Protokoll der Sitzung vom 18.12.2009

Für die Landesregierung hat der Herr Minister für Bildung und Kultur, Dr. Ekkehard Klug, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit ihrem gemeinsamen Antrag drücken fünf von sechs Landtagsfraktionen ein breites Interesse daran aus,

dass sich die Schulen intensiver mit der deutschen Nachkriegsgeschichte, insbesondere mit der Geschichte der DDR, auseinandersetzen sollen. Der Antrag enthält gute Anregungen für die Behandlung des Themas im Geschichtsunterricht, aber nicht nur dort, sondern auch in Fächern wie Wirtschaft/Politik, Wirtschaftslehre, Deutsch, Philosophie und Kunst oder Weltkunde. Entscheidend sind dafür nicht allein die Lehrpläne, die die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte für alle Bildungsgänge eigentlich schon vorgeben. Das Thema muss dann natürlich auch in schulinternen Fachcurricula angemessen gewichtet werden.

Schleswig-Holstein beteiligt sich außerdem an einer Untersuchung, die mehr Aufschluss über das zeitgeschichtliche Bewusstsein von Jugendlichen geben soll. Dabei handelt es sich um eine Folgestudie der Befragung zum DDR-Bild von Schülerinnen und Schülern, die im Jahr 2007 in anderen Bundesländern stattgefunden hat und deren Ergebnisse unter anderem auch zu einer Intensivierung der Diskussion über das Thema der DDR als Teil der deutschen Geschichte, über die SED-Diktatur und über das Geschichtsbild von Jugendlichen im Hinblick auf diese Fragen geführt hat.

Meine Damen und Herren, der Antrag regt zudem an, regionale und lokale Kontexte einzubeziehen, Städtepartnerschaften zu nutzen, Zeitzeugen einzuladen und Gedenkstätten zu besuchen. Auch das nehmen wir gern auf; denn es knüpft an die gängige Praxis vieler Schulen in Schleswig-Holstein an.

Der nördlichste Abschnitt der früheren innerdeutschen Grenze ist Teil unserer Landesgeschichte. Daran erinnerte in diesem Jahr zum Beispiel ein Projekt der Willy-Brandt-Schule in Lübeck-Schlutup. Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs hatten sich dort am ehemaligen Grenzübergang ein halbes Jahr lang auf Spurensuche gemacht und Zeitzeugen befragt.

Andere Möglichkeiten stehen in Hülle und Fülle zur Verfügung. Nur ein paar Beispiele will ich nennen, so etwa die Einladung von Zeitzeugen über das neue Zeitzeugenportal im Internet, den Besuch der Stasi-Untersuchungsgefängnisse in Rostock und in Berlin-Hohenschönhausen, die Angebote der Landeszentrale für politische Bildung oder der Projekttag zum 9. November, auf den wir uns in der Kultusministerkonferenz verständigt haben. Dieser Projekttag eignet sich besonders gut für die exemplarische lebensnahe Beschäftigung mit der deutschen Geschichte. In diesem Jahr stand natürlich der 20. Jahrestag des Mauerfalls im Zentrum. Aber der 9. November berührt auch andere Wegmarken der

(Dr. Christian von Boetticher)

deutschen Geschichte, so das Jahr 1918, als die erste deutsche Republik ausgerufen wurde, das Jahr 1923, als Hitlers Putschversuch scheiterte, und das Jahr 1938, als es groß angelegte Pogrome gegen Deutsche jüdischen Glaubens gab.

Gerade der 9. November 1938 zeigt, dass das öffentliche Gedenken keine Selbstverständlichkeit ist. Erst seit 1978, also 40 Jahre danach, ist die Erinnerung in den Medien präsent. Geschichtsunterricht ist also immer auch ein Mittel, um der Neigung zum Schweigen und zum Vergessen entgegenzuwirken.

(Beifall bei FDP, CDU, SSW und des Abge- ordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das muss natürlich ebenso für den Rückblick auf die deutsche Teilung und für die DDR-Geschichte gelten.

