Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

(Christopher Vogt [FDP]: Da war ich noch im Kindergarten!)

Nach SPD-Regierungsübernahme haben wir die Nettoneuverschuldung erheblich gesenkt,

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

und die Zehnprozentmarke wurde erst mit den Auswirkungen der auch von uns schon mehrfach kritisierten Steuerreformen und der geplatzten HighTech-Blase gerissen.

Wir haben also Land und Haushalt in einer desolaten Situation übernommen: hohe Verschuldung, Wegfall der Zonenrandförderung, zusätzliche Belastungen durch die Verschiebung von Förderungen in die neuen Bundesländer, viel zu wenige und oft schlecht ausgestattete Kindertagesstättenplätze, ein veraltetes Hochschulsystem und eine Wirtschaftsförderung, die romantischen Landwirtschaftsidealen anhing.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Wenn mit Blick auf die Vergangenheit versucht wird, Verantwortliche zu finden, sollte man sinnvollerweise die Statistiken nicht erst im Jahr 1989 beginnen lassen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Wir reden nun aber heute über ein Ausführungsgesetz, praktisch eine Erläuterung dessen, was uns durch bestehende Regelungen vorgegeben wird. Das ist in seiner Substanz überhaupt nichts Neues. Das ist einerseits die Schuldenbremse, die wir mit breiter Mehrheit beschlossen und der wir uns verpflichtet haben und das ist die Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund, deren Einhaltung maßgebliche Voraussetzung für die Zahlung der Konsolidierungshilfen ist. Dass Sie diese Vereinbarung hier skandalisieren, finde ich schon sehr verwegen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie wollen nun aber die Finanzplanung der Regierung in Gesetzesform bringen und muten den Menschen in Schleswig-Holstein Belastungen zu, die sich eben nicht aus der Schuldenbremse ableiten lassen.

(Lars Harms [SSW]: So ist es!)

Wir alle wissen, dass der Abbau der Neuverschuldung auf null im Jahr 2020 ein hartes Stück Arbeit ist. Wir bezweifeln auch nicht, dass für eine verlässliche Finanzplanung auf Schleswig-Holstein bezogene Erwartungen der Steuereinnahmen zugrunde gelegt werden müssen. Fakt ist aber, dass der Bund

(Birgit Herdejürgen)

von einem höheren strukturellen Defizit ausgeht als das Ministerium. Wichtig ist doch, dass wir genau diese strukturellen Probleme bis 2020 bereinigt haben. Sie wollen mit Ihrem heute vorgelegten Gesetzentwurf einen Abbaupfad zwingend vorgeben, der über die Anforderungen der Verfassung hinausgeht, allerdings ohne die Hausaufgaben gemacht zu haben, die beispielsweise für einen reibungslosen Personalabbau nötig wären. Wo sind die Vorschläge für Aufgabenabbau? An welcher Stelle werden Verwaltungen verschlankt oder neu geordnet? Wo sind die Ideen für Strukturveränderungen?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wo sind Bundesratsinitiativen zur Einnahmeverbesserung und zur Erleichterung der Aufgabenbewältigung bei Land und Kommunen? - Durchgehend Fehlanzeige!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo sind Ihre denn?)

Die Stellenabbauplanung beschreibt rechnerische pauschale Vorgaben an die jeweiligen Ressorts ohne die faktischen Aufgaben im Blick zu haben.

(Zurufe der Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir müssen uns aber erst von den Aufgaben verabschieden und dann vom Personal. Sie setzen auf Kürzungen und nicht auf strukturelle Veränderungen. Sie erzählen den Menschen, die sich im letzten Jahr vor dem Landeshaus eingefunden haben, dass Kürzungen alternativlos sind. Gleichzeitig laufen Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender der CDU durch die Lande und feiern die einzelbetriebliche Förderung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben mit keinem Wort erwähnt, dass es bei den Kürzungen um mehr als um ein Rechenwerk geht. Hier sind Menschen betroffen. Das spielt bei Ihnen überhaupt keine Rolle. Die Flexibilität der Regierung, die entsprechende Vorlagen zu erstellen hat, und des Parlaments, das auf Grundlage dieser Vorlagen über den Haushalt zu entscheiden hat, liegt daher nicht bei der Frage, ob und wie hohe Schulden gemacht werden. Darauf gibt es nämlich ab 2020 nach unserer Verfassung eine sehr klare und restriktive Antwort: Keine.

