Protokoll der Sitzung vom 05.06.2012

Wahlvorschlag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1

Der Landtagspräsident ist in geheimer Wahl für die Dauer der Wahlperiode zu wählen. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhält.

Wir treten in die Wahlhandlung ein. Mir liegt hierzu die Drucksache 18/1, Wahlvorschlag der Fraktion der CDU, vor. Es wird vorgeschlagen, den Abgeordneten Klaus Schlie zum Landtagspräsidenten zu wählen. Ich frage, ob weitere Vorschläge gemacht werden. - Das ist nicht der Fall.

Ich gebe Ihnen noch einige kurze Hinweise zum Ablauf des Wahlgangs: Den Stimmzettel erhalten Sie am Ende des Aufgangs zu meiner Linken. Ich möchte Sie bitten, die Rampe dort zu benutzen, um zu den rückwärtig gelegenen Wahlkabinen zu gelangen. Ich bitte Sie, die Stimmzettel in einer der beiden Wahlkabinen mit dem dort liegenden Bleistift bei Ja oder Nein oder bei Enthaltung anzukreuzen, und zwar bitte nur mit dem Bleistift. Anschließend werfen Sie bitte den gefalteten Stimmzettel in die Wahlurne, die am Ende des Aufgangs zu meiner Rechten steht. Ich bitte darum, von der Wahlhandlung keine Aufnahmen zu machen. Das ist beim Deutschen Bundestag schon vorgekommen.

Ich eröffne den Wahlgang und bitte die Schriftführerin und den Schriftführer, die Namen aufzurufen.

(Namensaufruf und Stimmzettelabgabe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wahlakt ist beendet. Zur Auszählung der Stimmen unterbreche ich die Sitzung für zehn Minuten und bitte die Schriftführer, bei der Auszählung ihres Amtes zu walten.

Die Sitzung ist für zehn Minuten unterbrochen.

(Unterbrechung: 11:25 bis 11:33 Uhr)

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Die Abstimmung über den Wahlvorschlag, den Abgeordneten Klaus Schlie zum Landtagspräsidenten zu wählen, führte zu folgendem Ergebnis: Abgegebene Stimmen: 69; davon gültige Stimmen: 69. Enthaltungen: 3. Neinstimmen: 10. Auf den Abgeordneten Klaus Schlie entfielen 56 Stimmen, das entspricht einer Quote von 81 %, wie uns fleißige Hände ausgerechnet haben.

(Anhaltender Beifall - Abgeordneter Dr. Hei- ner Garg [FDP] überreicht dem Abgeordne- ten Klaus Schlie einen Blumenstrauß)

- Herr Kollege Dr. Garg, einen Moment bitte. - Wie schön, dass ich einmal jemanden von der Regierungsbank rüffeln kann.

(Heiterkeit)

(Alterspräsident Wolfgang Kubicki)

Damit ist der Abgeordnete Klaus Schlie zum Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags gewählt. Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Schlie, ob Sie die Wahl annehmen.

(Klaus Schlie [CDU]: Ja, ich nehme die Wahl an! - Beifall)

- Ich spreche Ihnen die Glückwünsche des Hohen Hauses aus und bitte Sie, zur Ableistung des Eides nach vorn zu treten. Die Anwesenden bitte ich einschließlich der Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne -, sich von den Plätzen zu erheben.

Bitte heben Sie die rechte Hand. Ich spreche Ihnen die Eidesformel vor und bitte Sie, sie mir nachzusprechen.

(Die Anwesenden erheben sich - Präsident Klaus Schlie wird nach folgender Eidesfor- mel vereidigt: Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Eigennutz zu dienen, so wahr mir Gott helfe.)

Ich wünsche Ihnen, Herr Landtagspräsident, viel Freude in diesem hohen Amt und eine gute Hand bei der Wahrnehmung Ihrer Aufgaben zum Wohle des Landes Schleswig-Holstein und seiner Bürgerinnen und Bürger. Herzlichen Glückwunsch auch von mir.

(Anhaltender Beifall)

Herr Landtagspräsident, ich räume ungern diesen Platz, ich bitte Sie jetzt aber, den Vorsitz des Landtags zu übernehmen.

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Alterspräsident Kubicki! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen sehr herzlich für das große Vertrauen, das Sie mir mit der Wahl zum Landtagspräsidenten ausgesprochen haben.

