Protokoll der Sitzung vom 19.11.2015

In vielen Medienberichten wurde die Privatisierungsauflage als Verhandlungserfolg der EU gewertet, aber sie bleibt aus unserer Sicht inhaltlich

auch für uns als Land richtig. Natürlich droht am Ende, sofern sich kein Käufer findet, eine Abwicklung. Aber wir haben eine realistische Perspektive, die Bank in andere Hände zu geben und unser Risiko dadurch weiter zu minimieren.

Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass der vereinbarte Weg mit vielen Unsicherheiten verbunden ist, denn wir wissen jetzt schlichtweg nicht, zu welchen Preisen und in welchem Umfang die Papiere auf dem Markt oder wie auch die Bank selbst veräußert werden können. Insofern ist es immer wichtig, auch im Beteiligungsausschuss konkret über Zahlen zu reden und auch unterschiedliche Modelle zu rechnen. Das sehen wir genauso, wie das auch die Kollegen der CDU bereits gesagt haben. Aber nichtsdestotrotz werden wir jetzt nicht alles in abschließenden Modellen berechnen, nebeneinanderlegen und dann sagen können, das eine kostet so viel, und das andere kostet so viel.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Warum nicht?)

So einfach geht es auch nicht.

Ich habe das nicht als Kritik gesagt, sondern ich verstehe den Punkt. Ich sage nachher auch noch etwas zum parlamentarischen Verfahren, aber mir ist eben auch wichtig, hier zu sagen, dass es mit der Rechnung nicht so einfach ist, dass man klare Modelle mit klaren unterschiedlichen Kosten hat, die dann nur nebeneinandergestellt werden müssen. So einfach ist es leider nicht. Das hat uns zum Beispiel auch die Erfahrung mit der WestLB gezeigt. Die Erfahrung mit der WestLB hat uns auch gezeigt, dass Zeitdruck beim Verkauf von Wertpapieren nicht immer ein guter Ratgeber ist. Denn es geht auch darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist eine Schwierigkeit, vor der wir alle oder diejenigen, die sich damit dann konkret zu beschäftigen haben, stehen.

Es wird entscheidend sein, den richtigen Zeitpunkt zum Verkauf von Wertpapieren zu wählen und beispielsweise auch Wechselkurse und Konjunktur miteinzubeziehen. Das sind weitere Faktoren, die in dieser Debatte eine Rolle spielen; denn ein Marktpreis, so ähnlich hat es unser Staatssekretär Dr. Nimmermann einmal formuliert, gibt es immer, nur wo wir landen werden, das kann man eben seriös nicht genau prognostizieren.

Die Zustimmung zur besten Lösung darf nicht am Verfahren scheitern, aber - auch das gehört dazu wir müssen uns ehrlich machen, und wir müssen

(Rasmus Andresen)

auch als Parlament ehrlich sein und sagen, dass wir als Abgeordnete vor einer sehr schwierigen Aufgabe stehen und dass uns dieser Prozess - das will ich ehrlich sagen - an die Grenze der Handlungsfähigkeit und an die Grenze dessen bringt, was wir beurteilen können, weil die Thematik so komplex ist, wie sie ist.

Die Entscheidung, vor der wir stehen, ist milliardenschwer und hat viele rechtliche und ökonomische Konsequenzen für unser Land. Dies gilt beispielsweise auch für die Gründung und die Ausgestaltung der AöR zum Abbau der Wertpapiere, zur Veräußerung der Wertpapiere auch in Bezug auf aufsichtsrechtliche Bestimmungen. Hinzu kommt, dass wir als Mitglieder des Beteiligungsausschusses wichtige Informationen bekommen, die für die Entscheidung sehr zentral sind, aber die wir weder in öffentlichen Debatten noch in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen verwenden dürfen. Auch das ist ein Problem. Auch darüber müssen wir uns Gedanken machen, weil das eine Konsequenz für das parlamentarische Verfahren in den nächsten Wochen hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Ralf Stegner [SPD] und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Wir wissen auf der anderen Seite aber auch, dass die Einigung mit der EU vorläufig ist und dass wir auch davon abhängig sind, was auf den Finanzmärkten passiert und wie die Ratingagenturen die Bank beurteilen. Sie können mir glauben, dass ich bestimmt nichts davon halte, dass wir in einem Bankensystem leben, in dem wir sehr stark davon abhängig sind, wie Ratingagenturen unsere Bank oder Banken generell bewerten. Aber wir können es auf der anderen Seite auch nicht ausblenden.

