Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

- Ich verstehe, dass Sie aufstehen, weil Sie das verdrängt haben. Aber das war die Grundlage der ganzen Debatte. Es sollte nämlich zukünftig um den Wettbewerb um das beste Konzept in diesem sehr eng gesteckten Rahmen gehen.

Der Burgfrieden hat jedoch nicht lange gehalten. Herr Koch hat es eben deutlich gemacht. Es ist wohl dem Wahlkampf geschuldet, dass die CDU wieder in alte Rituale zurückfällt und diejenigen, die sich innerhalb des Schuldenrahmens bewegen, jetzt als Schuldenmacher verunglimpft.

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Verantwortung für die Verfassungsänderung wurde von Ihnen wie ein Bauer im Schachspiel geopfert. Im Wahlkampf geht es wohl nur noch darum, den eigenen König sicher ins Ziel zu bringen. Aber die CDU hat sich getäuscht: Sie hat die roten Türme, die dänischen Pferde und die grünen Läufer übersehen.

Wer Sparen zum Selbstzweck erklärt, wer Haushaltspolitik als kalter Technokrat betreibt, der wird schnell an der Realität scheitern,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

einer Realität - Herr Wiegard war es ja kein Wort wert, über die kommunale Situation zu reden, obwohl der Bericht, den Sie haben geben können, nur damit begründet war, dass wir die kommunalen Investitionen abgefragt haben; aus diesem Grunde durfte ja die Landesregierung zuerst reden; die Kommunen scheinen Sie aber nicht zu interessieren -, die aus Schulen und Kindertagesstätten, aus Schwimmbädern und Büchereien besteht, aus notwendiger Infrastruktur mit funktionierenden Gerichten und gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Ja, es gibt ein Grundverständnis in der Gesellschaft dafür, dass Staatsverschuldung keine dauerhafte Lösung ist. Aber die Menschen wollen auch gute Bildung für ihre Kinder, und sie wollen soziale und innere Sicherheit sowie Lebensqualität.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Sie wollen eine Lebensqualität, welche die Kommunen nur noch bedingt sicherstellen können. In dem von meiner Fraktion beantragten Bericht dokumentiert die Landesregierung, wie hoch die Kommunen ihren Investitionsbedarf bis 2015 einschätzen: auf über 3,6 Milliarden €. Da sind die Gemeinden, die unter 10.000 Einwohner und Einwohnerinnen haben, noch nicht mit enthalten. Die Kommunen leiden unter dem Eingriff in den Finanzausgleich. Sie leiden unter dem Minus, die die Steuerreform mit sich gebracht hat.

Damit bin ich wieder bei der Schuldenbremse des Landes. Für die Rückgabe der 120 Millionen € an die Kommunen wird im Landeshaushalt kein Spielraum sein, egal ob Ihr oder unser Gesetz verabschiedet wird. Aber wenn es innerhalb der Schuldenbremse möglich ist, die Kommunen beispielsweise beim Schulbau nachhaltig zu unterstützen, dann kann das in der Abwägung wichtiger sein als die Übererfüllung der Sparvorgaben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Politik muss den Anspruch haben, zu gestalten. Wer seinen Gestaltungsspielraum an der Garderobe abgibt und ihn durch die sechs Buchstaben „Sparen“ ersetzt, der kann das Parlament auch gleich durch den Landesrechnungshof ersetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Unsere Vorschläge zur Haushaltspolitik sind nicht Harakiri, sondern grundsolide. Unser Gesetzentwurf hält die Vorgaben der Schuldenbremse ein.

Unsere Resolution bekennt sich zu den Eckdaten der mittelfristigen Finanzplanung 2011. Wer diesen Gesetzentwurf als Schuldenmacherei diffamiert, ignoriert den schwierigen Pfad, den das Land noch vor sich hat. Noch steht der Abbau von 5.300 Stellen nur auf dem Papier. Die Polizisten hat die FDP da ja schon mal elegant herausmanövriert. Noch gibt es keine konkreten Sparvorschläge von CDU und FDP für die Zuweisungen und Zuschüsse, die nach den Vorstellungen des Finanzministers um weitere 300 Millionen € abgebaut werden sollen. Das steht bisher ohne Vorschlag im Raum. Da ist noch ein bisschen was zu schaffen, bevor man sagt: Wir übererfüllen unser Klassenziel.

