Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich möchte für die schleswig-holsteinische Sicht noch einmal darauf hinweisen, in welcher Situation wir uns befinden, um Ihnen auch zu sagen, dass für die bekannten schleswig-holsteinischen Projekte ein gesetzlicher Erdkabelvorrang nicht zwingend erforderlich ist. In Schleswig-Holstein werden zwei von drei Ausbauvorhaben auf der 110-kV-Ebene von der Küstenkorridorregelung erfasst und besitzen somit bereits den im Antrag geforderten Vorrang. Allerdings gibt es eben die Probleme bei den Netzausbauvorhaben zwischen Breklum und Flensburg, die beschrieben worden sind. Hier greift übrigens eine gesetzliche Lücke, die einmalig in Deutschland ist, weil diese Maßnahme nämlich schon im Planfeststellungsverfahren gewesen ist, als diese 20-km-Regelung Gesetz wurde und deshalb von dieser Regelung nicht erfasst ist.

Nun möchte ich Ihnen an diesem Beispiel einmal deutlich machen, wie übrigens die Forderung nach einem Erdkabel auf der einen Seite die Forderung nach einer beschleunigten Netzausbau auf der anderen Seite konterkarieren kann. In den nächsten Wochen wird der Planfeststellungsbeschluss für diese Freileitung veröffentlicht; er ist gefasst und wird dann veröffentlicht. Letztens hatte ich ein Gespräch mit einer Bürgerinitiative aus dieser Region,

die mir sagte: Gut, dass wir das wissen; dann können wir unsere Klage einreichen! - Das, meine Damen und Herren, ist kontraproduktiv, wenn Sie zu einem schnellen Netzausbau kommen wollen. Insofern warne ich ein bisschen davor, Freileitung und Erdkabel gegeneinander auszuspielen, wenn es am Ende und im Ergebnis dazu führt, dass gar keine Leitung gebaut wird, weil dann nämlich denjenigen ein Bärendienst erwiesen ist, die eigentlich einen Leitungsausbau wollen, um die erneuerbaren Energien auch tatsächlich ableiten zu können. Insofern rate ich dort ein wenig zu Vorsicht an der Bordsteinkante.

Insofern brauchen wir für die schleswig-holsteinischen Regelungen die gesetzliche Forderung, die Sie erheben, nicht. Es ist ohnehin ein wenig rätselhaft, weil wir wieder einmal feststellen, dass sich die SPD auf Landesebene anders verhält als auf Bundesebene. Das kann manchmal passieren. Wir werden morgen auch noch einmal erleben, dass es manchmal so ist, dass sich die Landesebene der SPD anders verhält als die Kreisebene der SPD. Auch so etwas kann vorkommen. Aber in diesem Fall ist es nun zunächst einmal so, dass sie hier auch im Widerspruch zu Argumenten stehen, die ihre Bundestagsfraktion übrigens bei dem genannten Gesetzvorhaben selbst auf den Weg gebracht hat. Ich glaube natürlich, dass es einen Ruf nach Erdkabeln gibt, weil sie schonender sind. Ich glaube aber, wenn wir das auf voller Linie preisgeben würden, führte dies zu einer Kostenexplosion, die wir auch im Sinne der erneuerbaren Energien nicht verantworten sollten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Durch die Rede des Ministers steht den Fraktionen je eine Minute weitere Redezeit zu. Wenn davon kein Gebrauch gemacht wird, komme ich zur Abstimmung. - Es ist Ausschussüberweisung beantragt, und zwar an den Wirtschaftsausschuss. Wer der Überweisung in den Wirtschaftsausschuss zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Änderung der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtags

(Minister Jost de Jager)

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW Drucksache 17/92 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort erhält Frau Abgeordnete Birte Pauls von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat bisher mit seinen Minderheitengremien dem Friesen- und dem Nordschleswig-Gremium gute Arbeit geleistet und damit auch gewährleistet, dass die Bundesebene in die Minderheitenpolitik des Landes einbezogen wird. Damit möchte ich den Kolleginnen und Kollegen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle herzlich danken.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die bisherige Arbeit wird aber auf Dauer nicht reichen, denn die Minderheitenpolitik erlangt immer stärkere Bedeutung auch auf europäischer Ebene. Die Arbeit des Ausschusses für Europaangelegenheiten und nationale Minderheiten soll kein Ersatz für die bisher sehr erfolgreiche Arbeit der bestehenden Gremien sein. Es ist aber eine notwendige Ergänzung, die sicherstellt, dass die Themen, die Minderheiten berühren, regelmäßig behandelt und dass die Belange aller nationalen Minderheiten in Schleswig-Holstein und der deutschen Minderheit in Nordschleswig abgedeckt werden. Damit wird erstmals eine klare Zuständigkeit festgelegt, die die gefassten Beschlüsse in den Gremien auch in die Alltagspolitik hineingibt und die alle nationalen Minderheiten in unserem Land sowie die deutsche Minderheit in Nordschleswig abdeckt.

