Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Dazu gehört auch, endlich einzusehen, dass Deutschlands Tiefwasserhafen mit Zukunft, und zwar der einzige mit Zukunft, der Jade-WeserPort in Wilhelmshaven ist. Er liegt direkt an der Küste. Dorthin können die riesigen Containerschiffe mit einem Ladevolumen von 18.000 TEU gelangen. Selbst nach dem Ausbau - wenn wir ihn jetzt noch einmal hätten, der weiteren Vertiefung der Elbe - werden diese Schiffe nicht nach Hamburg gelangen können.

Herr Minister, Sie haben gerade davon gesprochen, dass es Dirigismus sei und die Reeder selbst entscheiden würden, wo sie ihre Schiffe anlanden. Genau das können sie nur vor dem Hintergrund entscheiden, wo sie festmachen können. Das werden sie in Hamburg auf Dauer mit diesem Volumen nicht mehr können. Das ist kein Dirigismus, das ist ein ganz normaler Wettbewerb. Der wird zugunsten des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven ausgehen.

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Nein, die erlaube ich im Moment nicht.

Die Elbe ist kein Schifffahrtskanal, kein technisches Bauwerk, das man beliebig anpassen oder umformen kann. Der Naturraum Unterelbe ist ein komplexes und einzigartiges Ökosystem, durch die in und an ihm lebenden Arten, seine Gezeitendynamik und seine Bedeutung als Biotopverbundachse.

(Minister Jost de Jager)

Er ist daher zu Recht als FFH-Lebensraum ausgewiesen. Dies ist mit der gesetzlichen Verpflichtung verbunden, ihn wieder in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen.

Meine Damen und Herren, eine erneute Elbvertiefung passt in keiner Weise in dieses Konzept. Sie wird im Gegenteil einen enormen Bedarf an Ausgleichsflächen bringen. Das wäre eine Art von „Landfraß“, gegen den sich aus meiner Sicht der Bauernverband als erster empören sollte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, Sie haben selbst davon gesprochen, dass schon die bisherigen Ausbauten nicht wirklich ausgeglichen worden sind. Die Maßnahme, die an einer Nebenrinne des Mühlenberger Lochs stattgefunden hat, ist wieder verschlickt und damit faktisch als Ausgleich nicht vorhanden. Neue Ausgleichsflächen stehen nicht zur Verfügung. Sie sind eben nicht abgearbeitet. Deshalb werden wir über Jahre hinweg dieses Problem haben. Wir werden keinen realen Ausgleich leisten können, weil wir die Flächen nicht mehr haben.

Die Unterelberegion ist bereits jetzt durch die vorhandene Industrie, durch Eindeichungen und andere Eingriffe in die Dynamik des Flusssystems stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Aus unserer Sicht muss deshalb endlich ein Umdenken erfolgen. Wir sagen nicht nein zu wirtschaftlicher Entwicklung.

(Christopher Vogt [FDP]: Aber nicht so viel!)

Wir sagen aber nein zu den Konzepten von gestern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Aus ökonomischen wie ökologischen Gründen fordern wir Grünen seit Langem eine verstärkte Kooperation der deutschen Seehäfen. Aus unserer Sicht ist kleinstaatlicher Wettbewerb um die größten Schiffe nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen keinen Dirigismus. Wir brauchen Kooperation statt Konkurrenz.

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

- Das ist doch völliger Quatsch, Herr Kollege.

(Zuruf des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Die konkurrierenden Unternehmen können rechnen, offensichtlich anders als manche Staaten, die immer noch Geld für Projekte von gestern ausgeben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sie rechnen, dann werden sie ihre Schiffe dorthin schicken, wo sie auch angenommen werden können. Das ist mitnichten der Hamburger Hafen, der heute schon von vielen Schiffen nicht angelaufen werden kann.

Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir endlich umdenken. Ich sage es noch einmal: Schleswig-Holstein sollte einer weiteren Vertiefung nicht zustimmen, sondern auf Kooperation statt Konkurrenz setzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hans-Jörn Arp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich beim Minister bedanken für den Bericht und auch dafür, dass er sehr ausführlich auf die Problematik der Deichsicherheit eingegangen ist. Dies ist für die CDU-Fraktion eine der wesentlichen Voraussetzungen, diesem Staatsvertrag zuzustimmen, wenn er denn zur Beschlussfassung vorliegt. Dass Sie deutlich darauf hingewiesen haben, welch großer Schwerpunkt dies ist - auch beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt, ländliche Räume, das hier bei federführend ist -, hat auch dazu beigetragen, dass die Menschen an der Unterelbe auf der schleswig-holsteinischen Seite Vertrauen in Ihre Mitarbeiter haben, die dieses Verfahren transparent und deutlich gemacht haben. Deshalb gilt Ihnen ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Minister hat bereits darauf hingewiesen: Der größte Arbeitgeber Norddeutschlands ist der Hamburger Hafen.

