalter des Internets der richtige Weg ist,

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Interesse für die Vielfältigkeit der Kultur in unserem Lande zu wecken.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Axel Bern- stein [CDU])

Ich bin sicher, dass diese Arbeit zukünftig an Bedeutung weiter zunehmen wird.

(Vereinzelter Beifall bei CDU, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die staatliche Förderung - gemessen an der Resonanz in der Bevölkerung - steht jedoch in einem Missverhältnis, zum Beispiel verglichen mit der Förderung der staatlichen Theater. Es ist daher für mich an der Zeit, über unsere Zielsetzung im kulturellen Bereich nachzudenken und - damit verbunden - wie die finanzielle Ausstattung des Bereiches der Soziokultur und der freien Theater gestaltet werden kann.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Hans Müller das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der deutsche Kulturwissenschaftler Hermann Glaser, der auch Sozialdemokrat ist, forderte schon in den 70er-Jahren, dass jegliche Kultur Soziokultur sein solle. Das klingt heute vielleicht eher banal, war damals aber ein notwendiger Weckruf bedingt durch die Erfahrungen des Nazi-Regimes, das Kultur lediglich als Vehikel zur Systemstabilisierung nutzte.

Hermann Glaser forderte eine Kulturpolitik, die über die Förderung von Museen und Konzerthallen

hinausging und sich als Teil einer umfassenden Gesellschaftspolitik verstand. Es war in erster Linie die Kulturpolitik der SPD in den 70er-Jahren, die darauf eingegangen ist. Das äußert die Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren.

Vor rund drei Jahren schon machte die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Kultur in Schleswig-Holstein deutlich, das sich die Funktion der soziokulturellen Zentren seit ihrer Gründung mit ihrer Öffnung - auch für höhere Altersgruppen - dramatisch gewandelt hat. Soziokultur ist nicht identisch mit Subkultur. Es geht heute schon längst nicht mehr um die Kontrapunkte zur sogenannten etablierten Hochkultur der Museen und Konzerthallen, sondern darum, die demokratische Gestaltung von Kultur von unten zu erleichtern beziehungsweise erst einmal zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Würden sie von Kommunen und Land kaputtgespart, träfe das nicht nur die wenigen bezahlten und ehrenamtlichen Mitarbeiter. An dieser Stelle muss man einmal sagen, dass die Leute in den soziokulturellen Zentren im positiven Sinn - nicht für sie, aber für uns, die wir Besucher sind - zur Selbstausbeutung neigen und viele Dinge möglich machen, die nicht selbstverständlich sind. In diesen Zentren sind viele Leute, die eine gewisse Mission haben. Das sollten wir nicht geringschätzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns auch in Zukunft überlegen, wie wir diese Zentren erhalten wollen. Sie sind ein Bestandteil der Grundversorgung. Es würde die Kultur im Land ins Mark treffen, wenn diese Zentren verschwänden, weil das Geld nicht reicht.

Die Finanzierung der Zentren und der freien Theater ist traditionell schon mager. Ich schließe unsere Fraktion bei Haushaltsberatungen der Vergangenheit gar nicht aus. Aber die Grenzen sind erreicht. Was wir zu verantworten haben, ist, den Menschen, die dort tätig sind, den Stadtteilen, in denen diese Zentren aktiv sind, Planungssicherheit zu geben, damit sie diese wichtige Arbeit machen können.

Zu den soziokulturellen Zentren sind Zahlen genannt worden. Für die freien Theater gilt Ähnliches. 1.414 Aufführungen und Veranstaltungen mit 113.000 Besuchern ist ganz beachtlich. Angesichts der Bezuschussungen sind das enorme Leistungen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

(Wilfried Wengler)

Sie ziehen Menschen an, die in die sogenannte Hochkultur weniger gehen; der Weg in die freien Theater aber ist möglich.

