Bei Einschnitten in unsere Kompetenzen wollen wir die Regierung auch binden. Ich glaube, Sie wollen diese Debatte nicht, weil Sie befürchten, dass Ihnen Uneinigkeit und Widersprüchlichkeit beim Verhalten der Landesregierung zur Last gelegt wird. Ich will deshalb darauf hinweisen, dass erweiterte Rechte auch erweiterte Pflichten bedeuten und dass es sein kann, dass die Beschlussfassung zur Klage gegen die Schuldenbremse anders ausgefallen wäre, wenn die Landesregierung damit hätte rechnen müssen, dass sie sie auch umsetzen muss.
Wir brauchen eine neue Gesetzesstruktur. Die alte ist unzureichend geworden, weil sich die politischen Entscheidungen immer mehr verschoben haben, weg von den Parlamenten. Wir streiten in Wahrheit weder über die Sache noch über die Form der Beratungen, sondern über den Zeitpunkt des Beschlusses.
Sie werfen der Opposition vor, sie würde aus Wahlkampfgründen diese Debatte jetzt führen. Wir könnten entgegnen: Eben deshalb wollen Sie sie nicht führen.
Es bleibt die Frage im Raum stehen, ob es nicht ein gutes Zeichen wäre, am Ende der Legislatur, die durch diese Debatte über die Einführung der Schuldenbremse, über die Abweisung der Klage geprägt ist, sozusagen als Abschluss die Konsequenzen aus den gesammelten Erfahrungen zu ziehen.
Ich sage, ja, es wäre gut, und es wäre ein gutes Zeichen, auch weil keiner sicher weiß, wie die nächste Landesregierung aussehen wird und wer hier seine Rechte einschränkt. Nach der Wahl wird wieder jede Fraktion überlegen, was es für sie nun konkret bedeutet und welche Ministerin und welcher Ministerpräsident dadurch in seiner Macht beschnitten wird. Insofern ist jetzt der richtige Moment. Schade, dass Sie ihn verstreichen lassen!
Da das ein Gesetzentwurf ist, der auch europapolitische Angelegenheiten betrifft, beantrage ich auch die Überweisung in den Europaausschuss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fand Ihre Reden, Herr Kubicki und Herr Callsen, schon sehr bemerkenswert. Erst einmal zu Herrn Callsen, der ja wieder den Popanz hier vorgetragen hat, es sei ja alles verfassungsrechtlich umstritten und so weiter. Ich möchte Ihnen aber zumindest einmal aus der Stuttgarter Erklärung vom Juni 2010 vorlesen, unterschrieben auch von unserem Landtagspräsidenten. Das ist der Punkt 5. Ich möchte hier mit freundlicher Genehmigung zitieren:
„Nach Meinung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente obliegt es den Ländern, die jeweiligen Regeln im Landesrecht, vorzugsweise im Landesverfassungsrecht so auszugestalten, dass die notwendige Mitwirkungsmöglichkeit des Landesparlaments gegenüber der Landesregierung zur Wahrung der Integrationsverantwortung gesichert wird. Zu dieser Mitwirkungsmöglichkeit gehört über Informationsrechte hinaus die Möglichkeit, landesverfassungsrechtlich eine Bindung der Landesregierung beim Stimmverhalten im Bundesrat und bei der Erhebung von Verfassungsklagen auf Bundesebene vorzusehen.“
So weit die Landtagspräsidenten aller Landtage in Deutschland. Das ist ja auch das, was jetzt in die Form dieses Gesetzentwurfs gegossen worden ist. Dann kommen Sie, Herr Kubicki, und sagen: Wir haben das hier überhaupt noch nicht diskutiert. Das ist doch blanker Hohn! Sie erinnern sich vielleicht daran, dass wir ein Papier „Parlamentarismus im Wandel“ haben. Das ist doch nicht erst heute oder gestern auf die Tagesordnung gekommen, das wird hier schon lange diskutiert. Auch dieses Papier möchte ich einmal zitieren. Da steht in Punkt 10:
„Der Landtag erteilt der Landesregierung selbstbewusst Aufträge und kontrolliert die Arbeit der Exekutive.“
„Die aktuell unterzeichnete Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung zum Thema Europa ist ein erster Schritt zur Stärkung des Landesparlaments. Über weitere Schritte wie etwa ein Weisungsrecht des Landtags gegenüber der Landesregierung in bestimmten Bundesratsangelegenheiten ist verstärkt nachzudenken.“
Genau das wird gemacht. Das ist die Aufgabe des Parlaments. Das ist das, was hier vorgelegt worden ist. Übrigens wurde dieses Papier damals unterschrieben von Daniel Günther, von Niclas Herbst und von Christopher Vogt, meine Damen und Herren.
