Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe für den SSW mehrmals deutlich gesagt: Wenn es uns nicht bald gelingt, wesentlich mehr Ausbildungsplätze und spürbar attraktivere Arbeitsbedingungen in der Pflege zu
Selbst im vorliegenden Bericht der Landesregierung wird eingangs festgestellt, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein bis 2025 um circa 43 % steigen wird. Und dadurch, dass sich gleichzeitig auch noch ein Rückgang des privaten Pflegepotenzials abzeichnet, wird dieses Problem noch zusätzlich verschärft. Allen ist mittlerweile bewusst, wie groß die Herausforderungen sind. Für den SSW ist klar: Vor dem grundlegenden Problem, dass immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter immer mehr Bedürftige versorgen müssen, können wir nicht einfach die Augen verschließen. Wir müssen endlich entschlossen handeln und die Weichen dafür stellen, dass auch in Zukunft eine menschenwürdige Pflege möglich bleibt.
Wir haben hier im Landtag nicht nur wieder und wieder über die vorhandenen Probleme im gesamten Pflegebereich diskutiert, wir haben auch wiederholt über die notwendigen Lösungsansätze für diese Probleme gesprochen und diverse Anträge hier auf dem Tisch gehabt. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der SSW von dem vorliegenden Bericht weit mehr erwartet. Schließlich soll er ausdrücklich die Perspektiven der Pflege in Schleswig-Holstein zum Inhalt haben. Statt aber konkrete Probleme und die entsprechenden Lösungswege aufzuzeigen, lobt sich die Landesregierung in erster Linie selbst. Ja, es kann sogar der Eindruck entstehen, dass Schleswig-Holstein hier bestens für die Zukunft gerüstet ist. Aber ich muss deutlich sagen: Das sind wir ganz sicher nicht.
Dem Bericht nach sieht die Landesregierung ihre Verantwortung für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden pflegerischen Versorgungsstruktur. Es wird auf das Internetportal „Wege zur Pflege“ oder auf die Förderung von Beratungsstellen verwiesen. Daneben will sich die Landesregierung um mehr Verbindlichkeit bei der Abschätzung des Bedarfs und die Unterstützung des Kompetenzzentrums Demenz bemühen. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich halte all diese Einzelmaßnahmen für sinnvoll und richtig. Dies gilt ausdrücklich auch für die gerade vorgestellte Landesverordnung über die Ausbildung und Prüfung in der Altenpflegehilfe. Aber all das wird nicht reichen, wenn die Landesregierung ihrer Verantwortung gerecht werden will und das Ziel einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und pflegerischen Versorgungsstruktur wirklich erfüllen will.
Experten aus dem Pflegebereich weisen regelmäßig darauf hin, dass die Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Altenpflege größte Anstrengungen aller Beteiligten erfordert. Auch wenn es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, das Berufsfeld der Pflege aufzuwerten und die Ausbildungssituation zu verbessern, ist es nicht zuletzt die Landesregierung, die hier in einer besonderen Pflicht steht.
Doch bei zentralen Themen wie der Weiterentwicklung oder zukunftsfähigen Gestaltung der Pflegeausbildung und der Finanzierung der Ausbildungskosten kommen wir nur langsam von der Stelle. Auch wir sind der Auffassung, dass die Zusammenführung der Ausbildungsberufe sinnvoll ist und zu einem verbesserten Ansehen führen kann. Man darf es aber nicht bei der bloßen Ankündigung belassen. Wir meinen, dass die Landesregierung entschlossener handeln und in Berlin auch entsprechend auftreten muss.
Für eine deutliche Attraktivitätssteigerung sind natürlich nicht nur die Ausbildungsfinanzierung und eine bundeseinheitliche Pflegeausbildung wichtig. Auch die Einrichtung einer Kammer für Pflegeberufe wäre sinnvoll. Um mehr Menschen für dieses Berufsfeld zu begeistern und um die Pflegefachkräfte länger in ihrem Job zu halten, braucht es mehr, nämlich einen veränderten Personalschlüssel, ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Pflege und Dokumentation und nicht zuletzt eine bessere Bezahlung. All dies sind wichtige Aspekte, wenn es tatsächlich gelingen soll, in der Zukunft eine Pflege auf hohem Niveau sicherzustellen.
Hierzu gibt es keine Alternative. Hier ist das Wort „alternativlos“ einmal angebracht. Es gibt hierzu keine Alternative, denn an dem Grundsatz, dass der Pflegebedürftige im Mittelpunkt steht und dass die Versorgung menschenwürdig sein muss, wird hoffentlich keiner ernsthaft rütteln wollen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 17/2223, zur abschließenden Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Thoroe das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im November hat Herr Klug im Bildungsausschuss versucht, die Brisanz der Plagiatsoftware herunterzureden, indem er bekundete, nichts ohne die Prüfung durch das ULD in die Wege zu leiten. Im Dezember verkündete die Kultusministerkonferenz, dass die Einführung der Plagiatsoftware zunächst ausgesetzt wird und dann weitere Gespräche im ersten Quartal 2012 geführt werden. Eigentlich dachte ich, dass der Minister heute zu Beginn noch einmal einen Bericht halten und auf den aktuellen Stand eingehen wird.
