Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

(Björn Thoroe)

würde mich freuen, wenn ich das von Ihnen genauso klar hören würde wie von den anderen auch.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich nunmehr dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort. - Herr Vogt, Sie hatten sich gemeldet?

(Christopher Vogt [FDP]: Ich überlasse dem Minister gern das Wort!)

- Dann möchten Sie nach dem Minister noch einen Dreiminutenbeitrag sprechen?

(Christopher Vogt [FDP]: Das entscheide ich später!)

- Das entscheiden Sie dann.

(Heiterkeit)

- Dann hat der Minister das Wort.

(Peter Lehnert [CDU]: Mal schauen, ob Hei- ner das gut macht!)

Ich fühle mich bedroht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Tietze, zunächst freue ich mich als Gesundheitsminister sehr, dass es Ihrer Stimme ganz offensichtlich besser geht. Das haben Sie im zweiten Beitrag ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir ein paar Anmerkungen zu der bisherigen Debatte, die ja sehr munter verlaufen ist und die uns auch ein bisschen das Paradies auf Erden nach dem 6. Mai prophezeit hat, jedenfalls wenn man manchen Rednern Glauben schenken darf. Lassen Sie mich einfach einen Blick auf die Fakten werfen. Ich weiß, Kollege Baasch, Fakten können in der Tat manchmal wehtun.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg im Juni 2005 von 26,1 Millionen bundesweit auf 28,3 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen und Männer. Das ist ein so hoher Stand, wie wir ihn noch nie hatten. Damit wurden 2,2 Millionen zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. In Schleswig-Holstein stieg die Zahl der

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von Juni 2005 770.564 zum Juni 2011 auf 842.006 Frauen und Männer. Das sind 71.442 Frauen und Männer mehr, die einen sozialversicherungspflichtigen Job haben.

(Beifall bei FDP und CDU - Wortmeldung des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

- Nein, Kollege Baasch, an dieser Stelle noch keine Zwischenfrage. Ich möchte gern erst fortfahren.

Ich will ganz deutlich sagen: Ich werde mich hier nicht hinstellen und erzählen, dass das der Erfolg von welcher Regierung auch immer ist. Den Grundstein für den Erfolg hat die Arbeitsmarktreformpolitik Anfang des 21. Jahrhunderts gelegt, um das einmal ganz deutlich zu sagen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sie sind diejenigen, die sich genau von dieser Politik Stück für Stück verabschieden, anstatt stolz darauf zu sein.

Jetzt sehen wir - auch das muss man ganz offen ansprechen - einen völlig gespaltenen Arbeitsmarkt; das ist völlig richtig. Auf der einen Seite haben wir einen Niedriglohnsektor. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Niedriglohnsektor in Deutschland haben wir nicht erst seit zwei, drei oder vier Jahren. Dieser ist konstant in den letzten zehn Jahren bei ungefähr einem Viertel geblieben. Wir haben auf der anderen Seite heute schon eklatante Fachkräftebedarfe in manchen Berufsgruppen, zum Beispiel in den Pflegeberufen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Niedriglohnsektor in Schleswig-Holstein so besonders ausgeprägt ist, hat vor allem etwas mit der strukturellen Schwäche der Wirtschaftskraft dieses Landes zu tun,

(Beifall bei der FDP)

hat vor allem damit etwas zu tun, dass SchleswigHolstein in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu wenig in die Infrastruktur dieses Landes investiert hat. Das heißt, Menschen, die heute noch gegen Wachstum polemisieren, polemisieren auch gegen die Möglichkeit, höhere Löhne zu zahlen - um das an dieser Stelle auch ganz deutlich zu sagen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Weil hier so viele Wünsche ausgesprochen worden sind, will auch ich einmal einen Wunsch aussprechen. Ich wünsche mir vor allem starke Tarifpartner. Wo es diese starken Tarifpartner im Moment nicht gibt, wünsche ich mir, dass Politik etwas un

(Heinz-Werner Jezewski)

ternimmt, damit die Tarifparteien gestärkt und nicht geschwächt werden. Staatliche Lohnfestsetzung schwächt Tarifpartner.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Waldinger-Thiering?

Ja, wenn ich so charmant gefragt werde, selbstverständlich.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Das hast du zu Baasch noch nie gesagt! - Wolfgang Baasch [SPD]: Darunter leide ich jetzt aber!)

Frau Kollegin, bitte.

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine erste Frage als Abgeordnete in diesem Schleswig-Holsteinischen Landtag: Herr Minister, wenn Sie jetzt gerade davon sprechen, dass in den Pflegeberufen ausgebildetes Personal fehlt, wie wollen Sie dann den jungen Leuten, von denen wir hoffen, dass sie diesen Beruf erlernen, erklären, dass dort wirklich deutlich die niedrigsten Löhne gezahlt werden? Haben Sie da irgendeinen Lösungsvorschlag?

Ich denke, diese Debatte, die wir heute wieder zum Niedriglohn führen, beinhaltet ja nicht das, was in den vergangenen zwei Jahren oder zehn Jahren gemacht worden ist. Gemeinsam müssten wir dafür sorgen, dass wir gerade hier in Schleswig-Holstein einen vernünftigen Lohn für vernünftige Arbeit bekommen. Meine Frage: Wie wollen Sie es regeln, dass wir den jungen Leuten den Pflegeberuf ans Herz legen und ihnen gleichzeitig sagen: „Liebe Leute, bildet euch aus für einen Beruf, in dem ihr verdammt wenig Geld verdient“?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: Das war aber eine lange Frage!)

