Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

Noch 2008 war es hier im Haus übrigens Konsens, dass das strukturelle Defizit des Landes bei 600 Millionen € liegt, und 2010 waren es auf einmal 1,25 Milliarden €. Wer ist denn dafür verantwortlich, Herr Carstensen? - Zum einen die jetzige und die Vorgängerregierung, die im Bundesrat die Steuerrechtsänderung hat passieren lassen, und zum anderen selbstverständlich auch Ihre Haushaltspolitik.

Herr Minister Wiegard, wir haben im Jahr 2011 eine Nettokreditaufnahme von 550 Millionen € gehabt. Sie selbst sagen in Ihrem Bericht zum Jahresabschluss selbst, Herr Wiegard - ich zitiere noch einmal mit Erlaubnis -:

„Die geplante Netto-Neuverschuldung in Höhe von 1.274 Millionen € wurde um 720 Millionen € unterschritten.“

Wie ist es denn möglich, Herr Wiegard, dass Sie sich derart verhauen haben? Das ist ein Schätzfehler von 56,5 %. Unseres Erachtens haben Sie eine der höchsten Fehleinschätzungen zur Haushaltsentwicklung seit Bestehen des Landes abgeliefert. Wird das der wichtigste Effekt der Schuldenbremse sein, dass die Finanzminister in Zukunft die Ausgaben überschätzen und die Einnahmen unterschätzen?

Aufgrund dieser Fehleinschätzung haben Sie, Herr Minister, übrigens das Blindengeld gestrichen. Sie haben auch die Beitragsfreiheit bei der Kita aufgehoben, Sie haben Lehrerstellen gestrichen und so weiter und so fort. Frau Heinold hatte schon von den Frauenhäusern gesprochen. Klasse Leistung, Herr Minister!

Jetzt noch einige Worte zum Ausführungsgesetz! Der überflüssigen Schuldenbremse folgt nun ein überflüssiges Ausführungsgesetz. Dieses Ausführungsgesetz wird nicht lange halten. Denn die Zahlen, die Sie zugrunde legen, sind ja durch gar nichts abgesichert. Anhand der vorgelegten Zahlen wird übrigens auch deutlich, dass Sie in ihrem Schuldenbremseneifer weit über das Ziel hinausgeschossen sind. Sie begrenzen die Kreditaufnahme bis 2020 um mehr als 1 Milliarde €, als die Bundesschuldenbremse und die Verwaltungsvereinbarung es erlauben. Sie drosseln das Land also noch zusätzlich.

Jetzt bin ich auch dankbar über den Änderungsantrag, der zumindest diesen einen Aspekt des Übergangs bis 2020 beleuchtet. Ich freue mich auch über diesen doch beginnenden Sinneswandel bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW. Sie scheinen langsam zu begreifen, was sie mit ihrer Zustimmung zur Schuldenbremse angerichtet haben.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist die Schuldenbremse!)

Die Schuldenbremse führt zu sozialem Unfrieden. Sie rudern jetzt langsam zurück. Man hört das doch von der ganzen Tonalität. Das ist gut, aber es ist uns noch nicht gut genug.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber ich höre Ihre Reden sehr gern, und ich freue mich, Frau Heinold, wenn man merkt: DIE LINKE wirkt.

(Beifall bei der LINKEN)

(Ulrich Schippels)

Zweite Bemerkung zum Ausführungsgesetz! Der entscheidende Bezugspunkt für die Konsolidierungsanstrengungen sind der Stabilitätsrat und die von Ihnen unterschriebenen Vereinbarungen zum Sanierungsprogramm. Auch hier noch einmal der Hinweis: Ich danke Ihnen für den Änderungsantrag, der das nämlich auch wieder aufgreift.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Heinold?

Frau Heinold, Sie haben das Wort.

Herr geschätzter Kollege Schippels, sind Sie der Meinung, dass unser Änderungsantrag zum Gesetzentwurf die Vorgaben der Schuldenbremse, wie in der Verfassung vorgeschrieben, einhält?

- Frau Heinold, ich höre die Tonalität Ihrer Reden. Ich höre das, was Frau Herdejürgen gesagt hat. Ich höre es gern, weil Sie nämlich tatsächlich das Fass aufmachen und sagen: An der Bildung darf nicht gekürzt werden. Wir sagen: Die Schuldenbremse ist eine Bildungsbremse. Wir freuen uns, nehmen das dankbar auf und hoffen, dass wir nach dem 6. Mai 2012 gemeinsam weiterkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold, Herr Kollege?

Ja, wenn es denn der Wahrheitsfindung dient.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicher!)

Herr Schippels, ich würde mich freuen, wenn Sie mit Ja oder Nein antworten, weil die Frage relativ einfach ist: Hält unser Gesetzentwurf die Schuldenbremse ein, ja oder nein?

