Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich beantrage für meine Fraktion die Überweisung des Berichts an den Bildungsausschuss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich einen weiteren Gast, und zwar unse

(Heike Franzen)

ren ehemaligen Landtagspräsidenten Martin Kayenburg.

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen Berichtsantrag stellen Regierungsfraktionen üblicherweise dann, wenn sie der scheidenden Regierung kurz vor den Wahlen die Gelegenheit zum Schaulaufen mit mutmaßlichen Erfolgen geben wollen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Machen Sie das immer so?)

Irgendwie funktioniert das bei Ihnen aber nicht so ganz. Ein deutsches Sprichwort sagt ja: Aus Schaden wird man klug. In Schleswig-Holstein gilt für die Bildungspolitik leider genau das Gegenteil: Aus Klug folgt Schaden, und das flächendeckend und landesweit.

(Zurufe)

Der Bildungsminister hat hier weder eine ehrliche Beichte seines prallen Sündenregisters abgelegt noch einen irgendwie gehaltvollen Bericht über Stand und Perspektiven der schulischen Eigenverantwortung abgeliefert. Die Drucksache, die wir bekommen haben, besteht aus der Kopie eines Faltblatts plus neun Seiten Paraphrase und Exegese um es einmal höflich auszudrücken.

Nun ist es ja schön, dass sich auch die Landesregierung 2012 zum Thema Eigenverantwortung bekennt. Ich hatte gedacht, dass wir uns darüber im Grundsatz schon seit 20 Jahren einig seien.

Die Maßnahmen, die im Bericht aufgezählt werden, haben keinerlei Neuigkeitswert. Das Instrument „Geld statt Stellen“ hatten wir schon in den 90erJahren. Dasselbe gilt für die Vergleichsarbeiten VERA, die interne Evaluation und vieles andere mehr. Andere bewährte Elemente zur Standardsicherung, wie die Evaluation im Team, den SchulTÜV, haben Sie abgeschafft, Sie famoser Entbürokratisierungsminister. Das sei zu viel Bürokratie gewesen, haben Sie behauptet, und dann haben Sie das abgeschafft.

Was die personelle Eigenverantwortung angeht dem stehen wir durchaus aufgeschlossen gegenüber. Allerdings muss man immer darauf achten, dass die Verantwortung des Landes bleibt. Wir

wollen nämlich nicht nur in Kiel, Lübeck und Flensburg gute Lehrerinnen und Lehrer haben, sondern auch in Dithmarschen, in Lauenburg und überall im Land. Das ist notwendig. Deswegen braucht es eine zentrale Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Das Gravierendste, was Sie in Ihrem Bericht aussparen, ist die Karikatur schulischer Eigenverantwortung, die Sie mit ihrer unseligen Schulgesetznovelle und diversen Verordnungen und Erlassen geschaffen haben. Erst nehmen Sie den Gemeinschaftsschulen die dringend notwendigen Differenzierungsstunden weg, also die unverzichtbare Voraussetzung für die Umsetzung des gemeinsamen Lernens. Dann gießen Sie über die Gemeinschaftsschulen das Füllhorn Ihrer ministerialen Gnade aus und erlauben ihnen, die Außendifferenzierung wieder einzuführen. Wenn man die Lehrerschaft genug ,,geschurigelt" hat und einige Schulen in ihrer Verzweiflung diesen Weg gehen, werten Sie das als Beweis dafür, dass längeres gemeinsames Lernen angeblich nicht funktioniert. Das ist Ihre Logik. Das hat aber mit echter Eigenverantwortung nichts zu tun. Das ist vielmehr die Freiheitslogik von Marie Antoinette, die beim Anblick hungernder Menschen ausgerufen haben soll: Sie schreien nach Brot, warum essen sie eigentlich keinen Kuchen! Das ist die Logik, mit der Sie Freiheit in den Schulen betrachten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnlich verhält es sich mit der sogenannten Wahlfreiheit: Da behindern und beschneiden Sie jede mögliche Oberstufe an Gemeinschaftsschulen, und Ihre Wahlfreiheit besteht in den G-9-Gymnasien mit oder ohne „Y-Quark“. Das ist nicht Wahlfreiheit, sondern das ist Bildungschaos pur. Statt flächendeckend G 8 an Gymnasien, G 9 an Gemeinschaftsschulen und Abitur an beruflichen Schulen zu ermöglichen, schränken Sie die Freiheit der Schulwahl massiv ein, verhindern reibungslosen Ortswechsel im eigenen Land - nicht nur länderübergreifend - und verschwenden Ressourcen an Sackgassen und Sondermodelle. Das ist Ihre Freiheit, das ist nicht die Freiheit, die wir meinen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der FDP)

Herr Bildungsminister, Sie haben die Bildungschancen für viele heruntergeschraubt und dazu noch jede Menge Chaos geschaffen. Auf dieser Basis einen Schulfrieden zu fordern, wie Sie das tun Herr de Jager ist nicht da, aber er tut das öffentlich

(Präsident Torsten Geerdts)

-, beleidigt gelinde gesagt die Intelligenz der Menschen.