(Beifall bei der CDU)

Mit fast 12 Millionen t Containerumschlag im Jahr erreicht er Rekorde, die niemand vermutet hat. Frau Fritzen, es ist Ihnen nicht übelzunehmen, wenn Sie das System nicht kennen. Es wäre aber

(Marlies Fritzen)

schön, wenn Sie zuhören würden, wenn ich Ihnen das erkläre.

Es kommt ein großes Schiff nach Hamburg und verteilt dann die geladenen Container auf Feederschiffe. Dieses Feederschiffsystem wandert nicht von heute auf morgen zu einem anderen Hafen, nur weil wir dies in der Politik gerade einmal wollen, sondern es sucht sich seine eigenen Wege. Der Jade-Weser-Port ist dazu aber nicht in der Lage; denn dieser verfügt nicht einmal über 10 % der Kaimauer, die in Hamburg vorhanden ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist Spielkram, was Sie hier machen. Das verunsichert die Arbeitnehmer. Schätzungsweise 30.000 bis 40.000 Menschen aus Schleswig-Holstein sind abhängig von der Wirtschaftskraft des Hamburger Hafens. Dieser Markt ist sehr sensibel. Wir haben in der Weltwirtschaftskrise erlebt, wie schnell es auch in Hamburg zu Konkursen kommen kann. Deshalb muss es unser Interesse sein, diesen Hafen zu stärken und die Wirtschaftskraft Hamburgs zu stärken, weil wir in Schleswig-Holstein davon profitieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Jeder, der das hier im Haus infrage stellt, gefährdet Arbeitsplätze und darüber hinaus die finanzielle Situation dieses Landes. Das müssen Sie wissen. Das müssen Sie auch den Leuten vor Ort im Hamburger Umland sagen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wir tragen eine ökonomische Verantwortung. Durch die Sicherheit tragen wir auf der anderen Seite aber auch die ökologische Verantwortung. Dies ist unser Sowohl-als-auch, aber nicht Ihr Entweder-oder.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Frage der Kooperation widmet man sich schon längst. Deshalb brauchen Sie hier im Landtag keine Kooperation zu fordern. Gehen Sie einmal nach Brunsbüttel und reden Sie mit dem Geschäftsführer Frank Schnabel. Es gibt eine umfangreiche Kooperation aller Elbehäfen, aller Häfen Schleswig-Holsteins und aller Nordseehäfen. Diese arbeiten eng zusammen. Sie verkaufen sich als eine Destination; denn man kann in Brunsbüttel nicht davon ausgehen, dass ihr Ort in Shanghai bekannt ist. Deshalb ist diese Zusammenarbeit richtig. Der Markt sucht sich aber seinen eigenen Weg. Das dürfen Sie nicht

vergessen bei all den Fragen, denen wir uns stellen müssen.

Jawohl, es herrscht auch ein Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Es ist aber auch ein Wettbewerb um die besseren Arbeitsplätze, und zwar um die Arbeitsplätze, die wir haben, und um die Arbeitsplätze, die wir brauchen. Glauben Sie doch nicht, dass, wenn wir sie aus Hamburg vertreiben, sie nach Wilhelmshaven gehen. Nein, sie gehen dann nach Rotterdam, nach Amsterdam oder nach Antwerpen, oder sie gehen gleich nach St. Petersburg. Das ist die Logik Ihrer Konsequenz. Ihnen muss klar sein, was das für Schleswig-Holstein bedeutet.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir sind für einen weiteren Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals. Wir sind der Meinung, dass die fünfte Schleuse allein nicht reicht. Zu Ihrer Zeit hat kein Verkehrsminister auch nur einen Euro dafür im Haushalt bereitgestellt. Herr Fischer, das wissen Sie genauso wie ich.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Tiefensee war beim Jubiläum in Brunsbüttel und ist nachher nach Hause gefahren. Dann hat er aber vergessen, was er gesagt hat; denn wenn er Durchsetzungskraft gehabt hätte, hätte er auch Mittel hierfür im Haushalt bereitgestellt. Das ist doch alles nicht wahr, was Sie sagen. Das ist doch alles Quatsch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die fünfte Schleuse allein reicht nicht. Darüber sind wir uns einig. Es ist darüber hinaus eine Vertiefung der Fahrrinne des Nord-Ostsee-Kanals erforderlich. Ferner ist eine Verbreiterung im Ostteil erforderlich. Außerdem ist eine weitere Schleuse in Holtenau notwendig. Das muss aber alles Schritt für Schritt gemacht werden. Es ist besser, wir fangen einmal an, als wie Sie und Ihre Vorgänger immer nur darüber zu reden und nichts zu tun. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei FDP und CDU)