Ich finde es ungeheuer wichtig, dass wir den Opfern eine hohe Aufmerksamkeit geben, die noch heute leiden.
Ich möchte - ich habe ja nur drei Minuten Zeit einen letzten Satz sagen: Widerstand hat es Ende 1989 gegeben. Wer die Geschichte und die Umstände aber ein bisschen kennt, der weiß, dass es schon seit Jahrzehnten vorher viel an unbekanntem Widerstand gegeben hat, den wir hoch zu achten haben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschichte wiederholt sich selten. Wenn sie sich wiederholt, dann wird aus einer Tragödie eine Farce, dann wird aus Standhaftigkeit üble Nachrede. Das ist übrigens ein Zitat nach Karl Marx aus dem 18. Brumaire des Louis Bonaparte. Der eine oder andere mag es kennen. Die letzten beiden Sätze aus dem Beitrag des Kollegen Kalinka hätten mich fast noch versöhnt. Kollege Kalinka, nach Ihrem Beitrag muss man es aber fast bedauern, dass wir einen gemeinsamen Antrag in den Landtag eingebracht haben.
Ich ging davon aus, dass der Konsens gegen Unrecht und Unrechtsstaat, für Demokratie und gegen jede Form von Unterdrückung das kritische Bewusstsein nicht ausschaltet. Natürlich gibt es in einer demokratischen Gesellschaft auch Strukturen, die man kritisch aufarbeiten und kritisieren muss. Wenn dazu etwas gehört, dann ist das das Klima des Aufpeitschens des Kalten Krieges nach innen und nach außen, das die „Bild“-Zeitung in Deutschland produziert hat.
Auch darüber muss man hier eigentlich nicht ausführlich diskutieren. Das ist gar nicht Kern der Dinge, über die wir im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Antrag reden. Das ist nicht Kern der Diskussion. Wenn aber über das Mauerstück geredet wird, dann will ich sagen: Der Kollege Höppner hat einzig und allein darauf abgehoben, dass die Frage der Geschichtsvermittlung über die DDR-Geschichte nicht wirklich an einem Stück aufgearbeitet werden kann, das hierher transportiert wird und die Authentizität, die ich für so etwas brauche, vielleicht nicht hinreichend gewährleisten kann. Das ist der Kern des Antrags. Mehr hat der Kollege Höppner nicht gesagt.
Den Streit um die „Bild“-Zeitung-Inschrift haben wir jetzt ausführlich geführt. Das muss man nicht wiederholen, dazu ist alles gesagt. Wenn Sie das klasse finden, dann finden Sie das klasse. Es steht nicht auf dem Gelände des Landtags, sondern auf dem Gelände der Landesregierung. Wenn die der Auffassung ist, dass die „Bild“-Zeitung dort schmückt, dann soll die Landesregierung das tun. Jeder kann das beurteilen. Wir müssen das nicht zusätzlich kommentieren.
Ich will noch etwas in die Richtung der Linken sagen. Das von Ihnen vorgetragene Argument dafür, dass Sie den Antrag nicht unterschreiben können, hat mich nicht wirklich überzeugt. Kollege Schippels, Sie haben ein paar Punkte genannt, die dort nicht explizit drinstehen. Da mag etwas dran sein. Ich könnte Ihnen auch 30 andere Punkte nennen, die dort nicht explizit drinstehen. Wir haben keinen Antrag auf Vollständigkeit gestellt.
Der Kollege Kalinka hat in einem Punkt, den er zum Schluss gesagt hat, wirklich recht. Dieser wäre mir auch sehr wichtig gewesen. Nicht erst die friedliche Revolution vor 1989 ist Bestandteil von Opposition und Widerstand in der DDR. Das ist eine Geschichte, die sich durchträgt. Ich könnte ebenso wie wohl viele von uns einiges dazu sagen. Ich bin seit Mitte der 70er-Jahre mit der Oppositionsbewe
gung in Osteuropa und in der DDR stark verbunden. Ich will nur sagen: Eine fehlende Vollständigkeit darf wirklich keine Ausrede dafür sein, sich in diesem Punkt aus dem Konsens der Demokraten diesem Punkt herauszureden.