(Zurufe)

Ja, wir wollen einen richtigen Schulfrieden, der diesen Namen verdient, und wir wollen das Ende der Strukturdebatten. Aber wir werden nach dem 6. Mai 2012 mit Rücksicht auf die Schülerinnen und Schüler, auf Lehrer, Eltern und kommunale Schulträger erst einmal Ihr Chaos beenden müssen. Wir werden wahre Wahlfreiheit und wahre Eigenverantwortung herstellen müssen. Dazu brauchen wir klare Strukturen und auskömmliche Ressourcen. Denn Bildungskosten senken soziale Reparaturkosten. Das haben Sie immer noch nicht begriffen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der FDP)

Das steht übrigens nicht im Gegensatz zur Einhaltung der Schuldenbremse, über die Sie ständig reden, sondern ist geradezu die Voraussetzung dafür, sie einhalten zu können. Das ist die Logik, die Sie einmal begreifen müssen und die Sie noch nie verstanden haben.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Einer der wenigen positiven Aspekte des Bevölkerungsrückgangs ist, dass der Druck auf die Sicherung der Unterrichtsversorgung etwas geringer geworden ist. Wir können es uns aber nicht leisten, alle Stellen, die rein arithmetisch durch die zurückgehenden Schülerzahlen entbehrlich werden, aus dem System herauszunehmen. Deshalb war der Kompromiss klug - da passt das Wort wirklich -, den wir 2009 mit der Union geschlossen hatten, nämlich 50 % der durch den Schülerrückgang rechnerisch frei werdenden Stellen zur Steigerung der Bildungsqualität einzusetzen und 50 % zur Haushaltskonsolidierung. Das ist seriöse Politik, von der sich zunächst die Union verabschiedet hat, und dann kam ihr halbstarker Koalitionspartner, der die Zockermentalität vom Glücksspielgesetz jetzt auf die Bildungspolitik übertragen hat. Und Sie, Herr de Jager, trotten brav hinterher.

(Zurufe von der FDP)

Was soll man auch von einem Bildungsminister erwarten, der es schon als tollen Erfolg gewertet hat, dass der Koalitionsausschuss von CDU und FDP kurz vor Weihnachten beschlossen hat, er solle sich nach zwei Jahren im Amt doch einmal ein genaues Lagebild von der Situation an den Schulen des Landes verschaffen. Das nenne ich wahre Bescheidenheit, Herr Bildungsminister.

(Beifall bei der SPD)

Ihre mediale Retourkutsche gestern, Herr Minister Klug, galt entweder Ihrer eigenen Führung wegen der fulminanten Unterstützung für Sie beim Listenparteitag, oder aber, wenn das nicht der Fall war, dann muss man sagen, das Lehrerstellenbingo 1.000 - 300 - 453 ist die PR-Offensive einer hyperventilierenden 3-%-Partei drei Monate vor der Landtagswahl. Das sind die beiden Alternativen, die man sich als Grund vorstellen kann, warum Sie das eigentlich tun.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir werden ja morgen Gelegenheit haben, darüber hier im Haus zu debattieren.

(Christopher Vogt [FDP]: Falsche Rede!)

- Aber in Ihrem Bericht steht etwas über finanzielle Ressourcen und Lehrerstellen, und der Minister hat es ja vorhin vorgetragen und hat Ihren begeisterten Beifall bekommen für die Erfolge, die angeblich erzielt worden sein sollen. Entweder passte das gestern nicht in die Debatte, oder Sie haben heute nicht zugehört, oder Sie klatschen, egal welcher Unsinn hier erzählt wird. Das ist wahrscheinlich das, was Sie tun.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Fraktion ist durchaus damit einverstanden, diesen Bericht an den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Lachen bei der FDP)

Aber mangels Substanz ist das eigentlich nicht notwendig, und in drei Monaten wird sowieso der Politikwechsel in Schleswig-Holstein vollzogen. Insofern werden wir nicht mehr dazu kommen. Lachen Sie ruhig; Sie werden sich noch freuen.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ihre Reden werden auch immer schlechter!)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Cornelia Conrad.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich bei Minister Klug und seinen Mitarbeitern ausdrücklich für diesen Bericht.

(Dr. Ralf Stegner)

Eigenverantwortlichkeit ist nicht nur Kern liberaler Politik, sondern ganz explizit ist die Eigenverantwortlichkeit von Schulen auch Grundprinzip liberaler Bildungspolitik. Schulen werden wieder stärker in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens gestellt. Für uns ist das Thema entscheidend für die Weiterentwicklung unserer Schullandschaft und die Verbesserung der Bildungsqualität in unserem Land. Unsere Bildungspolitik ist somit ein klarer Gegenentwurf zu einer zentralistischen Schulpolitik. Die Schulpolitik der Vorgängerregierungen war gekennzeichnet durch strikte Vorgaben und Verordnungen, von Gängeleien und Zwängen.

Die Regierungskoalition hat mit der Schulgesetznovelle das Schuldiktat früherer Regierungen beendet. Der Bericht beschreibt sehr anschaulich den Wechsel von einer inputorientierten Steuerung hin zu einer ergebnisorientierten Arbeit. Unser Ansatz bietet den Schulen die Möglichkeit, das Schulangebot passgenauer auf die örtlichen Gegebenheiten abzustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Wir geben den Schulen lediglich einen vernünftigen Rahmen, in dem sie sich dann frei bewegen können. Der Bericht beschreibt genau: Eigenverantwortung ist Ergebnisverantwortung. Schulen tragen somit direkt Verantwortung für die Qualität des Unterrichts, und ihnen werden mehr Instrumente an die Hand gegeben, die Qualität selbst zu beeinflussen und ein eigenes Qualitätsmanagement durchzuführen.