Meine Damen und Herren, auf dem Papier sind die Sparkurven schnell gezeichnet. In der Realität wird die Schuldenbremse noch viele Hürden nehmen

(Monika Heinold)

müssen. Die mögliche Neuverschuldung für die Jahre 2013 bis 2020 beträgt nach Ihrem Gesetzentwurf 3,1 Milliarden €, nach unserem Gesetzentwurf 3,68 Milliarden €. Die Differenz beträgt also 550 Millionen €. Wenn der Finanzminister immer wieder behauptet hat - heute hat er es nicht gemacht, das registriere ich positiv -, dass unser Gesetzentwurf die Verschuldung um 1,8 Milliarden € in die Höhe treibt, dann ist das falsch, und das ist schlechter Stil, meine Damen und Herren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wer schwarz-gelben Kohl mit rot-grün Äpfeln vergleicht, macht Wahlkampf, aber keine solide Haushaltspolitik.

Meine Fraktion hat den Anspruch, das Land zu gestalten, nicht zu verwalten. Zukunftsverantwortung heißt für uns: Schulen ausbauen und Schulden abbauen. Politik für die nächste Generation ist solide Finanzpolitik kombiniert mit zukunftsweisender Bildungspolitik. Das, meine Damen und Herren, ist etwas komplett anderes als charakterlose Schuldenpolitik. Es ist die Kunst, das Land nach vorne zu bringen. Wir laden Sie dazu ein, mit uns ehrlich diese Auseinandersetzung um Schwerpunkte und um Augenmaß in der Haushaltspolitik zu führen.

Weil Sie immer wieder Griechenland anführen: Wenn Sie nach Griechenland schauen, lernen Sie auch eines: Von heute auf morgen radikal den Sparkurs einzuschlagen, ohne zu berücksichtigen, wo investiert werden muss, ohne zu berücksichtigen, was mit der Bildung und der Ausbildung unserer Kinder ist, das ist ein Harakiri-Kurs, Ihr Kurs, nicht unser Kurs.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Ralf Stegner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Grund, warum der Finanzminister als Erster geredet hat, war der kommunale Investitionsbericht. Dazu hat er keinen Ton gesagt. Insofern ist das eine etwas eigenartige Debatte. Ich fand den Ton Ihrer Rede anders als sonst, aber der Inhalt war nicht anders. Herr Koch hat das ja auch gleich wieder ausgeglichen. Im Grunde ist es ja immer so bei Ihnen: Sie erzählen das Ammenmärchen von den tollen

Haushaltssanierern von CDU und FDP und der bösen SPD, die Schleswig-Holstein zum Griechenland des Nordens machen will.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das sind die Schauermärchen. Aber Sie sollten von Ihrem hohen Ross herunterkommen, denn abgesehen von einer kleinen Fraktion hier zu meiner Linken sind ja alle einig, was das Thema der Notwendigkeit von Haushaltskonsolidierung angeht, weil wir die Handlungsspielräume brauchen, um nicht mit Zinszahlungen an Banken unsere Zukunft zu verspielen.

Ich will aber sagen: Angesichts der unseriösen Kampagne von Ihnen wollen wir schon festhalten, dass nur Kosten, aber keine Einnahmen zu betrachten, ökonomischen Unverstand zeigt. Nur aktuelle Kosten und keine Folgekosten zu betrachten, zeigt ökonomischen und gesellschaftlichen Unverstand. Und nur den Landeshaushalt und nicht auch Bund und Kommunen zu betrachten, zeigt ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Unverstand und beleidigt übrigens die Intelligenz der Bürgerinnen und Bürger, die das alles, worüber wir hier reden, aus ihrem eigenen Portemonnaie bezahlen müssen.

Deswegen muss man sagen: Ihre bisherige Haushaltspolitik ist, Sie sparen auf Kosten der Kinder und derjenigen, die wenig Geld haben und auf staatliche Infrastruktur angewiesen sind. Beratungsstellen, Frauenhäuser, Blindengeld, Ihr Motto heißt immer: Mut ist es, bei den Schwächsten etwas wegzunehmen. Keinen Mut haben Sie, wenn es um Lobbyinteressen und die Starken geht.

(Beifall bei SPD und SSW)

Sie stimmen zu, wenn es um Steuergeschenke für reiche Erben und Hoteliers geht.

(Zurufe von CDU und FDP: Oh, oh!)

Sie nehmen in Kauf, dass jährlich 2.000 Jugendliche ohne Abschluss die Schulen verlassen. Das kostet das Land 20 Millionen €. Ihre absurden Sonderwege in der Schulpolitik kosten uns auf Sicht Millionen €.

Wenn wir dann erfreuliche Steuerzahlen haben, weil die konjunkturellen Steuereinnahmen steigen und die niedrigen Zinsen aus der Eurokrise Ihnen helfen, dann vergessen Sie zu erwähnen, dass die Vorschläge in der Wirtschaftskrise von FrankWalter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz stammen und nicht von der Union. Die FDP war sogar dagegen, hat dagegen polemisiert, und

(Monika Heinold)

rühmt sich jetzt für den Aufschwung XXL. Das ist Ihre Art, sich mit fremden Federn zu schmücken.

