Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal ist es offensichtlich besser, einen Gesetzentwurf nicht einzubringen, wenn man die Regierung gegen sich hat, die dann den Entwurf umdreht und das Gegenteil von dem positiv Gewollten realisiert.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, Ihre Veränderungen, in letzter Sekunde eingebracht, sind wirklich nur noch Folkloreveränderungen oder, wie es hier öfter im Hause so schön heißt, weiße Salbe, aber sie ändern nichts daran: Der Gesetzentwurf ist nicht gut.

Sie sind auf fast kein Argument eingegangen, welches im Rahmen der Anhörung an Kritik gekommen ist. Es zeigt in unseren Augen, dass Sie zu lange regieren. Das ist schon Altersstarrsinn, der hier zum Ausdruck kommt, nichts anderes. Ich möchte in Erinnerung bringen, wie denn die Stellungnahmen waren. Die Gesellschaft für Politik in Schleswig-Holstein: Tendenz ablehnend; Julius-Leber-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung: Tendenz kritisch; Deutscher Beamtenbund: Tendenz kritisch; LAGBeratungsstellen „Frau & Beruf“: Tendenz kritisch; Netzwerk Weiterbildung: Tendenz kritisch; Landesverband der Volkshochschulen: Tendenz ablehnend; DGB Nord: Tendenz ablehnend; Institut für Allgemeine Pädagogik der Universität Flensburg: Tendenz kritisch; Landesjugendring: Tendenz kritisch; Landeszentrale für politische Bildung: Ten

(Ines Strehlau)

denz kritisch; Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft: Tendenz kritisch; AK Heimund Bildungsstellen: Tendenz kritisch; Hermann Ehlers Akademie - sogar die -: Tendenz kritisch.

Es gab auch ein paar zustimmende Stellungnahmen, aber das ist für uns, DIE LINKE, eher eine Bestärkung, den Gesetzentwurf abzulehnen, denn zustimmend haben sich vor allem die wirtschaftsnahen Einrichtungen wie die IHKs und die Vereinigungen der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein geäußert.

Ich möchte aus der Stellungnahme von „Frau & Beruf“ mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren:

„Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass im Vordergrund der Gesetzesnovellierung Einsparungen stehen.“

Auch wir, DIE LINKE und die Grünen, können uns dieses Eindrucks nicht erwehren. Meine Damen und Herren, da haben Sie wirklich wieder durch die Haushaltsbrille geschaut. Die Verschlechterungen bei den Verblockungsmöglichkeiten lehnen wir selbstverständlich ab. Die Kostenverlagerung auf die Anbieter über die Anerkennung lehnen wir ab. Die Relativierung der Aufgaben der Volkshochschulen auf eine Grundversorgung lehnen wir ab. Wir wissen ja alle, was das bedeutet: Weitere Kürzungen stehen an, sowohl bei den Volkshochschulen als auch bei den freien Trägern, zumindest wenn es nach Ihnen ginge. Frau Herdan, wenn Sie auf der einen Seite die Volkshochschulen loben und ihnen auf der anderen Seite das Geld kürzen, dann ist das schon eine sehr merkwürdige Dialektik.

Bildung kostet Geld, meine Damen und Herren. Wir brauchen endlich angemessene Honorare für die freiberuflichen Lehrkräfte an den Volkshochschulen. Bildung kostet Geld, Bildung spart aber auch Geld. Ich selbst habe lange im Bereich der politischen Bildung gearbeitet. Auch hier versuche ich es immer wieder, aber der Erfolg ist leider noch recht bescheiden.

Gerade angesichts dessen, was Schleswig-Holstein in diesem ersten Halbjahr bevorsteht - ich spreche hier von den beiden Demonstrationen der Unbelehrbaren am 31. März 2012 in Lübeck und am 1. Mai 2012 in Neumünster -, muss immer wieder betont werden, wie wichtig die politische Bildung ist. Politische Bildung ist unerlässlich, um den braunen Spuk zu vertreiben. Es kommt darauf an, ihn aus den Köpfen zu vertreiben.

Gerade für die Träger der Arbeit der politischen Bildung ist die Übernahme der Kosten für die An

erkennung von Veranstaltungen einfach nicht möglich. Dass es hier nicht zu gravierenden Auswirkungen für die Bildungsträger kommen wird, ist eine Milchmädchenrechnung.

Aber Ihnen scheint die politische Bildung sowieso ein Dorn im Auge zu sein, wenn ich mir die Mittelstreichung im aktuellen Doppelhaushalt anschaue. So richten Sie durch Ihre Kürzungspolitik nicht nur die soziale und ökonomische Basis von SchleswigHolstein zugrunde, Sie tragen auch noch dazu bei, die politische Kultur in Schleswig-Holstein vor die Hunde gehen zu lassen.