Eine letzte Anmerkung: Diktatur, Unterdrückung und politische Verfolgung im SED-Staat sind nur einer der beiden wesentlichen Aspekte des Themas. Der zweite zentrale Aspekt, der dabei in der geschichtlichen Diskussion und in der politischen Debatte nicht zu kurz kommen darf, lautet: Die Demokratiebewegung, die 1989 in der DDR entstanden ist und die zum Fall der Mauer und der SED-Diktatur geführt hat, ist ein großartiges Kapitel der europäischen Freiheits- und Demokratiegeschichte,

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und der LIN- KEN)

ein Kapitel in dieser europäischen Freiheits- und Demokratiegeschichte, auf das wir als Deutsche und besonders natürlich die Deutschen in den neuen Bundesländern stolz sein können.

Dass die Partei DIE LINKE keinen Gefallen an dem Antrag der fünf anderen Fraktionen findet, ist angesichts der genealogischen Verbindung zwischen den neuesten Linken und der früheren SED nicht besonders verwunderlich.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Darüber mag sich in der Öffentlichkeit jeder sein eigenes Bild machen.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb kommen wir zur Abstimmung. So, wie ich es

sehe, ist Abstimmung in der Sache beantragt. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE ist der Antrag 17/ 117 hiermit angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkt 38 A auf:

Verstöße des Landes gegen Haushaltsbestimmungen des Bundes

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/127

Die Dringlichkeit haben wir zu Beginn dieser Tagung beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse deshalb zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen in drei Punkten berichten, was im Zusammenhang mit dem Bundesrechnungshofbericht zu berichten ist, wie ich es bewerte und welche Folgerungen daraus gezogen worden sind.

Erstens: Zum Ablauf. Der Bau und die Unterhaltung von Bundesfernstraßen in Schleswig-Holstein obliegt dem Landesverkehrsministerium in Auftragsverwaltung des Bundes und vollzieht sich in einem festen Jahreszyklus. Zu Jahresbeginn weist das Bundesverkehrsministerium dem Landesverkehrsministerium die Mittel zu. In dem laufenden Jahr werden sie dann verbaut. Dieser Rahmen betrug für das Jahr 2008 140 Millionen €.

Das Landesverkehrsministerium stellt dann einen Plan mit den Maßnahmen auf, die realisiert werden sollen. Nach diesem Plan schreibt der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr die Maßnahmen aus, vergibt die Aufträge und überwacht die Ausführung.

Erfahrungsgemäß können aber nicht alle Länder und alle Verkehrsträger wie zum Beispiel die Schiene oder die Wasserstraße ihren Rahmen exakt

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

ausschöpfen. Deshalb nimmt das Bundesverkehrsministerium einen sogenannten Mittelausgleich zwischen den Ländern vor, und zwar zwischen den Ländern und Verkehrsträgern, die Geld übrig haben, und den Ländern, die über ihren Rahmen hinaus Geld verbauen können. Schleswig-Holstein setzt jedes Jahr alles daran, von diesem Mittelausgleich auch tatsächlich zu profitieren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Im Regelfall vergibt das Land deshalb für etwa 10 bis 20 Millionen € Straßenbauaufträge über den Verfügungsrahmen hinaus. Im Jahr 2008 waren es allerdings 70 Millionen €. Der Grund dafür: Im Jahr 2008 sind dem Landesverkehrsministerium bereits im Frühjahr zusätzliche Mittel in erheblicher Größenordnug in Aussicht gestellt worden. Ob und in welcher Höhe solche Ausgleichsmittel tatsächlich zugewiesen werden, stellt sich allerdings erst im Herbst des Jahres heraus. Die Mittel können aber nur dann noch im selben Jahr ausgegeben werden, wenn die Ausschreibung und die Vergabe schon im Vorgriff erfolgt sind. Sonst reicht logischerweise die Zeit nicht, und die Bundesmittel verfallen.

Weil dieses Vorgehen mit einem Risiko behaftet ist, hat das Landesverkehrsministerium mit dem Finanzministerium zusammen Vorsorge getroffen. Ein sogenannter Swing ermöglicht die vorübergehende Vorfinanzierung von Bundesfernstraßenmaßnahmen durch das Land, wenn die Mittel nicht rechtzeitig eintreffen.