Die Transparenz, die die Regierung von Tag eins an - und wahrscheinlich auch schon davor - an den Tag gelegt hat, ermöglicht uns, dass wir so viel Zeit für den parlamentarischen Beratungsprozess haben, wie eben nur möglich. Wir sind sehr früh informiert worden, sowohl in Telefonaten als auch in Ausschusssitzungen, wir haben die Unterlagen bekommen, wir haben die Möglichkeit, Unterlagen einzusehen, die nicht verschickt werden können, und so weiter. Die Landesregierung tut hier bei der Information sehr viel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Uns als Grüne überzeugt eben auch, dass Ende 2015 der letzte Zeitpunkt ist, um unter dem Finanz

marktstabilisierungsfondsgesetz die Abwicklungsanstalt zu gründen.

Der Kollege Günther hat gerade etwas zu der Aufteilung beispielsweise auch von Abstimmungen gesagt. Dazu will ich sagen: Das ist sicherlich ein Aspekt, den wir noch einmal ernst in den Gremien und im Finanzausschuss beraten können und müssen, weil wir glauben, dass dazu zumindest noch ein größerer Austausch stattfinden kann. Uns ist auch sehr wichtig, dass Sie da mit im Boot bleiben.

Auf der anderen Seite müssen wir auch bedenken, dass es nicht nur um formale Fragen und Fristen geht, sondern eben auch um die Finanzmärkte, die durch Ratingagenturen da auch unter Druck stehen. Wenn Sie das als Argument anerkennen, sind wir Grüne gern bereit, darüber mit Ihnen im parlamentarischen Prozess zu beraten.

Denn zur Wahrheit gehört auch dazu, dass die Ausgestaltung der Abwicklung ab 2016 unsicherer wird. Das heißt nicht, dass alles komplett anders werden muss, aber es gibt viele Aspekte, bei denen wir einfach nicht wissen, wie sich das entwickelt. Dazu gehört beispielsweise das Thema Befreiung von der Bankenlizenz, das auch bei der WestLB ein zentraler Punkt für die Abwicklungsanstalt gewesen ist, oder zum Beispiel auch in Bezug auf Eigenkapitalanforderungen; das sind wesentliche Aspekte, das können wir nicht ausblenden. Wenn wir da jetzt eine Sicherheit haben, die wir danach nicht mehr haben, dann sollten wir auch dementsprechend verantwortungsbewusst handeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wie müssen aber auch generell - so glaube ich - in der parlamentarischen Beratung darüber reden, wie wir Transparenz und auch parlamentarische Kontrolle sicherstellen können; denn dadurch, dass der Weg einer Anstalt des öffentlichen Rechts gewählt wird, ist das Parlament nur sehr indirekt beteiligt. Wenn man sich dann einmal die Staatsverträge durchliest und sich ansieht, was dazu darin steht, stellt man fest, dass es zwar eine Berichtspflicht an das Parlament oder an die zuständigen Ausschüsse in Hamburg und in Schleswig-Holstein gibt, aber nichtsdestotrotz ist die Situation so, dass wir auch da jetzt wieder vor großen Entscheidungen stehen, im Endeffekt aber keinen Einfluss mehr auf den konkreten Weg haben und dann nur durch Informationsrechte beteiligt werden. Das ist sicherlich auch eine Schwierigkeit, dort lohnt es sich, noch einmal genauer hinzuschauen, und dort müssen wir uns überlegen, was das eigentlich für uns

(Rasmus Andresen)

als Parlamentarier bedeutet, so hohe Verpflichtungen einzugehen und auf der anderen Seite dann danach ziemlich stark an Einfluss zu verlieren. Auch das ist eine Erfahrung, die wir mit Garantiekonstrukten und anderen Dingen gemacht haben.