Frau Funke, ich höre Ihre Redebeiträge eigentlich immer ganz gern: Sie malen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt. Aber das hat mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nichts, aber auch gar nichts zu tun. Zum Glück wird das Gesetz keine lange Gültigkeit haben, es wird ein Aprilscherz bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer noch die Debatte zur ersten Lesung im Ohr hat, wird sich daran erinnern, dass das vorrangige Ziel der Landesregierung mit diesem Gesetz war, das Verfahren zur Anerkennung von Veranstaltungen der Bildungsfreistellung auf Dritte zu verlagern und eine kostendeckende Gebührenregelung für die Anerkennungsverfahren einzuführen. Ziel war also die Haushaltssanierung. Von dem Ziel, die gesetzlichen Grundlagen an die wachsende Bedeutung der Weiterbildung anzupassen, ist der Gesetzentwurf mit anderen Worten meilenweit entfernt. Das gilt heute genauso wie nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfes.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich weder die Punkte aus dem Entschließungsantrag der SPD noch die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage des SSW - in Klammern: ich habe damals die Antworten gelobt, weil ich fand, dass sich das Ministerium damit wirklich Mühe gegeben hatte - überhaupt nicht in dem Gesetz widerfinden. Auch die Übernahme der Änderungsanträge der

(Ulrich Schippels)

SPD hätte zu Verbesserungen des vorliegenden Entwurfes geführt.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wäre also möglich gewesen, man hätte etwas tun können, hätte dem Gesetz mehr Schwung geben können. Aber das, was die Regierung uns nun vorlegt, ist wirklich zu wenig und eine vertane Chance.

Wie von uns kritisiert, besteht der Gesetzentwurf in der Überarbeitung von Vorschriften für die Anerkennung und die Durchführung der Bildungsfreistellung. Die Anerkennung und die Erhebung von Gebühren sollen aus Kostengründen auf die I-Bank übertragen werden. Das haben wir schon gehört. Dadurch entwickelt sich die Bank immer mehr zu einem Gemischtwarenladen, obwohl es ihre zentrale Zielsetzung ist, das Land als Förderinstitut in der Umsetzung wirtschafts- und strukturpolitischer Aufgaben zu unterstützen. Die Übertragung der Anerkennung auf die I-Bank ist laut Uni Kiel „nicht nutzerfreudlich“, weil sich damit zu den vielen Ansprechpartnern für Bildungs- und Weiterbildungsfragen noch ein weiterer gesellt. Auch ist die Expertise der Bank für diese Aufgabe fraglich - ich sagte es bereits -, das wir auch von der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswirtschaft so gesehen. Diesen kritischen Einschätzungen schließen wir uns an. Dem ist auch nichts hinzuzufügen.

70 € pro Anerkennung sind zukünftig von den Anbietern der Bildungsfreistellung an die Bank zu zahlen. Bedenken wurden auch in der Anhörung laut, dass einige Anbieter ihre Veranstaltungen dann vielleicht nicht anerkennen lassen, um diese Gebühren zu sparen. Sie könnten aber auch ihr Angebot reduzieren, Löhne und Honorare der Beschäftigten drücken oder die Teilnehmerkosten erhöhen. Die Landesregierung legt ihnen das Abwälzen der Kosten auf die Teilnehmer nahe. Dass damit ein weiterer Rückgang der Teilnehmerzahl wahrscheinlich ist, bleibt jedoch unberücksichtigt. Ich wiederhole, dass 2009 gerade mal knapp 0,7 % der Teilnahmeberechtigten diese Bildungsfreistellung genutzt haben. Aber trotzdem findet es die Regierung in Ordnung, dass sich die Rahmenbedingungen weiter verschlechtern.

Darüber hinaus beinhaltet der Gesetzentwurf kaum Neuerungen. Die erst nach Kritik erfolgte Aufnahme von Formulierungen zum lebenslangen Lernen, der Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund und dass Weiterbildung die „Chancen von benachteiligten Menschen insgesamt ver

bessern“ soll, bleibt ohne Ausführungsgesetz und Finanzierungsregelungen einfach nur Kosmetik.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch die Einschränkungen beim Anspruch auf Freistellung bleibt der Entwurf sogar hinter dem Gesetz von 1990 zurück. Weiterbildungsentwicklungsplan, gezielte finanzielle Förderung, verpflichtende Finanzierungen, Sicherung der Grundversorgung, Ansätze für lebenslanges Lernen und E-learning, kommunale Verantwortung für die Volkshochschulen, Aufnahme der Regionalen Berufsbildungszentren als anerkannte Träger der Weiterbildung, Sicherung der Weiterbildungsverbünde - alles Fehlanzeige!

Statt ein Gesetz vorzulegen, das bestehende Defizite abbaut, eine stärkere Teilnahme an der Weiterbildung ermöglicht und einem zeitgemäßen Weiterbildungsgesetz entspricht, wird die Bedeutung der Weiterbildung für unser Land überhaupt nicht gewürdigt. In Sachen Weiterbildung trottet die Regierung mit ihrem neuen Gesetz wie ein Ackergaul auf einem Feldweg dahin. Ich denke, das ist mehr als bitter, denn die Wirklichkeit hat die Landesregierung schon lange überholt - sie hat das nur noch nicht bemerkt.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Spoorendonk, ich möchte gern dort anknüpfen, wo Sie aufgehört haben, nämlich bei der Wirklichkeit. Das Problem ist, dass die Wirklichkeit der Weiterbildung sich nicht allein in einem Weiterbildungsgesetz abbilden lässt, sondern die Wirklichkeit der Weiterbildung zeigt sich darin, dass Weiterbildungsinteressierte die Dinge tatsächlich in die Hand nehmen, um sich weiterzubilden. Dadurch ist Weiterbildung etwas, was vor allem von den Menschen ausgehen muss, die diese Weiterbildung anstreben.