Im Jahr 2008 hat das Landesverkehrsministerium über den nominellen Rahmen hinaus - das sagte ich schon - Baumaßnahmen in das Jahresprogramm in dem Maße aufgenommen, wie Zuweisungen aus dem Mittelausgleich in Aussicht gestellt worden waren, nämlich in erheblichem Umfang. Die Projekte kamen allerdings so schnell voran, dass in der integrierten Mittelsteuerung Finanzierungslücken entstanden sind. Der Grund dafür ist, dass der ursprüngliche Rahmen ausgeschöpft war, die zusätzlichen Bundeszuweisungen noch nicht vorlagen und die Landesvorfinanzierung durch den Swing noch nicht möglich war, weil er in der Höhe auf 15 Millionen € und zeitlich auf den Monat Dezember begrenzt war.

Wegen dieser Finanzierungslücke konnten Rechnungen nicht umgehend beglichen werden. In der Folge haben in einem Fall auswärtige Bauunternehmen die Arbeiten vorübergehend eingestellt, in einem anderen Fall hat es eine Zwischenfinanzierung durch einen Kredit gegeben.

In diesem Zusammenhang sind Mehrkosten in Höhe von 2,2 Millionen € zulasten des Bundes entstanden, die in zwei Jahresraten zwischen Bund und Straßenbauverwaltung des Landes verrechnet werden. Dies geschieht über die nicht investiven Verwaltungs- und Betriebskosten, ohne dass der Landeshaushalt direkt berührt wird.

Wichtig ist, dass alle Baumaßnahmen, die das Landesverkehrsministerium im Jahr 2008 über den zu Jahresbeginn verfügbaren Rahmen hinaus veranlasst hat, am Ende finanziell gedeckt worden sind aus dem Mittelausgleich des Bundes - und der Haushaltsansatz im Bundeshaushalt nicht überschritten wurde.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist ja vorbild- lich!)

- So sind wir, vorbildlich, Herr Stegner!

(Beifall bei CDU und FDP)

So viel zum Ablauf des Bundesfernstraßenbaus insbesondere im Jahr 2008.

Lassen Sie mich zweitens zur Bewertung kommen. Schleswig-Holstein hat unbestritten großen Nachholbedarf an Verkehrsinfrastruktur.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genau das ist näm- lich das Problem!)

Das Landesverkehrsministerium hat deshalb den Ehrgeiz, die ihm zugewiesenen Mittel voll auszuschöpfen und zusätzliche Mittel nach SchleswigHolstein zu holen, wenn die Chance dazu besteht. Das geschah auch 2008, und zwar in einem überdurchschnittlichen Umfang, weil auch überdurchschnittlich hohe Zusatzmittel in Aussicht gestellt worden waren. Jeder Euro - das ist mir wichtig festzuhalten - ist in Vorhaben geflossen, die der Bundestag als dringend beschlossen hat und die Schleswig-Holstein braucht, wenn es vorankommen will.

Es geht bei dem vom Bundesrechnungshof kritisierten Verfahren nicht darum, ob eine Maßnahme überhaupt durchgeführt werden durfte oder nicht, sondern es geht lediglich darum, ob sie im Jahr 2008 gebaut werden konnte oder eben erst später.

Das Land erhält 2,2 Millionen € weniger für nicht investive Zweckausgaben, verteilt auf zwei Jahre. Aber unter dem Strich steht, dass im Jahr 2008 77 Millionen € vorzeitig verbaut werden konnten. So wird zum Beispiel die A 20 bei Weede nächste Woche in Betrieb genommen. Und das ist gewiss ein Nutzen für das Land.

(Minister Jost de Jager)

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Thomas Rother [SPD])

Bundesund Landesverkehrsministerium haben auch im Jahr 2008 eine langjährige, allseits tolerierte Praxis angewandt, und zwar mit dem gemeinsamen Ziel, die für den Fernstraßenbau des Bundes vorgesehenen Investitionsmittel im Sinne des Haushaltsgesetzgebers möglichste ohne Rest zweckmäßig auszugeben. Das ist im Jahr 2008 gelungen und in einer Pressemitteilung des Bundesverkehrsministeriums übrigens auch festgestellt worden. Dabei das ist richtig - ist gegen die Bundeshaushaltsordnung verstoßen worden.