- Es ist peinlich, wenn Sie sagen, dass es hier überhaupt nicht diskutiert worden sei, und wir brächten das hier so einfach ein.
- Herr Kubicki, selbstverständlich muss man vorsichtig sein, wenn man das Verhältnis der Gewaltenteilung neu justiert, auch in unserem Bundesland. Das ist völlig richtig. Aber ich möchte daran erinnern, dass die Fraktionen von CDU und FDP, wie sie sich hier darstellen, ihrer Verfassungsaufgabe, wie ich finde, zumindest nur beschränkt nachkommen. Sie sind doch eher der verlängerte Arm der Landesregierung und nicken alles ab.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, was beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz zum Beispiel diskutiert worden ist. Da wurde vom Landtag gesagt, die Landesregierung solle die Zustimmung nur dann geben, wenn es Kompensationszahlungen gebe, damit es für das Land nicht teuer wird. Dann waren Sie beim Kaffeetrinken, Herr Kubicki, Sie waren auch dabei, und was ist herausgekommen? Wo sind die Kompensationszahlungen? - Darauf warten wir noch immer. Deswegen brauchen wir tatsächlich auch dieses Weisungsrecht.
Das Verhältnis von Parlament und Regierung muss meiner Meinung nach neu justiert werden, weil das, worauf diese Bundesrepublik beruht, heute gar nicht mehr gegeben ist. Wir sind die Legislative, Herr Kubicki, aber die meisten Gesetzentwürfe werden inzwischen in der Staatskanzlei oder in den Ministerien geschrieben. Selbstverständlich müssen wir die Rechte des Parlaments auch gegenüber der Regierung weiter stärken.
Richtung gehen. Allerdings hatten wir gehofft, dass noch ein bisschen weiter diskutiert wird, dass vielleicht nicht nur darüber diskutiert wird, wie die Rechte des Parlaments gegenüber der Regierung gestärkt werden können, sondern wie tatsächlich auch eine stärkere Partizipation der Menschen gegenüber dem Parlament in eine grundlegende Änderung unserer Verfassung integriert werden kann. Wir glauben, dass wir dort noch viel Nachholbedarf haben, was die Partizipation angeht. Wir zum Beispiel diskutieren über Instrumente wie Bürgerinnen- und Bürgerhaushalte. Wir wollen natürlich auch plebiszitäre Elemente in der Landesverfassung haben. Das alles ist unserer Meinung nach richtig und wichtig.
Wir wollen das alles in der nächsten Legislaturperiode - dann hoffentlich in Ruhe - diskutieren. Auf jeden Fall gehen die Gesetzentwürfe von SPD, Grünen und SSW in die richtige Richtung. Wir werden uns damit im Ausschuss positiv befassen.
Herr Callsen, wenn Sie tatsächlich noch das eine oder andere Wort haben, das verändert werden soll: Es ist noch nie ein Gesetz so aus den Ausschüssen wieder herausgekommen, wie es reingegangen ist. Das heißt, man kann die notwendigen Veränderungen noch vornehmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedem von uns ist natürlich bewusst, dass Gesetzentwürfe zur Änderung der Landesverfassung eine andere Qualität haben als andere Gesetzesänderungen. Daher gehört zur heutigen Diskussion folgerichtig die Frage dazu, ob es nicht besser gewesen wäre, die Debatte zur Änderung unserer Verfassung an den Anfang der neuen Wahlperiode zu stellen. Wir haben uns aber mit SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dafür entschieden, beides zu machen. Für diese Gesetzentwürfe gilt, dass sie zum Ziel haben, unsere Rechte, also die Rechte des Parlaments, deutlich zu stärken. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun.
tem wirft, erkennt ohne Weiteres, dass die Kompetenzverteilung zwischen Regierung und Parlament den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Hinzu kommt das Verhältnis von Bund und Ländern, das seit Einsetzung der ersten Föderalismuskommission Anfang der 2000er-Jahre auf der politischen Agenda der Parlamente in Deutschland steht.
Auch der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich von Anfang an aktiv an diesen Debatten beteiligt. Hervorheben möchte ich hier das Engagement unseres verstorbenen Landtagspräsidenten HeinzWerner Arens und das seines Nachfolgers Martin Kayenburg. Dass sich auch Landtagspräsident Geerdts die Stärkung unserer Parlamentsrechte auf die Fahne geschrieben hat, ist daher gut und richtig. Dafür gebührt ihm nicht nur unser Dank, sondern mehr als alles andere unsere Unterstützung, wenn es um die konkrete Umsetzung dieser Intentionen geht.
