Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Tobias Koch von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bislang ging ich davon aus, Kollege Stegner spaltet die Gesellschaft. Heute können wir in den „Lübecker Nachrichten“ nachlesen: Stegner zerlegt auch die Opposition.

(Heiterkeit bei CDU und FDP)

Das gilt auch für die Schuldenbremse. In der Debatte von November des letzten Jahres hat die SPDFraktion einen Gesetzentwurf der Landesregierung zur Einführung der Schuldenbremse eingefordert. Als Regierungsfraktion haben wir Ihnen damals angeboten, hier einen Fraktionsentwurf zu erarbeiten und im Vorfeld der Einbringung mit den Oppositionsfraktionen abzustimmen. Stattdessen prescht die SPD Mitte Januar unabgestimmt vor und legt einen eigenen Entwurf vor. Es ist Ihnen nicht gelungen, uns damit vor sich herzutreiben, aber Sie haben den anderen Oppositionsfraktionen die Chance genommen, diesen Entwurf im Vorfeld der heutigen Debatte mit uns als Regierungsfraktion zu beraten. Sie haben die Opposition zerlegt, Herr Kollege Stegner.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Sie haben damit das verhindert, was Frau Spoorendonk hier - völlig zu Recht - anmahnt, nämlich eine gemeinsame Verständigung auf einen Gesetzentwurf. Das hätten wir schon im Vorfeld der heutigen Debatte gemeinsam tun können.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Frau Spoorendonk hat doch völlig recht. Es gibt die Notwendigkeit, uns hier zu verständigen. Wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit, um die bestehende Bundesregelung durch eine Landesregelung zu ersetzen. Sie alle wissen, es wird keine Klage geben, wenn uns diese Zweidrittelmehrheit hier nicht gelingt.

Insofern will ich ausdrücklich sowohl die Rede von Frau Spoorendonk als auch den vorliegenden Änderungsantrag vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit sehr konstruktiven Anregungen begrüßen. Ich muss allerdings sagen, Herr Kollege Habeck: Die Anmer

kungen zum Investitionsbegriff, worüber Sie die Debatte neu führen, und das Ganze vor dem Hintergrund der neuen Schuldenbremse, das würde ich doch jetzt als alte Politik, vielleicht sogar als alte linke Politik bezeichnen wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, das wird der jetzigen Lage nicht mehr ganz gerecht.

Was es auf jeden Fall nicht geben wird, ist eine Schuldenbremse mit Ausstiegsklausel. Frau Kollegin Spoorendonk, eine Klausel, die sagt, das alles gilt nicht, was uns die Schuldenbremse auferlegt, sobald der Bund irgendein Gesetz beschließt, das uns betrifft. Das ist keine Nachhaltigkeitsklausel, das hat mit Nachhaltigkeit überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das ist eine Klausel, die einer ungehemmten Verschuldung Tür und Tor öffnet durch die fadenscheinige Begründung, dass der Bund dafür verantwortlich sei. Eine solche Klausel wird es mit uns mit Sicherheit nicht geben. Das ist keine Nachhaltigkeitsklausel, das ist eine Neuverschuldungsklausel in ungeahntem Ausmaß.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Axel Bernstein.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal kurz auf den Beitrag des Kollegen Habeck eingehen, der die interessante Formulierung gefunden hat, die Schuldenbremse sinngemäß - könne zur Grundlage einer modernen linken Politik werden. Das finde ich spannend.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch!)

Das schauen wir uns an.

(Beifall bei CDU und FDP)

Inhaltlich haben Sie den Punkt aufgeworfen, ob nicht Investitionen im weitesten Sinne in ein soziokulturelles Umfeld unterm Strich rentierlicher sind als beispielsweise Investitionen in Verkehrsinfrastruktur.

(Wolfgang Kubicki)

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist eine Position, über die man durchaus diskutieren kann. Der Hintergrund, weshalb ich das Ganze beachtlich finde, - -

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Unruhe)

Liebe Kollegen, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Axel Bernstein.

Ich bin sicher, wir vertiefen das noch. - Der Hintergrund, weshalb ich es beachtlich finde, ist ja die Anerkenntnis, dass wir in der jetzigen Situation Wachstum brauchen, wie auch immer wir es erreichen wollen. Das ist schon einmal eine interessante Basis, auf der man wirklich diskutieren kann.

Bei allen Wechselwirkungen, die natürlich zwischen Parteien und ihren Wählern in die eine oder andere Richtung bestehen, müssen wir anerkennen, dass sich in der Bevölkerung, bei den Wählern offensichtlich auch diese beiden Grundüberzeugungen widerspiegelt - in fast gleich großen Lagern. Mal hat das eine Lager die Nase vorn, mal das andere. Gegenwärtig gibt es für den Ansatz, der von den bürgerlichen Parteien vertreten wird, eine Mehrheit. Aber nichtsdestotrotz: Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse und den Auswirkungen, die sie haben wird, diskutieren wir natürlich schon immer, mit Blick auf die knapp kleinere Hälfte, auch über den gesellschaftlichen Frieden in unserem Land überhaupt, gerade in Schleswig-Holstein.

Ich denke, wenn wir es auf dieser Grundlage schaffen, einen Kompromiss oder einen Weg zu finden, den wir in Zukunft auch über die Lage hinweg gehen können, dann ist ganz viel erreicht.