Ich finde die Frage interessant, und ich finde sie auch völlig in Ordnung, weil ich auf jeder Veranstaltung, in der ich zur Pflegepolitik spreche - wie wir gestern gehört haben, nervt das ja die Kollegin Pauls -, darauf hinweise, dass Pflege in Zukunft, wenn wir weiterhin auf qualitativ hohem Niveau gepflegt werden wollen, nicht billiger wird, weil wir in Zukunft Pflegekräfte besser bezahlen müssen. Das heißt, wir müssen eine offene gesellschaftliche Diskussion darüber führen, was in einer älter werdenden Gesellschaft Gesundheit und Pflege wert sind. Dazu gehört, dass man den Menschen die Wahrheit sagt, dass das in Zukunft nicht billiger, sondern teurer werden wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will ganz deutlich sagen: Lieber Kollege Tietze, ich weiß nicht, wie viele Allgemeinverbindlichkeitserklärungen Sie schon unterschrieben haben. Ich kann Ihnen sagen: Da ich genauso wie diese Landesregierung staatliche Lohnfestsetzung und staatliche Lohnfindung im Deutschen Bundestag als nicht adäquate Lösung empfinde, ich aber der Auffassung bin, dass wir für das von mir geschilderte Problem eine Lösung brauchen, habe ich mich immer wieder nicht nur dafür eingesetzt, dass wir in Anlehnung an das britische Modell eine Lohnfindungskommission bekommen, sondern ich habe einen entsprechenden Antrag auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz eingebracht, weil ich davon überzeugt bin, dass wir Tarifpartner stärken müssen und dass wir dort, wo Tarifpartner derzeit keine Chance haben, weil sich Gewerkschaften in manchen Landstrichen nicht entsprechend organisieren können, weil sich Arbeitgeber möglicherweise, aus welchen Gründen auch immer, verabschieden, dass wir hier wieder eine Stärkung des Prinzips „Macht und Gegenmacht“ bekommen.

Ich will für Schleswig-Holstein ganz deutlich festhalten: Das, was dem Bäckereihandwerk gelungen ist, dass sich nämlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen Mindestlohn über sämtliche Ausbildungsverhältnisse - vom Azubi über den Gesellen bis zum Meister - auf einen Mindestlohn geeinigt haben, der dann zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf meinem Schreibtisch lag - deswegen habe ich Sie gefragt -, das ist für mich der Weg, wie Lohnfestsetzung, Lohnfindung stattfinden muss, nämlich über die Tarifpartner. Selbstverständlich habe ich die Allgemeinverbindlichkeitserklärung unterzeichnet. Ich werde das auch tun, wenn der

(Minister Dr. Heiner Garg)

entsprechende Antrag vom Friseurhandwerk auf meinem Schreibtisch liegt. Aber ich werde mit Sicherheit keinem staatlich festgelegten einheitlichen Mindestlohn, der von wem auch immer im Deutschen Bundestag verabschiedet werden soll, das Wort reden, weil ich das für den falschen Weg halte, weil ich das für eine Schwächung von Tarifpartnern halte.

Ich glaube, man muss sich die ganze Geschichte hier nicht wechselseitig mit Schwarzweißmalerei um die Ohren hauen.

(Zuruf)

- Aber selbstverständlich! Der Vorwurf ist, wer einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € ablehnt, ist ein schlechter Mensch. Was ist denn das für eine Diskussion, meine Damen und Herren? Es muss doch darum gehen, endlich einen vernünftigen Weg zu finden, dass Tarifpartner wieder gestärkt werden können. Ich glaube, dass Sie mit Ihrem Vorschlag eines einheitlichen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns den Gewerkschaften am Ende keinen Gefallen tun, auch wenn sich Gewerkschaften inzwischen dieser Forderung angeschlossen haben. Sie wissen, dass der DGB sehr lange, sehr heftig darum gestritten hat, ob das der richtige Weg ist, weil sie sich eigentlich die Tarifautonomie auch nicht aus der Hand nehmen lassen wollten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Lassen Sie uns doch gemeinsam daran arbeiten, nach intelligenten Instrumenten zu suchen, dass Menschen so bezahlt werden, dass sie von ihren Löhnen auch leben können, und dass diese Lohnfindung durch starke Tarifpartner und nicht durch den Deutschen Bundestag vor Wahlkämpfen gefunden wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, der Minister hat seine Redezeit um zweieinhalb Minuten überzogen. Diese stünde nun auch allen anderen Fraktionen - ebenso wie dem Kollegen Christopher Vogt - zu. Möchten Sie davon Gebrauch machen? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Beratung, weil weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.

Der Debatte habe ich entnommen, dass Ausschussüberweisung beantragt wurde. Ich nehme an, dass das nicht nur für den Gesetzentwurf gilt, sondern auch für alle anderen gestellten Anträge. So ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2380 sowie die Anträge Drucksachen 17/2330