Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Das gilt auch für die Menschen, die an Demenz erkrankt sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Birte Paulsen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Sassen, das passt richtig gut. Denn die Anträge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege und zum Demenzplan für Schleswig-Holstein haben wir hier und im Sozialausschuss ausführlich diskutiert. Und was ist unterm Strich dabei herausgekommen?

(Ursula Sassen [CDU]: Viel!)

Erstens. Die Anhörungen haben unseren Anträgen recht gegeben.

Zweitens. In der Zwischenzeit wurde das private Beske-Institut mit der Begleitung der Projektgruppe des Sozialministers „Pflege und Gesundheit in Schleswig-Holstein“ beauftragt. Wir wissen immer noch nicht, was das gekostet hat. Die Ergebnisse wurden mit großer Inszenierung - pünktlich zur Wahl - vorgestellt. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die vielen unbezahlten Menschen, die ihr Fachwissen in etlichen Sitzungen dort eingebracht haben. Wer Interesse an dieser Arbeit hat, darf sich die Ergebnisse für 10 € beim BeskeInstitut kaufen. - Tut mir leid, ich finde, das Ganze hat ein kleines Geschmäckle.

Der Sozialausschuss muss sich mit der dazugehörigen Pressemitteilung begnügen. Ich finde es aber nett, dass Sie mich dort mit der Aussage zitieren: „Wir haben kein Wissens-, sondern ein Handlungsdefizit.“ - Richtig, Herr Garg. Und wer hätte hier in den letzten zwei Jahren handeln können? - Tja. Es ist schade und bedauerlich, dass nicht alle Ideen und Anregungen der Fachleute aufgegriffen worden sind, dann wäre die Übereinstimmung mit unseren Anträgen fast komplett.

Drittens. Die Sozialausschusssitzung letzten Donnerstag hat erneut gezeigt, dass bei den Zielen der Pflegepolitik mittlerweile große Übereinstimmungen auch zwischen den Fraktionen bestehen. Und leider außerhalb des Protokolls betonten Sie, Herr Garg, dass es ja eigentlich egal wäre, aus welcher Richtung welche Vorschläge gemacht worden seien und dass unsere Vorschläge ja eigentlich auch richtig seien. Aber trotzdem haben Sie, haben CDU und FDP, die vorliegenden Anträge, mit denen konkrete Verbesserungen für die Pflege und Demenzerkrankte erzielt werden sollten, abgelehnt. Ich verstehe nicht, warum die FDP einen Demenzplan ablehnt, obwohl sie diesen 2007 in ihrer Oppositionszeit noch vehement gefordert hat.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

(Ursula Sassen)

Ich muss gestehen, dass ich mich am Anfang der Legislaturperiode gefreut habe, dass die Landesregierung das Thema Pflege in den Mittelpunkt der sozialpolitischen Aktivitäten gesetzt hatte. Ich hätte an dieser Stelle gern zugearbeitet. Bedauerlich ist, dass Ihnen anscheinend Fraktionsgrenzen wichtiger sind als vorhandenes Fachwissen. Wenn Sie komplett anderer Meinung wären, hätte ich das auch verstehen können. Aber Sie laufen gerade mit unseren Argumenten durch das Land und stellen genau die gleichen Forderungen, die Sie in wenigen Minuten hier wieder ablehnen werden. Diese kleingeistige parlamentarische Eitelkeit kann sich die Pflege nicht leisten und hat die Pflege auch nicht verdient.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Selbst Herr de Jager - der ist nun gerade nicht da hat mittlerweile eigene Ideen zu dem Thema entwickelt, allerdings nicht abgestimmt mit dem zuständigen Minister. So viel zur guten Kommunikation innerhalb dieser Koalition. Sie sind inhaltlich auch nicht wirklich sinnvoll. Dazu kann ich nur sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten!

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dass Sie die Pflege nicht ernst nehmen, zeigt sich auch beim Gesetz zur Entwicklung medizinischer Versorgungsstrukturen im Land, das Sie hier morgen noch kurzfristig durchwinken wollen. In dem neu zu schaffenden Landesgremium sind Pflege und Patientenvertretungen - der Kollege Bernd Heinemann hat das eben auch noch einmal gesagt nicht berücksichtigt. Ihre einseitige Klientelpolitik wird hier wieder überdeutlich.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Vorgestern bekamen wir den dritten Qualitätsbericht des MDK zur Pflege auf den Tisch: „Die Lage hat sich verbessert, doch ist noch viel Luft nach oben“, wird der Sprecher des MDK, Herr Schünemann, zitiert. Was hat sich denn verbessert, das Wohlergehen des MDK, die Dokumentation? Und was ist mit den Patienten? Und mit dieser Aussage und dieser Tatsache stehen Heime und vor allem das Pflegepersonal wieder einmal am Pranger. Warum ist das so? Das ist so, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen, weil keine Zeit da ist, weil es zu wenig Personal gibt, weil sie zu viel Schreibtischarbeit machen müssen und weil der Kontrolldruck so groß ist. Denn aus wirtschaftlichen Gründen ist es wichtiger, den Anforderungen

des MDK statt den menschlichen und krankheitsbedingten Anforderungen der Bewohnerinnen und Bewohner und Patientinnen und Patienten gerecht zu werden.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei der LINKEN und SSW)

Das Pflegepersonal weiß es besser und kann es besser. Es ist hoch motiviert und gut ausgebildet. Ihnen die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Ausführung einer fachorientierten Pflege zu gewährleisten, das ist unsere aller politische Aufgabe. Das haben Sie trotz großmundiger Ankündigung nicht getan - nicht in den letzten zwei Jahren. Das kreide ich Ihnen an, und deshalb wird es auch an dieser Stelle Zeit für einen Wechsel.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vermute, dass die Debatte ausschließlich dem nahenden Wahltermin geschuldet ist und die Opposition noch einmal die Gelegenheit nutzen wollte, hier ihre pflegepolitischen Ideale und Ideen vorzustellen. Anders kann ich mir das nicht erklären.