Es ist etwas schwierig, von der Soziokultur zum Landestheater zu kommen. Es gibt doch gewisse Grenzen. Wir können im Ausschuss gern noch einmal darauf eingehen. Bei der Bezuschussung ist so eine Grenze sichtbar. Man kann natürlich sagen, das Landestheater sei eine Versammlung von Gesellschaftern und es seien überwiegend die Kommunen, die dort etwas zu tun hätten und die Landespolitik habe so viel eigentlich nicht damit zu tun. Mein Standpunkt ist ein anderer: Die Landespolitik hat eine aktiv koordinierende Funktion immer dann, wenn es Schwierigkeiten gibt.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Detlef Buder [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich als Lübecker kann mir den Nordteil des Landes ohne gutes Theater - das ist es zweifelsohne nicht vorstellen. Ich erwarte vom Kulturminister, dass er diese aktive Rolle übernimmt, sie tatsächlich ausfüllt und sich an die Spitze der Bewegung stellt. Das heißt natürlich, dass die Beteiligten, die Kommunen, die Gesellschafter, der Intendant und die Theaterleute, an einen Tisch kommen und die Dinge behandelt werden. Der Theaterbau in Schleswig ist ein Aspekt. Die Struktur des Landestheaters ist ein anderer Aspekt. Das alles gehört auf den Tisch.

Vor einem Jahr - Frau Spoorendonk hat es erwähnt - haben wir einen Antrag eingebracht. Was ist herausgekommen? Zero. Das ist entschieden zu wenig. Die Versorgung des nördlichen Teils mit wichtigen Kulturgütern ist unverzichtbar. An der Struktur wird sich sicherlich einiges ändern. Ich erwarte aber von der Landespolitik, von der Exekutive, dass sie mehr in die Hufe kommt.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Kirstin Funke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich dem Kulturminister für seinen Bericht über die Lage des Landestheaters, der freien Theater, aber auch der Soziokultur in Schleswig-Holstein danken. Der Bericht

gibt einen breiten und tieferen Einblick in die Kulturlandschaft unseres Landes.

Die Kulturlandschaft Schleswig-Holsteins ist vielfältig, und wie wir aus dem letzten Bericht der Landesregierung zur Kulturwirtschaft des Landes erfahren haben, besteht die landesweite Kultur nicht allein aus staatlich geförderter Kultur. So werden auch die freien Theater nur zum Teil vom Land gefördert. Es kann nur ein Blick auf die freien Theater geworfen werden, die auch eine Landesförderung erhalten. Aus dem finanziellen Blickwinkel heraus dürfte sich an der Lage der freien Theater nichts geändert haben, da die Förderung vom Land - so haben wir es hier im Parlament beschlossen für das Jahr 2011 in gleicher Höhe wie im Jahr 2009 erfolgt und im Jahr 2012 auf derselben Höhe angesetzt ist.

Herr Jezewski, ich beantworte jetzt die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, die Sie leider nicht beantworten konnten. Wir brauchen also nicht im Bildungsausschuss darüber zu diskutieren. Sie können nachlesen im Haushalt den Titel 684 37, Förderung der privaten und freien Theater. Die institutionelle Förderung ist mit 210.000 € gleich geblieben.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

- Weil Ihr Kollege, Herr Jezewski, behauptet hat, es habe hier Kürzungen gegeben, was definitiv nicht der Wahrheit entspricht.

Mit der Soziokultur des Landes verhält es sich ähnlich. Außer dass das Parlament sich bei der Verabschiedung des letzten Haushaltes dazu entschlossen hat, die Finanzierung von Investitionen dieses Jahres zugunsten der Institutionsförderung auszusetzen, hat sich auch hier in der Arbeit der soziokulturellen Einrichtungen und Projekte nichts geändert. Was aus der Antwort auf die Kleine Anfrage auch hervorgeht, ist, dass weniger Projektgelder abgerufen wurden. Es hätte also mehr stattfinden können.

Frau Abgeordnete Funke, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck zu?