Wenn jetzt nicht weitere Steuersenkungen hinzukommen, dann liegt das daran, dass Rot-Grün im Bundesrat das verhindern. Auch dagegen polemisieren Sie jeden Tag. Auch das ist die Wahrheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr eigenes Einsparvolumen ist dagegen gering und wird durch hektische und weitgehend nutzlose Vorwahlaktionen konterkariert. Millionen für unpraktikable Vertretungsfonds, mehr Abteilungsleiter, mehr Sonderpöstchen; die Liste könnte man fortsetzen. Sie setzten auf Show. Wenn es um die Frage geht, wie das denn eigentlich ist mit dem konkreten Konsolidierungspfad, dann hört man aus der Regierung, sie wollen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien fragen. Wann sollen die denn ihre Vorschläge abliefern? Im März? Im April? Nein, Bingo, am 20. Mai sollen die Ressorts melden, wo gespart werden soll. Meine Damen und Herren, Sie führen doch die ganze schleswig-holsteinische Bevölkerung hinter die Fichte. Am 6. Mai wird gewählt, und am 20. Mai wollen Sie Ihre Vorschläge präsentieren. Was ist das für ein absurdes Verfahren, wenn Sie solche Anträge hier einbringen?

(Beifall bei SPD und SSW)

Das ist das eine. Was wir nicht brauchen, ist Ihre Politik von Einnahmeverhinderung im Bundesrat, Ihre Wählertäuschung direkt nach der Wahl beim Thema Kita-Gebühren und Schülerbeförderung, Ihr Wortbruch bei den Lehrerstellen und den dänischen Schulen, Ihr Chaos bei der Schulpolitik, die desaströsen Fehlleistungen bei der Uni Lübeck und die unfassbar peinliche Lobbypolitik. Denn das - das konnten wir leider heute Morgen nicht bereden führt ja dazu, dass wir, wenn wir Pech haben, Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe kriegen werden, wenn Sie Ihre komischen Lizenzen vergeben haben, was dann eine andere Regierung zu verantworten haben wird.

Genauso unverantwortlich ist, dass Sie sich immer noch nicht dagegen sträuben, dass 2 Milliarden € „Fernhalteprämie“ verteilt werden sollen, die wir dringend brauchen könnten, um etwas für die Infrastruktur im Lande zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Also nicht nachhaltige Finanzpolitik, nicht Investitionen in gute Bildung, keine strukturellen Einsparungen im Verwaltungsbereich. Zusammenarbeit von Bund, Land und Kommunen - nichts zu sehen. Die Mogelpackung von Frau Schavan - jetzt ist lei

der der Kollege de Jager weg -: Wo ist denn eigentlich der durchschlagende Erfolg, dass wir das hinkriegen mit dem Aufheben des Kooperationsverbots auch im Schulbereich, sodass wir die Mittel zur Verfügung haben? Nichts zu sehen bei Ihnen. Bei der SPD wird das beschlossen, und Sie setzen nichts durch in diesem Bereich.

(Lachen bei CDU und FDP)

Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Dänemark und Hamburg - nichts zu sehen bei Ihnen. Strukturelle Mehreinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen - nichts zu sehen bei Ihnen. Wirtschafts- und Lohnstruktur, die unser Einkommensniveau und unsere Steuerkraft hebt durch Instrumente wie Tariftreue und Mindestlohn: Sie stimmen jedes mal dagegen, wenn wir so etwas beantragen. Jedes mal stimmen Sie dagegen.

(Zurufe von der FDP)

Aber wenn es darum geht, das Partikeltherapiezentrum abzuwickeln, wenn Sie beim UKSH agieren, dann merkt man, was Sie administrativ können. Nein, Sie führen uns nicht nur ins Abseits, sondern Sie berauben uns aller wirtschaftspolitischen Perspektiven. Sie machen die gleichen Fehler wie auf der europäischen Ebene.

Lassen Sie mich daher zum Fiskalpakt nur so viel sagen: Wenn wir schon den Griechen das zumuten, was wir da tun, Mindestlöhne runter, Renten kürzen, privatisieren, was nicht niet- und nagelfest ist, und Leute aus dem öffentlichen Dienst rausschmeißen, warum eigentlich sträuben Sie sich dagegen, die Spekulanten zu beteiligen und mit einer Fiskalsteuer, die die Spekulanten bestraft, etwas dafür zu tun, dass die Jugendarbeitslosigkeit von 50 % heruntergeht? Warum sträuben Sie sich, an die Milliarden auf Konten in der Schweiz zu gehen, die dort hingebracht worden sind? Weil Ihr Verständnis von Europa ein anderes ist als das, was wir haben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Punkt.