Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lars Harms, ich bin immer wieder schwer beeindruckt, wenn ich von der einen Seite der Opposition höre, es handele sich um Sparorgien, von der anderen Seite dagegen: „Sie haben gar nicht gespart; Sie haben überhaupt noch nicht gesagt, wo Sie das machen wollen.“ Das ist höchst interessant. Vielleicht einigt ihr euch in der Opposition einmal darauf, welchen Vorhalt ihr machen wollt.
- Ja, unsere Vorschläge haben den Vorteil, dass sie nicht nur zu einem großen Teil bereits auf den Weg gebracht worden sind und ihre Wirkung gezeigt haben, sondern dass sie darüber hinaus auch die Zustimmung des Stabilitätsrates gefunden haben, der gesagt hat: Das ist der richtige Weg, damit erreicht ihr das Ziel, und jetzt müsst ihr das nur noch umsetzen.
Frau Heinold, Sie müssen daraus gar keine Szene machen. Ich sage Ihnen noch einmal, was es für Differenzen gibt zwischen der Systematik, die ich übrigens dem Finanzausschuss seit zwei Jahren immer wieder mit dessen Zustimmung vorgetragen habe, und dem, mit dem Sie jetzt davon abrücken wollen. Ich habe das auch im Zusammenhang mit dem Konsolidierungsbericht des Landesrechnungshofes immer wieder dargestellt. Da ist zum einen die Systematik der Methode der Trendsteuereinnahmen, die ich befürworte und unserer Finanzplanung zugrunde lege, zum anderen die Regelung, wie sie der Bund für die Verwaltungsvereinbarung verlangt hat. Das ergibt in der Verschuldungsmöglichkeit für alle Jahre in dem Zeitfenster von 2010 bis 2020 einen Unterschied in Höhe von 1,1 Milliarden €. Das heißt, es gibt die Möglichkeit, mit dem System des Bundes auf dieser ganzen Strecke mehr Schulden zu machen.
Wir haben das immer wieder ausdiskutiert. Ich nenne Ihnen jetzt alle drei Varianten. Wenn Sie das für die restliche Zeit, die noch vor uns liegt, weil wir 2012 erstens schon eine Haushaltsphase hinter uns haben werden und auch noch eine Planungsphase vor uns haben - nämlich für dieses Jahr -, nämlich ab 2013, berechnen, kommen Sie ungefähr auf Ihre
knapp 600 Millionen € mehr Verschuldungsmöglichkeit als wir. Dann kommt die dritte Variante hinzu, das ist meine. Ich sage, gegenüber der Finanzplanung, die ich vorgelegt habe, ist das für die restliche Strecke ein Unterschied in Höhe von 1,8 Milliarden € Verschuldungsmöglichkeit. Ich mache darauf aufmerksam, weil immer wieder vergessen wird, welche Wirkung der Zinshebel hat. Würde man gegenüber meiner Finanzplanung Ihre Variante wählen und tatsächlich diesen Rahmen in Höhe von 1,8 Milliarden € Mehrverschuldung bis 2020 ausschöpfen, würde das allein bis zum Jahr 2020 500 Millionen € mehr Zinsen kosten, die Sie gar nicht hätten, die Sie von den 1,8 Milliarden € bezahlen müssten. Sehen Sie einmal, das ist genau der Punkt, auf den ich immer wieder hinweise.
Wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, dass wir nicht durch eine höhere als unbedingt notwendige Verschuldung in den nächsten Jahren ein Zinsrisiko eingehen, das wir nicht mehr beherrschen können.
Nun haben wir von unserem „Marktschreier Ralf“ hier noch einen Vortrag gehört, der wieder darauf abgestellt hat, wir sollten nicht nur die Ausgaben im Auge haben. Das haben wir übrigens auch nicht. Ausgabedisziplin ist nur eine Seite der Medaille. Die Zukunftsfähigkeit zu befördern - auch in dem Sinne, wie das Wolfgang Kubicki gesagt hat; das können Sie sich ja einmal angucken -
- Ja, Herr Stegner, ich weiß, warum Sie da so abfällig grinsen. Gucken Sie sich einmal die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts von Schleswig-Holstein und dem Rest der Republik in der Zeit an, in der Sie hier regiert haben. Dann werden Sie feststellen müssen, dass wir mit Ihrer Politik den Anschluss an alle anderen Länder, an den Rest der Republik, Anfang der 90er-Jahre verloren haben.
Es ist notwendig, dass wir diesen Anschluss wieder zurückgewinnen. Das bedeutet Haushaltskonsolidierung. Was Sie hier immer wieder als Eindruck erwecken wollen - übrigens Sie alle gemeinsam in der versammelten Opposition -, als sei Haushaltskonsolidierung ein Gegensatz zur Zukunftsfähig
Haushaltskonsolidierung ist die Voraussetzung dafür, dass wir die Zukunftsfähigkeit überhaupt befördern können. Das ist die Situation.