Unser Gesetzentwurf zum Weisungsrecht des Parlaments und zur Einführung eines Klagerechts vor dem Europäischen Gerichtshof ist so ein Umsetzungspunkt. Ich rufe in Erinnerung, dass wir uns fraktionsübergreifend für eine Vereinbarung mit der Landesregierung in Sachen Subsidiaritätskontrolle starkgemacht haben und dass diese Forderung Dank der Beharrlichkeit des Landtagspräsidenten nunmehr auch umgesetzt worden ist. Das ist positiv, auch wenn die vorliegende Vereinbarung nicht so weit geht, wie es sich der SSW gewünscht hat und wie andere Parlamente es uns vorgemacht haben.
Die „Stuttgarter Erklärung“ der Landtagspräsidentenkonferenz 2010 gibt uns die Richtung vor. Die Diskussion um die vorhin genannte Vereinbarung mit der Landesregierung hat meiner Meinung nach eines deutlich gemacht: Es dreht sich nicht nur um Verfahrensfragen, sondern um eine neue politische Kultur und um eine Klarstellung des Verhältnisses von Landesregierung und Landesparlament. Der SSW kann mit anderen Worten damit leben, wenn gesagt wird: Bei diesem Punkt benötigen wir mehr Zeit, als uns jetzt zur Verfügung steht.
Anders verhält es sich mit dem Gesetzentwurf zu den Beziehungen von Bund und Ländern Stichwort: Schuldenbremse. Als sich der Landtag fraktionsübergreifend dafür entschied, die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufzunehmen, gab es auch keine zwei Meinungen dazu, dass vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden müsste,
ob die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz ohne Beteiligung der Landesparlamente nicht einen deutlichen Eingriff in das Budgetrecht des Landtags, sein „Königsrecht“, darstellt. Diese Debatte ist ausführlich geführt worden, sowohl in den Fraktionen wie auch im Parlament und zwischen den Fraktionen.
Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir keine Erkenntnisdefizite, auch nicht, wenn es um die Interpretation des Urteilsspruchs des Bundesverfassungsgerichts geht. Denn Dreh- und Angelpunkt unserer Niederlage vor dem Verfassungsgericht war die Frage der Zuständigkeit des Landtags, also die Frage, ob wir überhaupt klagen dürfen, ohne dass die Landesregierung der Klage beitritt. Dies zu heilen, ist das Anliegen des genannten Gesetzentwurfs, nicht mehr und nicht weniger. Hier geht es nicht darum, dass die Landesregierung vorgeführt werden soll, hier geht es um eine nach vorne gerichtete Initiative zur Stärkung des Parlaments, unabhängig von jedweder politischen Mehrheit. Die Notwendigkeit einer solchen Korrektur braucht in der nächsten Legislaturperiode nicht neu diskutiert zu werden. Wir sagen: Derselbe Landtag, der die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufgenommen hat und mit guten Argumenten eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angestrebt hat, muss diese Politik auch zu Ende führen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre ein wirklich gutes Signal für die Arbeit des neuen Parlaments.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin über den Ablauf der Debatte etwas erstaunt. Die gleichen Persönlichkeiten, Herr Kollege Eichstädt, die seit anderthalb Jahren hier regelmäßig erklären, Frau Kollegin Spoorendonk, dieser Landtag sei gar nicht legitimiert, überhaupt Gesetze zu machen, kommen jetzt und erklären, wir müssten hoppla hopp - die Verfassung ändern. Es ist schon interessant, dabei über die Wertigkeit nachzudenken.
Ein zweites Argument, das ich bemerkenswert finde: Frau Strehlau, Sie haben gesagt, wir müssen es jetzt machen, weil man nicht weiß, wenn sich etwas
ändert, ob beim nächsten Mal die Ministerin oder der Minister oder die Regierung es dann anders sehen sollten und die Fraktionen des Landtags, die dann vertreten sind, das genauso sehen wie Sie. Was will mir das sagen? Will mir das sagen, dass Sie nicht mehr damit rechnen, dass Sie in die Regierung kommen? Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Ihre Haltung ändern würde, nur weil Sie in der Regierung sitzen. Es wäre relativ merkwürdig, dass Sie jetzt eine Position vertreten, die Sie dann ändern, wenn es eine Veränderung -