Ich muss ehrlich sagen, dass mich die Debatte gegen Ende ein bisschen schockiert hat. Wir sind uns im Grunde einig darüber, wie das im Geschichtsunterricht ablaufen soll. Ich habe allerdings die Anmerkung: Die Aufarbeitung des Kalten Krieges und die Frage, wie sich damit in Ost und West auseinandergesetzt wurde, sollte eine stärkere Erwähnung finden. Ich finde es traurig.
Ich möchte über dieses Denkmal reden, weil ich jeden Tag daran vorbeilaufe. Es stört mich tatsächlich. Ich kann nicht begreifen, dass wir die „Bild“-Zeitung benötigen, um an unseren Schulen eine geschichtliche Aufarbeitung zu betreiben. Dieses Denkmal ist eine Farce.
Ich bitte darum zu überdenken, ob wir nicht vielleicht mit der „Bild“-Zeitung in einen Dialog treten können, damit zumindest diese Werbetafel abgenommen wird. Das Denkmal ist auch nicht gerade das, was wir uns für die Aufarbeitung gewünscht hätten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie war der Ablauf dieser Debatte vorhersehbar. Ich glaube, zumindest diejenigen von uns, die mit der Erstel
lung dieses Antrags zu tun hatten, wussten, dass es so kommen konnte. Darum möchte ich noch einmal auf den gemeinsamen Antrag zu sprechen kommen.
Hätten wir vom SSW den Antrag allein gestellt, hätten wir andere Schwerpunkte gesetzt. Ich glaube, das gilt auch für die anderen Fraktionen. Es ist eine Leistung, dass wir diesen gemeinsamen Antrag hingekriegt haben. Gleichwohl ist diese Debatte die Fortsetzung dessen, was uns bewegt und womit wir uns außerhalb dieses Plenarsaals auch immer wieder beschäftigen müssen.
Die deutsche Geschichte ist eine schwierige und konfliktträchtige Geschichte mit ganz vielen Bruchstellen. Jede Diskussion wird zu einer hautnahen Diskussion darüber, wie wir uns mit dieser Geschichte auseinandersetzen. Darum sage ich noch einmal deutlich: Demut ist angesagt.
Es geht nicht darum, diesen Antrag jetzt zu nutzen, um deutlich zu machen, dass - ich sage das provozierend - wir hier im Westen diejenigen sind, die von vornherein Recht gehabt haben. Ich bin mittlerweile so alt, dass ich weiß, wie die Aufarbeitung der Nazi-Geschichte in Schleswig-Holstein lief. Auch vor diesem Hintergrund ist Demut angesagt.
Ich gehöre auch zu denjenigen in diesem Haus, die von Kind auf die DDR-Geschichte hautnah miterleben konnten. Ich habe Familie in Magdeburg. Ich habe sie mit meinen Eltern in der Zeit der DDR besucht. Vor Weihnachten wurden immer Pakete geschickt. Das heißt, all das ist auch Teil meiner Familiengeschichte. Ich war zufälligerweise im Herbst 1989 in Magdeburg, in dieser Zwischenzeit vor dem Mauerfall. Das war eine spannende Zeit. Hier war Aufbruchstimmung zu vernehmen. Ganz viele Demokraten hatten den Glauben, dass es eine sozialistische Ausprägung der Demokratie geben könnte.
Ich habe 1990 gesehen, was dann ganz schnell geschah. Das Erste, was man sehen konnte, waren Gebrauchtwagen überall, in allen Vorgärten. Von daher muss festgehalten werden, dass wir zu wenig Wissen übereinander haben. Die von mir vorhin zitierte wissenschaftliche Studie sagt das auch aus. Und natürlich weiß ich, weil ich in meinem früheren Leben mit jungen Leuten und mit Geschichts
unterricht zu tun gehabt habe, dass es schwierig ist, Fragen wie die, wer beispielsweise in den 50er-Jahren Bundeskanzler war, richtig zu beantworten. Darum geht es auch nicht, sondern es geht darum, dass wir in unseren Köpfen immer noch eine zweigeteilte Republik haben.