Deshalb haben wir für die Jahre 2013/14 - Sie haben noch gar nicht gesagt, was Sie da machen wollen, außer dass Sie mehr Geld ausgeben wollen gesagt, dass wir 50 Millionen € in diese Zukunftsfähigkeit, in die Verbesserung unserer wirtschaftlichen Infrastruktur, in die Verbesserung der Unterrichtsversorgung stecken wollen. Wir wollen insbesondere auch - im Gegensatz zur rot-grünen Zeit die Landesmittel zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf von 60 Millionen auf über 120 Millionen € jährlich verdoppeln. Das ist unsere Leistung. Das erreichen wir nur durch Haushaltskonsolidierung - nur dadurch. Ohne diese Konsolidierung müssten wir nämlich mehr Geld für Zinsen aufwenden und hätten dann das Geld nicht mehr zur Verfügung, um es in die Infrastruktur zu stecken.
Dann kommt wieder Ihre Mär von den Steuermehreinnahmen, die Sie durch Steuererhöhungen und durch Wiedereinführung von Steuern, die es nicht mehr gibt, weil sie sich nicht bewährt haben, erreichen wollen. Außerdem wollen Sie neue Steuern einführen, die im Augenblick auf europäischer Ebene keine Mehrheit finden. Ich halte Ihnen noch einmal vor und kann Ihnen auch nur aus dem Gespräch im Rahmen der Finanzministerkonferenz aus der letzten Woche dazu berichten: Ich frage mich, warum Sie uns permanent veranlassen wollen, neue Steuern einzuführen, wenn Sie noch nicht einmal die Steuergesetze, die es derzeit gibt und für die es Vereinbarungen - beispielsweise mit der Schweiz im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens gibt, umsetzen.
Das ist - von einigen wenigen offenen Facetten abgesehen - abschlussreif. Mit ihm würde SchleswigHolstein allein bis 2020 etwa 350 Millionen € mehr erzielen, wenn es zu der in Deutschland angemessenen Versteuerung des Kapitalvermögens, das auf Schweizer Bankkonten liegt, käme. - Da brauchen
Ich sage noch einmal, weil Sie auch in einem anderen Land derzeit dabei sind, genau den entgegengesetzten Weg zu gehen: Nordrhein-Westfalen bekäme aufgrund dieser Regelung 1,8 Milliarden €. Ich sage Ihnen: Ich finde das völlig unverständlich, und wir werden in der Öffentlichkeit einen erheblichen Druck auf Sie ausüben. Darauf können Sie sich schon freuen.
Sie haben es in der Zeit, als Sie dieses Land zu regieren versucht haben - was Ihnen kläglich misslungen ist -, in zehn Jahren, nicht geschafft, das eigene Steueraufkommen anzuheben - in zehn Jahren nicht. Immer 4,9 bis 5,1 Milliarden € - zehn Jahre lang! Wir liegen heute 2 Milliarden € darüber. Wir haben noch nicht das Niveau dessen erreicht, das wir erwartet haben, aber wir haben 2011 das höchste Steueraufkommen aller Zeiten in SchleswigHolstein gehabt. Ich denke, wir müssen vorsichtig sein, dass wir nicht das, was wir mit viel Mühe an wirtschaftlicher Infrastruktur entwickeln, gleich wieder mit Ihren Steuererhöhungsparolen kaputt machen.
Deshalb machen Sie endlich den Weg in den Ländern, in denen Sie regieren - das gilt auch, Frau Heinold, für die Grünen in Baden-Württemberg -, dafür frei, dass wir dieses Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz abschließen und endlich die Mittel bekommen. Im nächsten Jahr würden wir allein daraus gut 200 Millionen € Nachzahlungen für zurückliegende Steuerbelastungen bekommen. Das ist der richtige Weg.
Dann können wir sehr wohl darüber diskutieren, an welcher Stelle uns diese strukturellen Mehreinnahmen in der Zukunft behilflich sein können.
Der Finanzminister hat 8 Minuten und 5 Sekunden in Anspruch genommen, die den Fraktionen nun zur Verfügung stehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts meiner in Mitleidenschaft gezogenen Stimme spreche ich wahrscheinlich etwas ruhiger als sonst.
Herr Finanzminister, die strukturellen Mehreinnahmen durch Steuerrechtsänderung, von denen Sie sprechen, sind ja bereits Teil der mittelfristigen Finanzplanung. Das haben Sie im vorletzten Jahr noch deutlicher in die mittelfristige Finanzplanung hineingeschrieben als 2011. Wir alle wissen, dass die Einnahmesteigerung natürlich Grundlage dafür ist, dass wir die Schuldenbremse überhaupt einhalten können.