Da sage ich Ihnen, dass wir in Schleswig-Holstein in besonderer Weise -

(Anke Spoorendonk)

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

- Ja, ja. Herr Eichstädt, über die Rahmenbedingungen können wir gern reden.

Wir haben in Schleswig-Holstein, obwohl wir zwar feststellen müssen, dass in Europa die Weiterbildungsbereitschaft rückläufig ist, eine Entwicklung, über die ich mich besonders freue. Denn wir haben in Schleswig-Holstein eine Entwicklung bei den Kleinstbetrieben und bei den Kleinbetrieben, die dahin geht, dass bei ihnen doppelt so viele Mitarbeiter an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen wie im bundesdeutschen Schnitt. Das hängt damit zusammen, dass diese Landesregierung jenseits dessen, was hier sehr statisch in Gesetzgebungszusammenhängen diskutiert wird, durch den Weiterbildungsbonus Schleswig-Holstein 7,5 Millionen € pro Jahr zur Verfügung stellt, mit denen den Beschäftigten bis zu 100 % der Weiterbildungskosten abgenommen werden, wenn sie 4.000 € je Weiterbildung nicht übersteigen. Das ist praktizierte Weiterbildungspolitik in Schleswig-Holstein, die sich nicht allein in Gesetzesparagraphen niederschlägt, sondern die einen Zusammenhang zwischen der Weiterbildungsbereitschaft der Beschäftigten und der Bereitschaft der Landesregierung bildet, diese Bereitschaft der Beschäftigten auch tatsächlich finanziell zu unterstützen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aufgabe dieses Weiterbildungsgesetzes ist es, die Grundlagen für diese Weiterbildung in SchleswigHolstein auf tragfähige Beine zu stellen - auch für die kommenden Jahre. Deshalb gibt es einige Punkte, auf die ich besonders eingehen möchte. Der eine ist, dass man in der Gesellschaft einen breiten Ansatz benötigt, bei dem die allgemeine, die kulturelle, die berufliche und die politische Weiterbildung gleichberechtigt nebeneinandergestellt werden. Für all diese Bereiche gilt bei uns die Bildungsfreistellung. Es gibt andere Bundesländer, in denen die Freistellung sich nur auf die berufliche und die gesellschaftspolitische Weiterbildung bezieht. Davon nehmen wir Abstand. Wir sind der Auffassung, jeder sollte selber entscheiden, in welchem Bereich er sich weiterbilden möchte. Das ist nicht eine Sache, die wir vorschreiben, sondern wir haben einen breiten Ansatz, was die Weiterbildung anbelangt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Das Recht auf Bildungsfreistellung bleibt unverändert erhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

- Herr Schippels, manchmal vermehrt Lesen auch Wissen.

Das ist auch deshalb diskutiert worden, weil nicht sehr viel Bildungsfreistellung in Anspruch genommen worden ist. Bildungsfreistellung wird allerdings überproportional im öffentlichen Dienst in Anspruch genommen. Deshalb ist es legitim, sich darüber zu unterhalten, ob die Bildungsfreistellung tatsächlich die Effekte mit sich gebracht hat, die man sich von ihr versprochen hat. Ich meine, dass das wahrscheinlich nicht der Fall ist. Auf der anderen Seite wäre es aber ein falsches Signal, die Möglichkeit der Bildungsfreistellung abzuschaffen. Deshalb macht die Landesregierung das auch nicht.

Die gesellschaftliche Realität in Schleswig-Holstein zeigt aber, dass sich die Beschäftigten überwiegend neben ihrer Arbeit auf freiwilliger Basis und aus eigenem Engagement weiterbilden. Auch das muss einmal zur Kenntnis genommen werden. Die Menschen bilden sich nicht nur dann fort, wenn man ihnen hierfür freie Zeit zur Verfügung stellt, sondern die Menschen in Schleswig-Holstein sind bereit, ihre freie Zeit dazu zu verwenden, sich persönlich und beruflich weiter zu qualifizieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Drittens. Wir schaffen mit diesem Gesetz ein neues Anerkennungsverfahren. Außerdem übertragen wir mit diesem Gesetz die Zuständigkeit für das Anerkennungsverfahren für Bildungsfreistellung vom Ministerium auf die Investitionsbank. Das ist richtig; denn dies führt zu einer Entlastung der öffentlichen Hand.

Ich habe mit Interesse vernommen, mit welcher Empörung gesagt wird, man spare damit Geld. Das wundert mich; denn ich dachte, wir leben alle in dem gemeinsamen Empfinden, dass wir ein Konsolidierungsland sind und immer wieder überprüfen müssen, ob der öffentliche Dienst Aufgaben wahrnimmt, die er gar nicht wahrnehmen muss.

(Beifall bei der CDU)