Wir als Landtag stehen vor einer sehr, sehr schweren Entscheidung, und ich glaube, man kann für alle sprechen, wenn man sagt, dass es niemandem hier leichtfällt, diese Entscheidung zu treffen, egal für welches Modell man sich entscheidet. Das haben auch die Redner vor mir schon deutlich gemacht. Ich glaube auch, dass wir hier noch nicht abschließend die Fragestellung kommentieren können, weil wir uns in den nächsten Wochen wirklich intensiv die Zeit nehmen müssen, um auch mit Externen über diese Fragen zu diskutieren und diese zu prüfen - nicht weil ich Misstrauen der Regierung gegenüber hätte, da bin ich wirklich einer der Letzten hier im Haus, der das hätte, aber es ist einfach auch unsere Aufgabe als Abgeordnete, diesen Prozess absolut ernst zu nehmen

(Zuruf Uli König [PIRATEN])

und uns vor diesen Entscheidungen in vielerlei Richtungen gut zu informieren. Für mich gehören dazu auch - dazu hat der Kollege Rother schon etwas gesagt - Gespräche mit den Personalvertretungen, die vielleicht jetzt nicht in den Fragen des Verkaufs oder des Marktpreises die entscheidenden Ansprechpartner sind, aber für die es da auch um sehr viel geht. Da hat der Kollege Rother vollkommen recht: Es sind Menschen, die sich zum Teil oder zum sehr großen Teil sehr engagiert mit der Bank befassen, in der Bank arbeiten und darunter leiden, dass die Bank insgesamt in Verruf geraten ist, weil Fehlentscheidungen an der Spitze getroffen wurden. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in die Sache einsteige, möchte ich Ministerin Heinold und Staatssekretär Nimmermann für die offene und vertrauensvolle Kommunikation und den Austausch von Meinungen danken. Ich gehe jetzt nicht auf die Daten ein. Wir beide - das wissen wir, seitdem wir finanzpolitische Sprecher waren

liegen in der Einschätzung von Situationen gar nicht so weit auseinander, und ich unterstelle nicht, dass Sie oder die Landesregierung bewusst etwas Schädigendes für das Land in Kauf nähmen, auch wenn uns die Antworten auf verschiedene Fragen trennen.

Wenn der Kollege Andresen jetzt erklärt, wir müssten uns ehrlich machen, frage ich: Wer muss sich ehrlich machen? Sie sich vielleicht? - Denn die Tatsache, dass es sich um eine Abwicklungsbeihilfe handelt, ist der sichtbare Beweis dafür, dass die Europäische Kommission die Überlebensfähigkeit der Bank nicht mehr sieht. Sonst wäre es eine Sanierungsbeihilfe. Abwicklungsbeihilfe heißt: Wir glauben nicht an die Überlebensfähigkeit der Bank. Die Ratingagenturen wissen das ohnehin - egal, was wir hier erklären oder nicht erklären.

Wer die HSH Nordbank gegenwärtig verstehen will, kommt an der bewegten Geschichte der Bank nicht vorbei, und wer eine weitreichende Entscheidung über die Zukunft der Bank und das Geld der schleswig-holsteinischen Steuerzahler treffen will nur darum geht es -, sollte die HSH gegenwärtig verstehen. Deshalb müssen wir in diesem Hohen Haus auch über verschüttete Milch reden. Wir müssen darüber sprechen, wie viel Steuergeld dieser Landtag für die Stützung der Bank bisher aufgewendet hat, und wir müssen auch darüber reden Kollege Andresen, wir reden über zweistellige Milliardenbeträge -, auf welcher Informationsgrundlage viele Abgeordnete in der Vergangenheit ihre jeweilige Entscheidung für die Milliardenstützung der HSH Nordbank getroffen haben. Dies alles kann Schlüsse darauf zulassen, wie wir in diesen Wochen mit der HSH umgehen sollten.

Wenn wir über verschüttete Milch sprechen, sollten wir das in jedem Fall ehrlich tun. Dass die Finanzministerin die Chuzpe besitzt und die FDP als parlamentarisch Mitschuldige für das milliardenschwere HSH-Dilemma definiert, hat eine besondere Qualität. Wenn die damaligen regierungstragenden Fraktionen unsere Forderung bei Aufstellung des Landeshaushalts 2006, die Anteile der HSH Nordbank abzustoßen, mitgetragen hätten, hätte das Land Schleswig-Holstein Geld in nennenswerter Höhe erhalten - 1,6 Milliarden € - und nicht in Milliardenhöhe versenkt, wie wir es später erleben mussten.