Ich habe heute mit Freude in einer überregionalen Zeitung ein Interview des geschätzten Kollegen Kubicki gelesen, der sich bei der Einkommensteuer bewegt und sagt:
Die Frage ist dann: Was macht man mit dem Geld? Ich habe immer viel Sympathie dafür, auch bei der kalten Progression etwas zu tun. Ich stelle aber fest, wenn ich das durchrechne, dass dann wenig bleibt, um strukturell eine Verbesserung der Steuer für Land und Kommunen zu erreichen. Insofern werden die Verteilungskämpfe in den nächsten Jahren sehr viel größer werden.
Ich saß vor wenigen Tagen mit dem Kollegen Wiegard auf einem Podium, auf dem es zu Kindertagesstätten um die Frage ging: Wie können denn die Gemeinden ihre Kindertagesstätten, ihre Infrastruktur noch finanzieren? Herr Wiegard hat dort zu Recht deutlich gemacht, dass das, was die Kommunen jetzt für Kindertagesstätten aufbringen müssen, erst der Anfang ist, weil natürlich sehr viel mehr an Krippenversorgung, an Ganztagsversorgung in Kindertagesstätten und Schulen in Anspruch genommen wird. Wenn wir wissen, was dort an notwendigen Ausgaben auf uns zurollt - ich nenne auch einmal das Stichwort Ganztagsschulen; wir alle wollen Ganztagsschulen, diese kosten viel Geld -, dann können wir nicht nur auf den Wachstumsfaktor setzen. Es wäre wahrscheinlich Wahnsinn für unser Land, alles über Wachstum lösen zu wollen. Wir werden Steuerrechtsänderungen brauchen, also Steuererhöhungen, die uns tatsächlich mehr Einnahmen bringen, und wir werden auch weiterhin sehr mühsam und kleinteilig die Sparpolitik betreiben müssen.
Ich verstehe auch überhaupt nicht, Herr Wiegard, warum man sich dagegen sperrt, dass hohe Privatvermögen höher besteuert werden, Stichwort Erbschaftsteuer, Vermögensabgabe.
Wo ist denn das Problem, wenn diejenigen, die über 1 Million € Privatvermögen haben, eine Vermögensabgabe zahlen müssen, beispielsweise um die Infrastruktur zu stärken und um unser Land zukunftsfest zu machen? Da kann man doch nicht anfangen zu heulen oder sich dagegen zu sträuben. Ich stelle im Dialog mit vielen Menschen in unserem Land fest, dass selbst die, die überhaupt nicht von der höheren Einkommensteuer oder Vermögensabgabe betroffen wären, eine große Bereitschaft haben zu sagen: Wir können auch über Steuererhöhungen diskutieren unter der Voraussetzung, dass diese der Zukunftsgestaltung unseres Landes und der Bildungsinfrastruktur zugutekommen.
Mich wundert ein bisschen, dass die Landesregierung, aber auch die CDU heute überhaupt nichts zu der Frage des kommunalen Investitionsstaus sagt. Nennen Sie doch einmal eine Möglichkeit, wie dieser abgebaut werden kann. Beim kommunalen Finanzausgleich sagen Sie genau wie wir: Das kriegt man wahrscheinlich nicht hin. Dann muss man aber irgendeine andere Antwort haben. Ich habe die Antwort, dass ich sage, ich will Steuererhöhungen zugunsten von Ländern und Kommunen. Sie sagen, das wollen Sie nicht. Ich habe bisher auf jeden Fall nichts anderes gehört.
Ich sage, lassen Sie uns doch bei der Schuldenbremse den vom Stabilitätsrat ermöglichten Weg zumindest nicht ausschließen, sodass man am Ende des Jahres, wenn ein Jahr gut läuft und man unterhalb der Schuldenbremse ist, beispielsweise 30 Millionen € für nachhaltigen Schulbau zurücklegt. Dafür kritisieren Sie uns. Sie sagen, man muss immer ganz weit darunter bleiben, egal wo die Notwendigkeit ist.
Wir wollen, dass gerade auch die kommunale Finanzsituation verbessert wird. Wenn Sie sich das Urteil aus Rheinland-Pfalz anschauen - das ist ja jetzt in der Debatte -, dann stellen Sie fest: Dort wird die Verantwortung des Landes für seine Kommunen sehr stark betont - bei den Sozialleistungen der Bund, bei der Daseinsvorsorge das Land -, und es wird auch der kommunale Finanzausgleich in sich kritisiert. Wenn ich mir die Zahlen der kreisfreien Städte und die Aufgaben, die sie haben, anschaue, dann kann es gut sein, dass das Rheinland
Pfalz-Urteil auf Schleswig-Holstein Auswirkungen hat. Das heißt, wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir die Kommunen stärken, und können da nicht einfach wegschauen.