Wir müssen uns nur einer Tatsache bewusst sein ich bin nicht sicher, ob die auch von jedem in der Debatte verinnerlicht wurde: Wir werden, unabhängig wie wir die Schwerpunkte setzen und wo wir uns treffen, künftig auf einem insgesamt deutlich niedrigeren finanziellen Niveau arbeiten als heute. Es geht nicht darum, dass weniger dazu kommt als in den vergangenen Jahren, sondern wir reden darüber, dass der Kuchen Jahr für Jahr kleiner wird. Das geht natürlich nicht, ohne dass irgendetwas im sozialen Bereich, im Umweltbereich, im Bereich Verkehrsinfrastruktur, im Bereich einzelbetriebliche Förderung weggenommen wird. Ich will nicht

sagen, da oder da geht es nicht, aber der Kuchen insgesamt wird kleiner werden.

Deswegen ist es auch ausgesprochen notwendig, dass wir über die Lager hinweg zu Ergebnissen kommen, die alle mittragen können. Ansonsten werden wir den Kurs wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren so nicht halten können.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Es ist beantragt worden, die Gesetzentwürfe Drucksachen 17/186 und 17/ 193 und den Änderungsantrag Drucksache 17/205 sowie den Antrag Drucksache 17/187 (neu) federführend dem Finanzausschuss und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) in Schleswig-Holstein vollständig erhalten

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/128

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/216

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Sandra Redmann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Freiwillige Ökologische Jahr war, ist und soll auch in Zukunft ein Aushängeschild für unser Land als sein Geburtsland sein. Das FÖJ stärkt das Engagement in der Umweltbildung, im Naturschutz und Tourismus sowie der meist ehrenamtlichen Arbeit in den Jugendfreiwilligendiensten. Eine angemessene Landesförderung ist daher nicht nur die finanzielle Basisvoraussetzung des FÖJ, mit der Förderung drücken wir auch unsere politische Wertschätzung für die Arbeit der Jugendlichen aus. Hier brauchen wir sicherlich Mut, um auch in

(Dr. Axel Bernstein)

schwierigen Haushaltslagen die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Keinesfalls sollte dabei in der Diskussion aber das FÖJ hinter kleinteiligen Kostenberechnungen oder beim Vergleich mit anderen Jugendfreiwilligendiensten in den Hintergrund geraten.

Wer ungeprüft bei der Abstimmung im Plenum der Aussage vertraut, dass für 500.000 € im Jahr kein Manager bei der HSH-Nordbank arbeiten will, sollte nicht unerfüllbare Forderungen an die kleinen und finanzschwachen FÖJ-Träger stellen. Die noch stärkere Einbindung von Dritten oder der Träger in die Finanzierung oder die Absenkung der Vergütung der FÖJ-Teilnehmenden unter den Hartz-IVSatz ist ein Affront. Das „Ö“ steht hier nämlich für Ökologie und nicht für Ökonomie.

Wie Sie sicherlich wissen, steht die Finanzierung des FÖJ seit vielen Jahren in der Diskussion. Wir haben uns in der Koalition mit der CDU erfolgreich dafür eingesetzt, dass - wie im Jahr 2007 geplant die Haushaltsmittel von 1,6 Millionen € jährlich nicht schrittweise auf 800.000 € im Jahr 2010 abgebaut worden sind. Im Ergebnis ist aufgrund der unsicheren Finanzierungszusage des Landes eine Vertrags- und Planungsunsicherheit für die FÖJTräger entstanden, da die Verträge zwischen Land und Träger nicht mehr für fünf Jahre, sondern zuletzt nur noch mit einer einjährigen Laufzeit bis Sommer dieses Jahres abgeschlossen worden sind.

Das Umweltministerium hat nun am 14. Januar 2010 presseöffentlich verkündet, dass es die Landesförderung von derzeit 690 € im Monat auf das Bundesniveau in den westdeutschen Ländern 419 €, senken will. Dies hat sie einen Tag später in einem lange vorher anberaumten Termin auch den FÖJTrägern als alternativlos und nicht mehr diskutierbar eröffnet. Dies ist für mich schon ein erstaunlicher Stil der Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und Verbänden.

Der zur Begründung der angeblich notwendigen Kürzung angeführte Vergleich der Landeszuschüsse unter den westdeutschen Ländern ist mit Problemen behaftet. So weisen viele Bundesländer die anfallenden Betreuungskosten der Träger nicht wie Schleswig-Holstein aus, sondern stellen - kostenfrei - Landespersonal dafür bereit. Dazu kommen die nur in den neuen Bundesländern zur Verfügung stehenden europäischen Fördermittel, die einen bundesweiten Kostenvergleich der Länder gänzlich verzerren.

Nicht zu bezweifeln ist allerdings im Ergebnis, dass die Landesförderung für das FÖJ in Schleswig

Holstein im Bundesvergleich hoch ist. Mit diesen Mitteln konnte in der Vergangenheit jedoch die Qualität des FÖJ in Schleswig-Holstein gesteigert und verbessert werden, was die Berichte aus allen Einsatzstellen, der Werdegang der Jugendlichen nach der FÖJ-Zeit und die hohe Nachfrage in Schleswig-Holstein belegen. Hier entfaltet das FÖJ mit geringen Mitteln einen großen gesellschaftlichen Mehrwert.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Kürzungen bei der Ausbildung, wie zum Beispiel die Senkung des Betreuungsschlüssels zwischen pädagogischen Mitarbeiterinnen und FÖJ-Teilnehmerinnen und Teilnehmern von 1:30 auf 1:40 sowie bei den Auszahlungen an die FÖJ-Teilnehmenden dann unter das Hartz-IV-Niveau oder die Senkung der Platzzahl auf im schlimmsten Fall 100 dürfen wir nicht zulassen.