(Beifall FDP)

Frau Finanzministerin, dass Sie in Ihrer Rede erklärt haben, unter der Regierungsverantwortung von Schwarz-Gelb sei die Absenkung der Garan

(Rasmus Andresen)

tiesumme von 10 Milliarden auf 7 Milliarden erfolgt, kann ja nur bedeuten: CDU und FDP seien an dieser Entscheidung schuld. Aber diese Entscheidung ist von der Bank getroffen worden. Wir hatten gar keine Möglichkeit, das abzulehnen, weil die Bank erklärt hat, ihr Geschäft sei mittlerweile so tragfähig, dass sie den Garantierahmen von 10 Milliarden € nicht mehr brauche.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Fakt ist, dass die FDP zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf diese Entscheidung hatte. Das wissen Sie auch. Ich finde es unerhört und unredlich, dass Sie uns in Mithaftung nehmen wollen, weil Sie Ihre Verantwortung damit kleinerreden wollen. Das Einzige, was wir bewirkt haben, war die Entlassung von Herrn Dr. Nonnenmacher. Das war - finde ich nicht nur für die Bank ganz gut, sondern auch für das Erscheinungsbild der Bank.

(Beifall FDP)

Das hat bei uns damals übrigens zu einer Koalitionskrise zwischen CDU und FDP geführt. Wir wollen einmal abwarten: Das Verfahren wegen Untreue der Bankvorstände ist noch nicht zu Ende, die Revision liegt beim 5. Strafsenat. Wir schauen uns einmal an, wie der Strafsenat über diese Frage entscheiden wird.

Zur Wahrheit gehört dazu, dass die Krise der Bank unter Regierungsverantwortung von SPD und Grünen begonnen hat - hierüber haben Sie kein einziges Wort gesagt -, und zwar schon deshalb, weil sie es zugelassen haben, dass sich die Landesbank unter Wegfall der Gewährträgerhaftung bis zu diesem Zeitpunkt mit Krediten so vollgesogen hatte, die mit der Garantie belegt worden sind, dass sie in dem Wahn gar nicht mehr wusste, wohin mit dem Geld: Wenn wir jetzt günstige Kredite aufnehmen unter der Gewährträgerhaftung, können wir auch Geschäfte generieren - was sich später als falsch herausgestellt hat.

Dass die Grünen schon einmal etwas selbstkritischer mit ihrer finanzpolitischen Vergangenheit umgegangen sind, beweist das Votum von Bündnis 90/Die Grünen im Abschluss des Untersuchungsausschusses. Herr Kollege Andresen, auf Seite 301 von Drucksache 17/1675 können wir lesen:

„Im Vorfeld der Mitte 2005 auslaufenden Gewährträgerhaftung deckte sich die HSH in Erwartung höherer Zinsen nochmals in großem Umfang mit billigem Kapital ein.“

Auf derselben Seite zitieren die Grünen zur Bekräftigung ihrer eigenen Position die Wirtschaftsprü

fungsgesellschaft KPMG wie folgt - auch hier zitiere ich -:

„Die Analyse der Entwicklung des CIP hat ergeben, dass... nicht von einem ‚Aufbau‘ der Bestände über den Untersuchungszeitraum zu sprechen ist, sondern vielmehr Umschichtungen innerhalb des Portfolios festzustellen sind. Hierbei sind insbesondere die Verschiebung des Anteils der Investments... hin zu ABS-Transaktionen zu nennen:... Innerhalb der Produktart ABS-Transaktionen haben die insbesondere ab 2004 erworbenen komplexen Strukturen wie z. B. die synthetischen CDO's... einen hohen Anteil an den in den Jahren 2007 und 2008 aus dem CIP-Portfolio insgesamt realisierten Verlusten, die sich auf EUR 1.331 Mio in 2007 und EUR 1.583 Mio in 2008 belaufen....“

Das Faszinierende daran ist, dass uns die Bankvorstände, die „Leuchten der Finanzwelt“, erklärt haben - Herr Berger im Untersuchungsausschuss -, dass sie die Geschäfte, die sie damit verbunden haben, überhaupt nicht verstanden haben, sondern sich nur daran orientiert haben, dass auch andere Banken das machen. - Das ist doch ein Ausweis von Vertrauen in die Bank, wie er besser nicht sein kann.