Für einen Landtagspräsidenten ist es wichtig, dass seine Arbeit von einer breiten Mehrheit der Abgeordneten getragen wird. Dabei bin ich mir bewusst, dass ich in die Fußstapfen vieler kompetenter Vorgängerinnen und Vorgänger trete, die sich alle durch das Bewusstsein auszeichneten, dass ein Parlamentspräsident für alle Abgeordneten und über alle Fraktions- und Parteigrenzen hinweg seine Aufgabe zu erfüllen hat.

Dem neuen Alterspräsidenten Wolfgang Kubicki möchte ich für seine Amtsführung danken. Zu Beginn der zurückliegenden Legislaturperiode mussten Sie, lieber Wolfgang Kubicki, noch Herrn Hay den Vortritt lassen, nun endlich sind Sie an der Reihe.

(Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihnen allen gratuliere ich zur Wahl und zur Annahme Ihres Mandats. Wir bilden nun gemeinsam den 18. Schleswig-Holsteinischen Landtag. Unter uns befinden sich auch neue Kolleginnen und Kollegen, die ich ganz besonders herzlich begrüße. Die Demokratie lebt vom Wandel, und sie lebt deshalb vom Miteinander der Kolleginnen und Kollegen mit langjähriger Erfahrung einerseits und der Kolleginnen und Kollegen mit frischen Ideen andererseits. Diese bewährte Form der steten Erneuerung des Parlaments ist für die zukünftige Gestaltung unseres Landes außerordentlich wichtig. Denn die Aufgaben, die auf uns zukommen, betreffen alle Generationen, alle Regionen Schleswig-Holsteins, alle Menschen, die hier leben oder in Zukunft hier leben werden. Wir alle gemeinsam stehen vor großen Herausforderungen. Das ist eine Feststellung, die wohl für jeden neu gewählten Landtag gilt.

Ich bin aber der Überzeugung, dass dies in der Gegenwart und damit für die 18. Legislaturperiode in ganz besonderem Maße gilt. Die Rahmenbedingungen, innerhalb derer der Schleswig-Holsteinische Landtag und jeder einzelne Abgeordnete seine Arbeit leisten soll, haben sich in den letzten Jahren gravierend verändert.

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem tief greifenden Transformationsprozess, der vieles infrage stellt und vor allem auch unser parlamentarisches System und seine Leistungsfähigkeit in ungekanntem Maße herausfordert. Auf diese Herausforderungen Antworten zu finden, ist unausweichlich, denn dies ist es, was die Menschen im Land von uns erwarten. Es ist aber zugleich meine feste Überzeugung, dass es noch stets die Stärke der Demokratie gewesen ist, solche wichtigen existenziellen Antworten zu finden. Die Demokratie ist geradezu darauf ausgerichtet, sich zu verändern und auf Veränderungen zu reagieren. Dabei ist es unerlässlich, diese Veränderungen nicht allein zu kommentieren, sondern vorausschauend mitzugestalten.

Unser parlamentarisches System, die Grundlage unserer Demokratie, muss sich deshalb verstärkt der wichtigen Frage annehmen, wie unsere Diskussionen und Entscheidungen die Menschen in unserem

(Alterspräsident Wolfgang Kubicki)

Land auch zukünftig erreichen. Gerade in einem repräsentativen System wie der parlamentarischen Demokratie ist es unverzichtbar, dass die Wählerinnen und Wähler an den Entscheidungen teilhaben und die Prozesse verfolgen und nachvollziehen, durch die Entscheidungen zustande kommen. Nur so kann der Landtag seiner wichtigsten Aufgabe nachkommen: der politischen Repräsentation der Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins.

Dabei ist es unvermeidbar, nein, es ist zwingende Voraussetzung in einem demokratischen Prozess, dass der Diskurs über unterschiedliche Ziele und Wege im Parlament und darüber hinaus ausgetragen wird. Medien bezeichnen dies oft als Streit, was negativ belegt ist und von den Menschen dann auch so empfunden wird. Das öffentliche Ringen um die richtigen politischen Ziele und Wege ist aber der Ausdruck der Pluralität in unserer Gesellschaft und ein Grundpfeiler unserer freiheitlichen Demokratie.