(Zurufe von der SPD)

Wir nutzen das, wir greifen den Ball gern auf, und ich werde Ihnen eine kurze Bilanz vorstellen. Diese Koalition macht Politik für die Menschen, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht.

(Unruhe)

Vor dem Hintergrund einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung mit zunehmendem pflegerischen Versorgungsbedarf bei gleichzeitig begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen sind neue Wege zu beschreiten. Für uns Liberale ist dabei wichtig, dem Einzelnen gleichermaßen das Recht auf eine individuelle und würdevolle Pflege und Betreuung zukommen zu lassen. Das beginnt mit der Neudefinierung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit, der auf einem anderen Verständnis von Pflege beruht, als das bisher der Fall war, und der erstmalig die besonderen Bedarfe von Menschen

(Birte Pauls)

mit eingeschränkter Alltagskompetenz berücksichtigt.

Die bessere Versorgung von Demenzkranken ist auch einer der Schwerpunkte der von der FDP eingeleiteten Pflegereform. So werden die Leistungen für demenziell erkrankte Menschen ausgeweitet und für eine Flexibilisierung der Leistungsinanspruchnahme gesorgt. Auf Landesebene wurde bereits mit der Schaffung des Kompetenzzentrums Demenz ein wichtiger Schritt getan, um für nachhaltige Strukturen zur besseren Versorgung zu sorgen.

Die große Herausforderung in Schleswig-Holstein wird sein, in unserem Flächenland den Zugang zur pflegerischen und medizinischen Versorgung dauerhaft zu sichern. Aus diesem Grund tritt die FDP dafür ein, einerseits mehr Dezentralisierung und Regionalisierung und andererseits mehr freiwillige Kooperation zwischen dem ambulanten und stationären Sektor zu ermöglichen. Aus liberaler Sicht muss eine interdisziplinäre Zusammenarbeit dazu führen, die verschiedenen Gesundheitsberufe enger miteinander zu verzahnen. Dazu gehört insbesondere die Zusammenführung der verschiedenen Pflegeausbildungen hin zu einer modularisierten Ausbildung inklusive der Neuordnung der Ausbildungsfinanzierung auf Bundesebene. Dazu gehören auch die Fortführung der Finanzierung der dreijährigen beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit sowie die Möglichkeit von externen Prüfungen im Bereich der Pflegeassistenz.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Pauls zu?

Ja, gern.

Frau Kollegin Klahn, wenn Sie diese Ausbildungsreform fordern, können Sie mir dann sagen, warum Sie im Sozialausschuss dagegen gestimmt haben? Darf ich noch eine zweite Frage stellen?

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zusatzfrage?

Bitte, Frau Abgeordnete Pauls!

Halten Sie den Zeitpunkt der Einsetzung der Arbeitsgruppe unter der Begleitung von Professor Dr. Beske für etwas, was mit dem Wahlkampf nichts zu tun hat?

Liebe Kollegin Pauls, es mag Sie persönlich betrüben, dass Sie nicht in alle Gespräche, die wir im Hintergrund führen, außerhalb der Gespräche mit der Opposition -

(Wolfgang Baasch [SPD]: Hinterzimmerpoli- tik!)

- Herr Baasch!

(Wolfgang Baasch [SPD]: Ich denke, die Re- gierung ist transparent und offen!)

- Herr Baasch, ich spreche von der FDP-Fraktion. Im Übrigen möchte ich der Kollegin Pauls antworten, falls Sie das gestatten.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Hat Sie Herr Bes- ke informiert?)

Wenn wir eine Idee haben und anregen - genauso wie es die SPD macht -, sucht man sich die Akteure, und man spricht. Bis man etwas auf den Weg gebracht hat, sind manchmal einige Tage und Wochen ins Land gezogen. Ich glaube nicht, dass ich mich Ihnen gegenüber rechtfertigen muss, was ich wann wo getan habe.

Ich möchte gern fortfahren. Ich möchte hervorheben, dass die CDU/FDP-Landesregierung trotz Schuldenbremse knapp 4,2 Millionen € jährlich in die Ausbildung in der Altenpflege investiert und damit 1.200 Schulplätze fördert. So begrüßt die FDP-Fraktion in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass der Sozialminister plant, weitere Plätze in diesem Bereich zu schaffen.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kollegen der SPD, an dieser Stelle wiederhole ich mich gern: Auch wir finden es nicht gut, dass Jugendliche oder deren Eltern die Ausbildung im Pflegebereich selbst finanzieren müssen. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal der SPD.

Meine Damen und Herren, Minister Dr. Garg hat das geradegerückt und dargestellt, was die SPD in 20 Jahren hat schleifen lassen. Neben der schon dargestellten Erhöhung der Zahl der geförderten

(Anita Klahn)