Die Flexibilität liegt neben den Schwerpunkten und der Herangehensweise in dem Rechenverfahren,

das zugrunde gelegt wird, um die konjunkturellen von den strukturellen Einnahmen und Ausgaben zu trennen, dem Konjunkturbereinigungsverfahren. Alle Beteiligten haben sich für die Berechnungsmethode des Bundes entschieden und diese in der Verwaltungsvereinbarung unterschrieben. Unstreitig ist, dass die von der Bundesregierung gewählte Methode zur Ermittlung des strukturellen Defizits außerordentlich komplex und allein dadurch schon intransparent und gestaltungsanfällig ist. Hierzu gibt es Studien, die die Risiken und Schwächen deutlich benennen, unter anderem vom Institut für Makroönomie und Konjunkturforschung der HansBöckler-Stiftung.

Auf 70 und mehr Varianten zur Berechnung eines strukturellen Defizits kommen die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung. Jede dieser Varianten würde den maßgeblichen Vorgaben der EU-Kommission genügen. Umso wichtiger ist die Notwendigkeit der Einhaltung der Schuldenbremse, die für uns alle unstreitig ist und gesetzlich geregelt werden muss. Sie ist nicht mit einer Berechnungsmethode für die Haushaltsaufstellung zu vermengen. Die Finanzplanung des Landes kann innerhalb der Grenzen, die die Schuldenbremse vorgibt, selbstverständlich andere Zahlen vorsehen. Diese müssen aber von der Regierung verantwortet werden.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Katharina Loedige das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die monatliche Serie von erfolgreichen Nachrichten aus dem Finanzministerium hat im vorläufigen Jahresabschluss für das Haushaltsjahr 2011 ihren Höhepunkt gefunden. Das erste Jahr und der erste Haushalt nach Einführung der Schuldenbremse haben den Beweis erbracht, dass sich die Einhaltung der Schuldenbremse, wirtschaftliches Wachstum und neue Arbeitsplätze nicht gegenseitig ausschließen. Der Zuwachs bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen um 21.100 Stellen im Vergleich zum Vorjahr ist ebenfalls ein Beweis dafür, dass wir auf dem richtigen Kurs sind.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf des Abge- ordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Birgit Herdejürgen)

Die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein in einem Januar war so niedrig wie seit 19 Jahren, wie seit 1993, nicht mehr. Das ist gut für unsere Einnahmeseite.

(Unruhe)

Wenn Frau Heinold oder Herr Dr. Habeck bei diesen erfolgreichen Zahlen nun das Haar in der Suppe suchen, dann frage ich mich, ob ihnen die Menschen, die heute einen Arbeitsplatz in SchleswigHolstein haben egal sind. Heute haben über 70.000 Menschen mehr einen Arbeitsplatz als unter grüner Regierungsbeteiligung.

(Beifall bei FDP und CDU)

Damals, im Jahr 2005, betrug die Arbeitslosenquote 12,9 %. Es zeigt, dass die Grünen für die Satten der Gesellschaft da sind, sich aber nicht darum scheren, mehr Menschen in Lohn und Brot zu bringen.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU - Widerspruch bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, der vorläufige Jahresabschluss macht noch einmal deutlich, dass Sparen allein nicht ausreicht, um diesen Erfolg fortzusetzen. Es ist klar, und dies findet auch in den Finanzplanungen Niederschlag, dass wir auf Steuermehreinnahmen angewiesen sind. Wenn wir aber neue Einnahmequellen erschließen können, die wir bislang nicht hatten, wie zum Beispiel das Steuerabkommen mit der Schweiz, dann wird dies gleich von SPD und Grünen blockiert. Durch diese Haltung entgehen uns in Schleswig-Holstein jährlich Millionen von Euro. Mehr noch, es hätte die Möglichkeit bestanden, Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, denn der Ankauf von erworbenen Steuer-CDs ist für eine liberale Rechtsstaatspartei keine Lösung dieses Problems.