Der Begriff der nationalen Minderheit ist auf europäischer Ebene durch die OSZE und den Europarat klar definiert. Nach dem Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten fallen in der Bundesrepublik Deutschland die vier traditionellen Minderheiten - die Dänen, die Friesen, die Sinti und Roma und die Sorben unter diesen Begriff. Und damit ist klar definiert, welche Gruppen mit der Umbenennung des Ausschusses angesprochen sind. Dazu kommt für uns die deutsche Minderheit in Nordschleswig.

Die Entwicklung einer europäischen Minderheitenpolitik verlangt von den Regionen, dass sie sich auf diese neu einstellen, und mit dem EU-Reformver

trag haben wir neue Instrumente in die Hand bekommen, die wir für die Minderheitenpolitik nutzen können. Deshalb wollen wir die Umbenennung des Ausschusses. Wir verbinden den Antrag auch damit, dass wir neue Akzente in diesem Politikfeld setzen wollen. Wir wollen Planungssicherheit auch finanzieller Art für alle nationalen Minderheiten. Wir wollen die Gleichbehandlung der dänischen Minderheiten. Wir unterstützen das Anliegen der Friesen, eine Organisationszentrale einzurichten, und fordern die Landesregierung auf, hier endlich Farbe zu bekennen - wenn sie denn zuhören würde.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Sinti und Roma in die Landesverfassung aufgenommen werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Wir unterstützen die deutsche Minderheit in Nordschleswig dauerhaft darin, ihre Identität, die deutsche Sprache und Kultur zu erhalten, und wir setzen uns dafür ein, dass die Kompetenzanalyse umgesetzt wird und nicht in der Schublade verstaubt und dass die Minderheiten verstärkt in diese Umsetzung eingebunden werden.

Wir wollen die Minderheitenpolitik stärker als bisher koordinieren, zum Beispiel auch mit den Ländern Brandenburg und Sachsen. Wir können minderheitenpolitisch viel voneinander lernen, und wir setzen uns auch für eine stärkere Unterstützung der Arbeit der FUEV und des ECMI ein.

Die Umbenennung des Ausschusses ist ein Symbol. Sie steht dafür, dass wir dem Politikfeld eine große Bedeutung zuweisen, auch in Abgrenzung zu anderen Politikfeldern und auch in Zeiten der Finanzund Wirtschaftskrise.

Dieser symbolische Akt hebt ohne zusätzliche Kosten die Bedeutung des Politikfeldes für SchleswigHolstein hervor. Dies ist ein gutes Zeichen für die Minderheiten.

Wenn wir es wirklich ernst mit unseren nationalen Minderheiten meinen, wenn wir unsere politischen Bekenntnisse nicht nur beim Årsmøde der dänischen Minderheit, beim Tag der Deutschen in Tingleff, beim Unterzeichnen einer Sprachen-Charta für die Friesen sowie bei Einweihung des Wohnprojektes Maro Temm der Sinti und Roma oder bei den regelmäßigen Treffen der entsprechenden politischen Gremien begrenzen wollen, dann sollten wir die Themen, die unsere nationalen Minderheiten

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

betreffen, mehr in unseren politischen Alltag einbauen und sie deutlicher hervorheben.

Wir verleihen auf diese Art und Weise den Minderheiten den Stellenwert, den sie eigentlich verdienen. Denn sie sind ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens in Schleswig Holstein. Sie sind ein wichtiger und ein guter Teil, der unser gesellschaftliches, kulturelles und auch politisches Leben bereichert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin froh, dass diese Feststellung immer wieder auch fraktionsübergreifend getroffen wird, hoffentlich auch heute.