Das war auch der Grund für uns, einen entsprechenden Berichtsantrag zu stellen. So still und heimlich, wie Sie sich von den Schulbuchverlagen haben geißeln lassen, so still und heimlich versuchen Sie nun, die Stellschrauben zu drehen, um den Murks, den Sie gemacht haben, schnell noch in die richtige Bahn zu lenken, ohne dass die Öffentlichkeit erneut darauf aufmerksam wird und ohne dass die geplante Überwachung der Schulcomputer weiteres Aufsehen erregt.
Fest steht: Mit der Aussetzung ist das Vorhaben, Programme zur Überwachung von Schulcomputern zu installieren, längst nicht vom Tisch, denn in der Presseinformation der Kultusministerkonferenz heißt es:
Ich möchte hier gern noch einmal darstellen, warum die Fraktion DIE LINKE die Plagiatsoftware ohne Wenn und Aber endgültig vom Tisch haben möchte. Sie lassen es zu, dass auf Schulrechnern aus privatwirtschaftlichen Interessen heraus Überwachungssoftware installiert wird. Das hat übrigens auch der Generalsekretär der Kultusminister
konferenz im Dezember auf einer Podiumsdiskussion zugegeben. Er sagte, bei der Software handele es sich um einen Wunsch der Verlage.
Auch der Vertrag selbst ist aus Sicht der LINKEN mehr als bedenklich, denn er sieht in § 6 Abs. 7 vor, dass bei einem Verstoß disziplinarische Maßnahmen gegen die Lehrkräfte einzuleiten sind. Dass Sie gerade im Hinblick auf die Einsatzmöglichkeiten ein zweifelhaftes Rechtsverständnis haben, und das gilt für alle, die dabei mitgeholfen haben, einen solchen Vertrag auszuarbeiten, das wissen wir bereits seit dem berechtigten Lehrerstreik aus dem Jahr 2010. Ich möchte darauf hinweisen, dass laut Disziplinargesetz der Einsatz disziplinarischer Maßnahmen nach Ermessen erfolgt. Im Vertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 Urhebergesetz wurde dieser Ermessensspielraum einfach ausgehebelt. Es tut mir leid, aber das ist rechtlich mehr als bedenklich.
Wie wird diese Überwachungssoftware eigentlich finanziert? - Auch das ist eine schöne Frage. Wer gibt sie in Auftrag? - Wie wird sie ausgeliefert? Es wird Sie nicht überraschen, das alles würden die Verlage selbst übernehmen. Sie würden bezahlen und alles ausliefern. Natürlich tun sie das völlig frei von eigenen Interessen. Alle wissen, dass das Unsinn ist. Hier geht es darum, die Monopolstellung einzelner Verlage zu erhalten, die sich durch digitale Medien zunehmend in ihrer Existenz bedroht fühlen. Diesen ganzen Irrsinn führen Sie derzeit auf anderen Ebenen weiter. Ich verweise nur kurz auf ACTA.
Wir als Linke wenden uns gegen solche Herrschaftsansprüche großer Verlage. DIE LINKE sieht die Lösung des Problems vor allem in der Etablierung freier, lizenzfreier Lehrmaterialien. Es gibt hier einige gute Referenzen wie zum Beispiel offene Bücher, Galileo Computing oder den O’ReillyVerlag. Dort werden bereits offene und freie Bücher angeboten. Es ist peinlich, dass Sie in Ihrer Antwort auf unsere Anfrage kein Wort darüber verlieren und behaupten, lizenzfreie Schulbücher seien Ihnen nicht bekannt.
In der Wissenschaft ist man hier weiter. OpenEdge rückt dabei immer mehr in den Blickpunkt, weil gerade die restriktiven Elemente des klassischen Urheberrechts Wissenschaft blockieren können. Die Urheberrechtsproblematik im Bildungsbereich gehört grundlegend und fundiert erörtert. Ich glaube, dass wir die Überwachung von Schulcomputern und den Generalverdacht gegen die Lehrkräfte ein
für allemal begraben sollten. DIE LINKE spricht sich entschieden gegen Überwachungssoftware an Schulen aus.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Thoroe, es wäre schön gewesen, wenn das, was Sie gerade gesagt haben, auch Bestandteil Ihres Antrags wäre. Das ist mitnichten der Fall. Sie fordern die Landesregierung auf, eine rechtliche Überprüfung dieses Gesamtvertrags vorzunehmen. Insbesondere fordern Sie eine rechtliche Überprüfung der Scansoftware. Hierzu muss man sagen: Ihr Antrag hat sich bereits überholt, bevor Sie ihn gestellt haben. Sie haben ihn am 11. Januar gestellt, und am 13. Dezember hat die Kultusministerkonferenz eine Pressemitteilung mit dem folgenden Inhalt herausgegeben, den ich zitiere:
„Handlungsfähigkeit der Schulen, Datenschutz und Schutz des geistigen Eigentums oberstes Gebot - In Berlin haben sich heute Vertreterinnen und Vertreter der Länder, der Lehrerverbände und der Rechteinhaber erneut mit dem ‚Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen gemäß § 53 UrhG’ befasst. Die Gesprächspartner sind sich einig, dass mit dem Vertrag grundsätzlich ein Rechtsrahmen geschaffen ist, der die Schulen handlungsfähig macht, Rechtssicherheit schafft und der zugleich die Rechte der Verlage und Autoren schützt.