Repräsentation braucht Kommunikation. Wenn sich Abgeordnete und Bürger voneinander entfernen, sich die politische Diskussion und die Entscheidungen der gewählten Vertreter von der Lebenswelt der Menschen voneinander abzukoppeln drohen, dann muss gehandelt werden. Dabei sehe ich die größte Herausforderung nicht in der bedauerlicherweise stetig abnehmenden Wahlbeteiligung. Der alleinige Blick darauf würde zu dem Fehlschluss führen, dass eine wachsende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern politikverdrossen sei. Sicher, die Wahlbeteiligung sinkt dramatisch von Wahl zu Wahl, da gibt es nichts zu beschönigen. Auch hier gilt es, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um dies zu ändern.

Dass aber insgesamt das Interesse und der Wille, etwas für die Gemeinschaft zu tun, zurückgegangen ist, ist keineswegs der Fall. Das Ehrenamt ist hier als ganz wichtige Stütze in dieser Gesellschaft zu nennen. Diese Arbeit von Bürgern für Bürger ist durch nichts zu ersetzen, und es muss auch in der neuen Wahlperiode ein Hauptanliegen sein, dass die Landespolitik das Ehrenamt stärkt und die dort Tätigen in ihrer Arbeit bestärkt.

Diese positive Entwicklung ehrenamtlicher Arbeit hat aber auch gezeigt, dass sich vielfach das politische und soziale Engagement vieler Menschen von den klassischen Feldern der Kommunalpolitik und der parteigebundenen Arbeit hin zu projektbezogenen und nicht mehr parteigebundenen Formen des Engagements verschoben hat. Darin liegt eine große Chance, die es zu nutzen gilt.

Dabei geht es nicht allein darum, die neue Vielfalt politischer Partizipation anzuerkennen, zu würdigen und als Bereicherung zu empfinden. Der Schleswig-Holsteinische Landtag ist und bleibt der entscheidende legitimierte Ort in unserem politischen System, an dem aus dieser wünschenswerten Vielfalt immer wieder auch gesellschaftlicher Zusammenhalt zum Ausdruck kommen muss.

Die parlamentarische Arbeit des Landtags muss sich auch zukünftig mit den Entwicklungen neuer Medien auseinandersetzen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele Menschen ihren Weg zur politischen Partizipation über die sogenannten neuen Medien finden. Diese Medien haben unsere Gesellschaft tief greifend verändert, sie haben die Menschen über alle Entfernungen hinweg vernetzt und erlauben Teilhabe an Informationen und Prozessen in einem zuvor ungekannten Maß. Das hat zweifelsohne viel Positives bewirkt, zugleich aber den Blick vieler Menschen verschoben. Wir müssen darauf achten, dass Themen nicht nur noch partiell und individuell bezogen betrachtet werden. Es ist notwendig, Strategien zu entwickeln, um komplexe politische Prozesse transparent zu gestalten.

Zugleich gilt es, über Jahrhunderte bewährte Formen der politischen Entscheidungsfindung - die Diskussion von Angesicht zu Angesicht - zeitgemäß weiterzuentwickeln und mit neuen Formen virtueller Diskussionen zu versöhnen. In der vergangenen Legislaturperiode hat die Arbeitsgruppe „Parlamentarismus im Wandel“ unter Leitung meines Vorgängers Torsten Geerdts ein Papier vorgestellt, das genau diese Weiterentwicklung im Blick behält und auch ganz konkrete Vorschläge vorstellt. Nicht nur dafür, auch für die stetige Öffnung des Landeshauses für eine breite Öffentlichkeit und für den vorbildlichen Einsatz für unsere Minderheiten gebührt Ihnen, lieber Torsten Geerdts, unser aller Dank. Ihre geleistete Arbeit wird auch den 18. Landtag weiter prägen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ganz konkrete, nicht virtuelle Lebenswelt, die regionale Heimat der Menschen, der unser föderales Systems und unsere kommunale Ordnung gleichermaßen so entscheidend Rechnung tragen, drohen als Handlungsräume ausgeblendet zu werden. Dabei sind es gerade unsere kommunalen Strukturen, die als Schule politischen Engagements unverzichtbar für das Funktionieren der Landes- und auch der Bundespolitik sind. Auch für den europäischen Einigungsprozess, der ganz maßgeblich auf die Region als einem zukünftigen strukturellen Merkmal Europas setzt,