Frau Kollegin Funke, ich bin ehrlicherweise etwas ratlos. Jetzt stehen drei

(Hans Müller)

Zahlen im Raum. Sie nennen für die institutionellen Förderungen einen Betrag von 210.000 €. Herr Wengler hat von 96.000 € gesprochen. Im schriftlichen Bericht des Kultusministers, über den wir hier diskutieren vorliegende Drucksache 17/1923 - heißt es auf Seite 5 Nr. 1.3.1, die institutionelle Förderung per annum beträgt 34.000 €. Das wäre dann die halbe Stelle, von der Anke Spoorendonk gesprochen hat. Glauben Sie, der Bericht ist falsch? Oder ist der Haushalt ist falsch? Welche Zahl ist richtig?

- Da ich den Bericht jetzt nicht vorliegen habe, kann ich Ihnen nur sagen, dass im Haushalt die freien und privaten Theater einen Gesamttitel haben mit einer Förderung von 289.800 € haben. Davon gibt es eine institutionelle Förderung der privaten und freien Theater in Höhe von 210.000 €. Dann gibt es noch Projektfördermittel und so weiter. Ich spreche nicht von der Soziokultur. Die freien Theater und privaten Theater zusammen werden vom Land in Höhe von 210.000 € gefördert.

(Wortmeldung des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

- Ich möchte gern fortfahren. - Es ist gemeinhin bekannt, dass die Finanzstruktur der verschiedenen soziokulturellen Einrichtungen und Projekte aus einem Mix von Bund, Land und Kommunen gebildet wird. Hier finden sich ebenfalls die unterschiedlichsten Kulturarten und künstlerischen Ausdrucksweisen wieder. Dass die freien Theater und vor allen Dingen die soziokulturellen Angebote von Ehrenamtlichen begleitet werden, zeigt, dass die Kultur im Land von großen Teilen der Bevölkerung getragen und gelebt wird. Die Personalstruktur im soziokulturellen Bereich ist vor allen Dingen ein Mix aus sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten in Voll- und Teilzeit sowie von Tätigkeiten auf Honorarbasis, was im künstlerischen Bereich häufig zu finden ist. Gleichwohl gibt es zahlreiche sogenannte Minijobber, im Verhältnis dazu aber nur wenige Praktikanten. Sechs Praktikantenstellen im Land sind eine verhältnismäßig geringe Anzahl. Das werte ich als positives Signal, dass sich die Träger der soziokulturellen Einrichtungen nicht grundsätzlich auf die Mithilfe von Praktikanten verlassen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, was aus dem Bericht und den beiden Kleinen Anfragen ebenfalls hervorgeht, ist, dass vor allen Dingen Jugendliche und junge Erwachsene den Zugang zur Kultur über die soziokulturellen Einrichtungen und kleine Theater finden. Im Umkehrschluss bedeutet es für mich aber nicht - da möchte ich Herrn Dr. Habeck

noch einmal ansprechen -, dass es der großen Theaterstätten dieses Landes nicht bedarf. Sie alle haben ihren Platz in unserer Gesellschaft gefunden, und alle können nur voneinander profitieren. Wer den Weg zu freien Theatern und zur Soziokultur gefunden hat, findet ihn ebenfalls zu den großen Theatern des Landes und umgekehrt.

(Beifall bei der FDP)

Gleichgültig wie jemand den Weg zur Kultur oder auch umgekehrt die Kultur den Weg zu jedem Einzelnen findet, so ist ausschlaggebend, dass sie gelebt und weiterentwickelt wird.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, zum Landestheater möchte ich hinzufügen, dass die Beantwortung der Kleinen Anfrage der SPD sehr deutlich gemacht hat, dass Möglichkeiten landesseitiger Förderung kaum vorhanden sind. So sehr wir uns wünschen, dass Schleswig wieder eine eigene Spielstätte hat - die haushalterischen Mittel des Landes lassen es derzeit nicht zu.

Die Frage muss hier sehr viel eher an die Stadt Schleswig gehen. Konkret: Wie konnte es so weit kommen, dass sich ein solch erheblicher Schaden über längere Zeit derart ausweiten konnte und „plötzlich“ ein hoher Millionenbetrag für die Sanierung erforderlich ist?