Meine Hoffnung bezieht sich auf das, was nach dem Mauerfall aufgearbeitet wurde. Ich setze mein Vertrauen in die Geschichten, die im Fernsehen erzählt wurden und die im Radio zu hören waren, und auch in das, was vor Ort an vielen Schulen gemacht wurde. Das kann vielleicht dazu führen, dass man mehr übereinander erfährt und sein Wissen vertieft. Aber ich bleibe dabei: Wer sich mit der deutschen Geschichte beschäftigt, muss dies demütig tun.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil es mir wichtig ist, dass wir die heutige Debatte in einem vernünftigen Ton abschließen und auf den Kern zurückführen. Von diesem sind wir abgekommen.
Übrigens schätze ich den Kollegen Höppner sehr und glaube nicht, dass es sein Wille gewesen ist, dass wir den Einwurf bezüglich des Mauerstücks zum Anlass nehmen, mehr über das Mauerstück als über den eigentlichen Antrag zu sprechen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir nicht nur die Wichtigkeit eines gemeinsamen Antrages betonen, sondern uns auch noch einmal deutlich vor Augen führen, worum es geht.
Wir haben in diesem Plenarsaal anlässlich der Gedächtnisfeier ein Fördeforum mit Herrn Eppelmann veranstaltet. Herr Eppelmann hat uns deutlich vor Augen geführt, dass es schon heute Widersprüche zwischen der Berichterstattung, der öffentlichen Würdigung des Augenblicks der Maueröffnung, und dem, was die Menschen vor Ort erlebt haben, gibt.
Vielleicht können Sie sich an die Lage am Abend des 9. November erinnern. Kürzlich trat im Fernsehen immer ein alter Oberst der Grenztruppen auf. Dieser beschrieb, dass die Informationslage unklar
war und dass man irgendwann mit den Worten „Wir fluten jetzt!” die Grenze geöffnet hat. Das sei der Beginn der Wende gewesen. Hierzu sagte Eppelmann: Damit fängt es an. Es war keine Wende das Wort „Wende” beinhaltet nämlich eine organisatorische Leistung, die etwas langsam in Bewegung setzt -, sondern das war eine friedliche Revolution. Es ist wichtig für die Menschen, die dabei gewesen sind, dass dies auch als Leistung gesehen wird und in den Worten korrekt zum Ausdruck kommt.
Er hat uns ein Zweites nahegebracht, was ich vorher auch nicht wusste. Ich habe auch gedacht, es seien die Grenzer gewesen, die irgendwann gesagt hätten: Das halten wir nicht mehr aus; wir öffnen jetzt die Grenzen. Er sagte: Mitnichten, wir waren so viele, dass die langsam vor uns zurückwichen, und wir waren es, die am Ende diesen Schlagbaum aufgehoben haben; man hat uns nicht daran gehindert. - Es ist natürlich ein fundamentaler Unterschied, ob die Staatsmacht sozusagen aufgibt und freiwillig den Weg räumt oder ob die Menschen sich das bis hin zu diesem historischen Ereignis erkämpfen. Darum ist geschichtliche Darstellung in einer objektivierten Form so wichtig, gerade auch für die Menschen, die damals daran beteiligt gewesen sind. Ich finde, darüber sollten wir uns Gedanken machen.
Wer dann im Übrigen diese friedliche Revolution ermöglicht hat, welche historischen Schritte dafür notwendig gewesen sind, über Willy Brandt, über Helmut Kohl und vielleicht auch über eine Beteiligung von Axel Springer, entscheidet Geschichte in der Regel im Rückblick von mindestens 50 Jahren, wenn man das deutlich objektiver beurteilen kann, als wir das heute tun.
(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abge- ordneten Jürgen Weber [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])