Ich will es noch einmal ganz konkret sagen, damit keine Unklarheiten bestehen: Steuermehreinnahmen durch Steuerabkommen werden also auch von den Grünen verhindert. Das ist eine klare politische Linie. Höhere Steuereinnahmen bedeuten aber nicht gleich Steuererhöhungen. Anders als die Grünen wollen wir für die Bürgerinnen und Bürger solide und dauerhafte Arbeitsplätze schaffen, um so die Transferleistungen gering zu halten. Dabei spielen Investitionen eine große Rolle. Wir haben den Fokus unserer Investitionen auf die Bereiche Bildung und Infrastruktur gelegt. Belastbare Verkehrswege und eine gute Bildung und Ausbildung sind die Rahmenbedingungen für weitere Investitionen der privaten Wirtschaft. Wir werden diese Maßnahmen

noch einmal aufstocken und weiter fördern. Hierzu fließen Mittel, die durch Ersparnisse bei den Zinsen aufgrund erfreulich niedriger Zinssätze dauerhaft eingespart worden sind, in die Aufstockung des Vertretungsfonds für Lehrer, in den Ausbau der Breitbandversorgung und in den Erhalt der Landesstraßen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben in diesem Hohen Haus gemeinsam die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert. Dies geschah - mit Ausnahme der LINKEN - überparteilich. Damit haben wir alle hier Verantwortung übernommen, auch wenn die Einsicht bei einigen reichlich spät gekommen ist, aber sie ist, außer bei den LINKEN, die ich immer wieder ausnehme, pünktlich da gewesen. Nun ist es aber an der Zeit, die Regelungen zu konkretisieren und in einem Ausführungsgesetz festzuschreiben. Es handelt sich hierbei um ein eher technisches Gesetz, das die Berechnungsmethodik des Verfahrens zur Konjunkturbereinigung festschreibt und die Kontrolle sowie den Ausgleich von Abweichungen regelt. Dass diese Regeln noch einmal genau erklärt werden müssen, wird deutlich, wenn man sich die Wahlversprechen der Mitbewerber anhört oder ansieht.

So möchte die SPD mit ihrem Spitzenkandidat Torsten Albig beispielsweise den Kommunen mehr Geld zur Verfügung stellen, nämlich mal eben 120 Millionen €. Die Lehrerarbeitszeit soll reduziert werden, was auch 46 Millionen € kostet, jedoch nicht zur Verbesserung des Status quo bei der Unterrichtssituation unserer Kinder beiträgt. Diese Liste - ich habe sie dabei - ließe sich ohne weitere Probleme auf ungefähr 308 Millionen € jährlich an zusätzlichen Belastung für den Landeshaushalt weiterführen. Eine seriöse Form der Gegenfinanzierung lässt die SPD allerdings vermissen. Gleiches gilt für Torsten Albig selbst. Herr Albig, Ihr Spitzenkandidat, betreibt hier mit Genehmigung der SPD-Landtagsfraktion Wählertäuscherei,

(Zuruf der Abgeordneten Serpil Midyatli [SPD])

denn er und die SPD wissen bereits heute, dass dies nicht umsetzbar und nicht finanzierbar ist. Herr Dr. Stegner ist heute leider nicht anwesend. Vielleicht hat er inzwischen den Goldesel gefunden, von dem er hier schon im Jahr 2004 gesprochen hat, indem er behauptet hat: Das, was man dort - in der Arche Warder - nicht findet, ist der - ich zitiere ihn hier - Dukaten kackende Goldesel. Er ist dort nicht vorhanden. Er ist übrigens im ganzen Land Schleswig-Holstein nicht vorhanden. Das ist ein Zitat von Dr. Stegner. Ich frage mich, wie ernst die

(Katharina Loedige)

SPD die Finanz- und Haushaltspolitik unseres Landes nimmt, wenn man im SPD-Wahlprogramm nicht eine einzige Überschrift zu diesem Thema finden kann - von Inhalten gar nicht zu sprechen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist übrigens kein Versehen. Ich behaupte, das ist pure Absicht. Sie weichen unbequemen Themen aus und hoffen, dass es keiner merkt. Das ist sozialdemokratische Größe. Das ist für Sie ganz einfach, aber das ist ein kleines, mickriges Karo, das Sie hier vorzeigen können.

Frau Herdejürgen, das Einzige, was ich Ihrer Rede entnehmen konnte, ist, dass Sie bedauern, dass es die Zonenrandförderung nicht gibt.

(Zuruf der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

Das bedeutet, Sie bedauern, dass es die Mauer nicht mehr gibt.