Der Gesamtvertrag regelt Möglichkeiten von Vervielfältigungen für den Unterrichts- und Prüfungsgebrauch aus urheberrechtlich geschützten Werken. Er schafft eine rechtliche Grundlage dafür, dass Schulen in bestimmtem Umfang auf urheberrechtlich geschützte Inhalte zugreifen und diese ohne bürokratischen Aufwand für die Schule nutzen können. Ohne diesen Vertrag müsste jede Schule im Hinblick auf Unterrichtswerke zunächst bei dem betroffenen Verlag die Erlaubnis zum Kopieren einholen und dann einzeln mit dem Schulbuchverlag abrechnen. Dieses Verfahren beträfe rund 43.000 Schulen, 90 Verlage und 40.000 Verlagsprodukte.
Die in § 6 Absatz 4 des Vertrages beschriebene ‚Scansoftware’ wird nach Einschätzung der Vertragspartner bis auf Weiteres, jedenfalls nicht im Jahr 2012, (nicht) zum Einsatz kommen. Die Vertragspartner verabredeten, im ersten Quartal 2012 ein weiteres Gespräch zu führen, um mögliche Alternativen zu diskutieren. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass das geistige Eigentum zu schützen sei und die Rechte der Verlage und Autoren, vor allem auch der beteiligten Lehrkräfte, gewahrt werden müssen. Die Lehrerverbände werden weiter in die Gespräche einbezogen.“
Damit sind alle Forderungen aus Ihrem Antrag bereits erfüllt worden, bevor Sie sie überhaupt aufgestellt haben. So schnell kann das manchmal gehen. Wenn Sie Ihren Antrag nicht zurückziehen, dann werden wir ihn ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht ist der Antrag der LINKEN derzeit eigentlich überflüssig.
Man muss natürlich sagen, dass er schon zweimal verschoben wurde. Aber es hätte beim derzeitigen Stand nichts ausgemacht, wenn wir die Tagesordnung damit heute entlastet hätten.
Ich habe zusammen mit meinem Kollegen Dr. Dolgner zu diesem Problem bereits im Januar eine Kleine Anfrage gestellt. Nach Auskunft der Landesregierung hat der zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Vertrag zwischen den Bundesländern, den Schulbuchverlagen und den Verwertungsgesellschaften bisher hinsichtlich der als „Schultrojaner“ bezeichneten Plagiatsoftware einfach keine Wirkung gezeigt - schon deswegen, weil die Software nicht vorliegt.
Das allein wäre kein Grund, sich mit dem Thema noch nicht zu befassen, denn was nicht ist, kann bekanntlich noch schnell werden. Aber wenn diese Software vorliegt, ist einmal genau zu untersuchen, wieweit sie datenschutzrechtlich unbedenklich ist.
In dieser Hinsicht vertrauen wir voll und ganz auf Herrn Dr. Thilo Weichert und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil wir wissen, dass sie nicht etwas schnell durchwinken würden. Das kennen wir von ihnen sehr genau.
Mit dem Erscheinen der Software ist in nächster Zeit auch nicht zu rechnen. Die Kultusministerkonferenz hat - wie schon berichtet - zum Jahresende erklärt, dass diese Software selbst dann, wenn sie vorläge, bis auf Weiteres nicht - und das heißt auf keinen Fall im Jahr 2012 - zum Einsatz kommen werde. Die Vertragspartner hätten sich verabredet, im ersten Quartal 2012 ein Gespräch zu führen, um Alternativen zu dieser Software zu erörtern. Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn das Ministerium über diesen Sachstand berichten könnte oder zumindest den Bildungsausschuss davon in Kenntnis setzt. Es macht also wenig Sinn, diesen Antrag auch in den Bildungsausschuss zu überweisen. Deshalb schlage ich vor, dass der Ausschuss im Rahmen des Selbstbefassungsrechtes dieses in der nächsten Wahlperiode tut.
Meine Damen und Herren, wir als SPD werden der Möglichkeit einer solchen Software nicht zustimmen, aber ich glaube, wir sollten heute diesen Antrag in der Form nicht behandeln.