(Präsident Klaus Schlie)

ist gerade der gesellschaftliche Einsatz vor Ort im Heimatbereich entscheidend. Nur die Arbeit für eine konkrete, ganz reale und im wahrsten Sinne des Wortes erlebbare Gemeinschaft schafft nachhaltig Identität und ist sinnstiftend. Dort, wo die Konsequenzen des eigenen Verhaltens positiv wie negativ unmittelbar sichtbar werden, ist nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln in besonderem Maße möglich. Die neuen Medien können diesen Prozess unterstützen, sie bleiben aber Mittel zum Zweck. Dieser Zweck ist und bleibt das Wohl und die Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen in der realen Welt.

Die Veränderungen der letzten Jahrzehnte betreffen nicht allein die Formen der politischen Arbeit und des politischen Engagements oder die Einflüsse der rasanten technischen Entwicklungen auf unser tägliches Leben. Das Land Schleswig-Holstein unterliegt starken divergierenden Entwicklungen, die zudem regionale Entwicklungsgefälle und Orientierungsrichtungen geschaffen haben.

Die südlichen Landesteile, allen voran die Kreise Pinneberg, Stormarn, Segeberg und Herzogtum Lauenburg, sind wirtschaftlich stark in Richtung der Freien und Hansestadt Hamburg orientiert. Das kann, will und darf Schleswig-Holstein nicht unterbinden, wir müssen aber gerade deshalb die kulturellen und politischen Bindungen in diese bevölkerungsreiche Region stärken - nicht gegen Hamburg, aber für ein starkes und selbstbewusstes SchleswigHolstein als einer politischen Gemeinschaft.

Diese Gemeinschaft versteht sich positiv, sie ist Ort der Integration, sie definiert sich nicht durch Abgrenzungen. Offenheit und Vielfalt sind und bleiben das Markenzeichen Schleswig-Holsteins: ein Land, das unter anderem seinen im Land verwurzelten drei Minderheiten eine besondere kulturelle Vielfalt bietet. Der sorgsame und verantwortungsvolle Umgang mit dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Minderheiten, der auch ein Privileg darstellt, erfordert immer wieder einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, den ich gern anregen und begleiten möchte. Es gilt, dieses Gut zu bewahren und an sich jeweils verändernde gesellschaftliche Verhältnisse anzupassen. Ich betrachte es als zentrale Aufgabe des Landtagspräsidenten, gemeinsam mit den Minderheiten hieran zu arbeiten.

Schleswig-Holstein ist nach wie vor ein durch ländliche Räume geprägtes Bundesland. Zugleich wachsen aber die städtischen Ballungszentren, die Menschen zieht es mittlerweile wieder stärker dorthin, wo ihnen ein gutes infrastrukturelles Angebot gemacht wird. Hier drohen sich Entwicklungsgefälle

zu verschärfen, die den Landtag als das wichtigste Organ unserer Verfassung in die Pflicht nehmen, bei diesen Konflikten zu moderieren.

Wir haben in unseren Reihen Kolleginnen und Kollegen aus städtischen wie auch aus ländlichen Wahlkreisen. Der Landtag ist der entscheidende Ort, anzuhören, zu diskutieren und auszugleichen, denn beides gehört zu Schleswig-Holstein: unsere Städte ebenso wie das Land. Beides hat bei unterschiedlichen Funktionen und Potenzialen doch eines gemeinsam: Sie sind Heimat.

Heimat - in diesem Begriff steckt vieles, was Menschen Orientierung gibt, vor allem auch ein emotionales Verhältnis zu dem Ort, an dem ein Mensch lebt. Diese eben auch emotionale Zustimmung zu Land und Leuten, zu Kultur und Sprachen in unserem Land ist wichtig. Sie schafft Identität, und sie schafft zugleich die Offenheit gegenüber anderen Kulturen. Diese Offenheit und kulturelle Kompetenz sind mit Blick auf unseren nördlichen Nachbarn Dänemark, mit Blick auf die Verbindungen Schleswig-Holsteins in den Ostseeraum und nicht zuletzt natürlich mit Blick auf die europäischen Integrationsprozesse wichtige Voraussetzungen für die weitere Entwicklung unseres Landes.