- Ich erinnere mich an die Rede, die Sie gerade gehalten haben. Da haben Sie gesagt, es gebe nicht nur schwarz und nicht nur weiß. Insofern ist die Frage damit auch schon beantwortet.

(Beifall bei der LINKEN)

Er geht in die richtige Richtung, uns aber noch nicht weit genug. Das ist die Botschaft, die ich Ihnen hier gern zukommen lassen möchte.

Zurück zum Ausführungsgesetz. Die entscheidenden Bezugspunkte für die Konsolidierungsanstrengungen sind der Stabilitätsrat und die von Ihnen unterschriebenen Vereinbarungen zum Sanierungsprogramm. Das wird halbjährlich an die aktuellen Zahlen angepasst. Es kann also sein, dass das, was Sie hier an Zahlen präsentieren, nach dem nächsten Treffen des Stabilitätsrates schon wieder Schnee von gestern ist. Sie wissen genau, dass das Fließen der 80 Millionen € Konsolidierungshilfe vom Bund nicht davon abhängig ist, was Sie hier in ein Ausführungsgesetz schreiben, sondern davon, ob Sie die Auflagen des Stabilitätsrates einhalten. Da haben Sie sich schwer getan, Herr Wiegard.

Der Stabilitätsrat hat Ihnen ins Zeugnis geschrieben - ich zitiere noch einmal aus dem Bericht -:

„Die Kürzung der nicht feststehenden beziehungsweise bundesgesetzlich gebundenen Ausgaben um rund 50 % in drei Jahren erscheint ambitioniert und erfordert weitere Konsolidierungsmaßnahmen.“

So weit der Stabilitätsrat!

Herr Wiegard, dahinter verbirgt sich doch schlicht und einfach die Aussage, dass Sie keinen realitätstüchtigen Plan haben, wie der schleswig-holsteinische Haushalt allein durch Ausgabenkürzungen konsolidiert werden kann. Das geht auch gar nicht und ging übrigens auch nie. Jede Kürzung des Staatshaushaltes wirkt sich dämpfend auf die Wirtschaftsleistung aus. Im Abschwung verstärkt sich diese Wirkung, weshalb es kontraproduktiv ist, in gleichen Zehnjahresschritten konsolidieren zu wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt übrigens auch für den Änderungsantrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Da steht auch Blödsinn drin; das ist richtig!

Konsolidierung geht nur im Aufschwung. Gucken Sie nach Griechenland! Es ist darüber hinaus auch

(Ulrich Schippels)

nicht zielführend, die bessere Entwicklung 2011 verpflichtend im Schuldenabbau zu versenken, Herr Kubicki - schon gar nicht bei den jetzigen Zinsen. Da gibt es weitaus bessere Möglichkeiten, das Geld einzusetzen, zum Beispiel in Bildung zu investieren. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten zur Senkung des strukturellen Defizits.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie blenden einfach aus, dass der Staat einer der größten Konsumenten, Arbeitgeber, Investoren und Kreditnehmer der Wirtschaft ist.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, wir wollen den Niedergang des öffentlichen Vermögens stoppen und zu neuen öffentlichen Investitionen kommen. Ich möchte einen Urvater des Liberalismus zitieren, Adam Smith:

„Die dritte und letzte Aufgabe des Staates besteht darin, solche öffentlichen Anlagen und Einrichtungen aufzubauen und zu unterhalten, die, obwohl sie für ein großes Gemeinwesen höchst nützlich sind, ihrer ganzen Natur nach niemals einen Ertrag abwerfen, der hoch genug für eine oder mehrere Privatpersonen sein könnte, um die anfallenden Kosten zu decken, weshalb man von ihnen nicht erwarten kann, dass sie diese Aufgabe übernehmen.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben Sie es auch verstanden? - Heiterkeit bei FDP und CDU)

Herr Wiegard, in Ihrer Phantasie soll das ab 2020 Sie sagen: gern früher - so aussehen, dass Sie die Zinslast und die Investitionen sowie von Ihnen avisierte Tilgungen aus den laufenden Einnahmen bestreiten wollen. Das wären nach unseren Schätzungen etwa ein Viertel der gesamten Steuereinnahmen. Das wird nicht funktionieren.

Lesen Sie Adam Smith, der wie folgt fortfährt: Es handelt sich

„hauptsächlich um solche, die … die Ausbildung der Bevölkerung fördern. Die Bildungsaufgaben bestehen zum einen in der Erziehung der Jugend, zum anderen in der Unterrichtung und Ausbildung Menschen jeden Alters“.

Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, kann man nur raten: Lesen Sie einmal wieder

die alten Klassiker, um von Ihrem Irrweg abzukommen,

(Beifall bei der LINKEN)