Minderheitenpolitik ist ein dynamischer Prozess, der uns immer wieder vor aktuelle Entscheidungen stellt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Pauls, und Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede im SchleswigHolsteinischen Landtag. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Niclas Herbst das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Pauls, Sie haben in der Begründung Ihres Antrags sehr grundsätzlich über die Bedeutung der nationalen Minderheiten gesprochen. Ich würde in den meisten Teilen überhaupt nicht widersprechen, die Frage ist nur: Müssen wir dazu unseren Ausschuss umbenennen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Ganz ehrlich: Wir haben viele dringende Probleme hier in Schleswig-Holstein. Die Benennung unserer Ausschüsse würde ich nicht so ganz weit oben ansiedeln. Deshalb sollten wir hinterfragen, ob diese Art von Symbolpolitik das ist, was wir wollen. Sie haben konkrete Punkte genannt, über die wir uns in dem Ausschuss unterhalten können, unabhängig davon, wie er heißt. Ob wir den Ausschuss wirklich umbenennen müssen, dazu habe ich keine Begründung gehört.

Wir reden hier wirklich nur über den Namen. Das ist deutlich geworden. Sie haben sogar die Arbeit des Landtags in dieser Beziehung gelobt. Ich denke, in das Lob haben Sie auch den Europaaus

schuss einbezogen. Denn gerade der Europaausschuss - ich hoffe, die Kollegen können das bestätigen - hat sich mit Fragen der nationalen Minderheiten immer wieder beschäftigt. Gerade, weil Sie sagen, dass es eine Querschnittsaufgabe ist, die uns wirklich alle berührt, bin ich nicht dafür, dass Aufgaben der nationalen Minderheiten einfach in einen Ausschuss abgeschoben werden. Sie haben als Beispiel das Thema Kompetenzanalyse genannt. Ich will, dass es eben nicht nur im Europaausschuss beraten wird, sondern in allen Ausschüssen, zum Beispiel auch im Wirtschaftsausschuss, der davon berührt ist. Insofern habe ich kein Verständnis dafür, dass wir jetzt sozusagen einen Ausschuss für nationale Minderheiten einführen wollen. Nein, das ist wirklich eine Querschnittsaufgabe und gehört in alle Ausschüsse.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie haben von klaren Zuständigkeiten gesprochen. Sie sollten sich wirklich hinterfragen: Wollen wir das wirklich? Wollen wir wirklich so eine klare Zuständigkeit,

(Birte Pauls [SPD]: Ja!)

oder wollen wir es als Querschnittaufgabe begreifen?

Der Umgang mit nationalen Minderheiten ist aus meiner Sicht integraler Bestandteil der europäischen Integration. Sie haben selbst gesagt, dass sogar die Definition auf ein Übereinkommen des Europarats in diesem Fall besteht.

Deshalb ist es aus meiner Sicht eher eine semantische Redundanz, wenn Sie davon reden, Europaausschuss und Angelegenheiten für nationale Minderheiten. Das ist für mich Teil meines politischen Europabegriffes und muss nicht noch einmal hervorgehoben werden.

Ich sage auch ganz deutlich: Angesichts der Herausforderung will ich auf den Begriff Europaausschuss nicht verzichten. Ich bin nicht für einen Ausschuss für andere Angelegenheiten und Europaangelegenheiten - wie Sie das vorschlagen -, ich bin für einen Europaausschuss. Wir werden uns sogar darüber unterhalten müssen, ob der Europaausschuss zusätzliche Kompetenzen erhält und wir wirklich im Sinne des Multilevel Governance, also des Mehrschichtensystems, das wir anstreben, darauf verzichten sollten, den Europaausschuss herausgehoben auch so zu nennen oder ob wir uns wirklich über Europaangelegenheiten unterhalten sollen.

Ich bin der Meinung, wir brauchen weiterhin einen Europaausschuss. Insofern bin ich gegen diese Art

(Birte Pauls)

von Symbolpolitik. Wir können uns im Ausschuss gern darüber unterhalten, wie wir das dann gestalten wollen. Ich habe auch schon von anderen Mitgliedern Ihrer Fraktion gehört, dass man es auch anders gestalten könnte, zum Beispiel mit einem Untertitel. Unterm Strich glaube ich jedoch, wir und auch die nationalen Minderheiten haben dringendere Probleme, über die wir uns unterhalten müssen. Ein paar Beispiele haben wir genannt.

Die Umbenennung des Ausschusses ist reine Symbolpolitik, die wir im Landtag aus meiner Sicht so nicht vollziehen müssen.

(Beifall bei CDU und FDP)