Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Das größte Problem haben die Hochschulen offenbar mit dem seit Kurzem geplanten Verbot der Anwesenheitspflicht. Nun muss ich gestehen, dass ich mit meinem liberalen Weltbild eine Anwesenheitspflicht nicht das Höchste der Gefühle oder das Nonplusultra in der Lehre finde.

(Beifall PIRATEN)

Ich bin wirklich kein Freund einer Verschulung unserer Hochschulen. Es kann aber gute Gründe dafür geben, in bestimmten Bereichen eine Anwesenheitspflicht zu haben. Mir fällt kein sinnvollerer Weg ein, als die Klärung auch dieser Frage den Hochschulen selbst zu überlassen. Ihr rot-grünblaues Verbot einer Anwesenheitspflicht macht in der Praxis keinen Sinn. Gehen Sie da noch einmal in sich! Ich kann verstehen, dass die Hochschulen das vehement ablehnen.

Ich will die Kollegen Habersaat und Andresen nicht größer machen, als sie sind, aber man muss bei Ihren Vorschlägen immer ein bisschen gucken, was eigentlich dahintersteckt. Ich habe ein bisschen den Verdacht, dass das mit dem bevorstehenden doppelten Abiturjahrgang 2016 zu tun hat, dass Sie hoffen, dass der eine oder andere morgens im Bett liegen bleibt. Ich glaube, die Studenten werden Ihnen den Gefallen nicht tun.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren von der Koalition, auch Sie sprechen mittlerweile zwar von Autonomie das finde ich ganz toll -, unterm Strich wollen Sie die Hochschulen mit Ihrem neuen Gesetz aber wieder stärker einschnüren. Sie versprechen mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung und mehr Transparenz, erreichen aber am Ende das genaue Gegenteil. Beim Thema Mitbestimmung scheint es Ihnen vor allem um Ihre eigene Mitbestimmung zu gehen: Sie wollen wieder in die Hochschulen hineinregieren und Vorschriften ohne Ende erlassen. Das ist das Problem.

Meine Damen und Herren, Sie sprechen von Demokratisierung. Bei den großen Hochschulen ist der

(Christopher Vogt)

Erweiterte Senat fast so groß wie der Landtag zwei Leute fehlen noch. 67 Leute sitzen da beisammen und dürfen über so weltbewegende Themen diskutieren wie den Farbton, in dem Türen angestrichen werden sollen. Wenn dort wirklich interessante Fragen diskutiert werden sollen - es ist unklar, was genau dort passieren soll -, ist es verfassungsrechtlich schwierig. Das sollte vorher vernünftig geprüft werden.

(Beifall FDP - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ich kenne die Freiburger Thesen im Gegensatz zu Ihnen ganz gut, Herr Genosse Stegner. - Wenn Sie mir nicht glauben, hören Sie doch auf das, was zum Beispiel Frau Dr. Helbig von der Fachhochschule Lübeck sagt, was Herr Dr. Reinhart sagt! Der ist wirklich nicht verdächtig, Ihnen politisch etwas Schlechtes zu wollen. Wenn Sie nicht auf uns hören wollen, hören Sie doch auf die Hochschulen! Ihnen bricht kein Zacken aus der Krone, wenn wir eine dritte Lesung machen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Vogt. - Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Uli König das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es schon sehr bezeichnend, wenn wir gestern Abend eine Stellungnahme vom Wissenschaftlichen Dienst bekommen, die nur zwei Punkte des Gesetzentwurfs mit den vorliegenden Änderungsanträgen berührt und uns sagt, dass dieser Teil deutliche handwerkliche Mängel aufweist.

Man kann darüber streiten, wie wichtig oder unwichtig es ist, wenn ein oder mehrere Posten in einem Gremium nicht richtig definiert sind. Das kann man unterschiedlich gewichten. Wenn wir nur an einer Stelle, die untersucht worden ist, feststellen, dass darin Mängel enthalten sind, was passiert dann, wenn wir den Rest des Gesetzentwurfs untersuchen? Da sind bestimmt keine Mängel drin, garantiert nicht, die Koalition hat garantiert fehlerfrei gearbeitet. - Natürlich nicht! Es sind Menschen, es sind Politiker, es sind alles keine Juristen. Das sollen Sie auch nicht sein, Sie sollen das Volk vertreten.

(Heiterkeit)

Deshalb glaube ich, dass es eine gute Idee ist, uns mehr Zeit zu nehmen, um den Gesetzentwurf so geradezuziehen, wie es möglich ist, und keine handwerklichen Mängel zu machen.

„Wir stärken die differenzierte und profilierte Gesamtlandschaft unserer Hochschulen, insbesondere indem wir die Entwicklung dessen, was namentlich an unseren Fachhochschulen geleistet wird, rechtlich weiter unterfüttern.“

Das hat Ministerin Alheit bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Juli gesagt.

Fünf Monate später lesen wir zum Beispiel in den „Lübecker Nachrichten“:

„Wenn das Gesetz kommt, können wir unsere Strategien zur Weiterentwicklung der Fachhochschule für die nächste Zeit auf Eis legen.“

Das sagt die Präsidentin der Fachhochschule Lübeck, Muriel Kim Helbig.

Was ist in der Zwischenzeit geschehen? - Da legt die unter Dauerbeschuss stehende „Mega-Ministerin“ zwei echt große Klopper hin: Auf der einen Seite handelt sie mit den Hochschulen eine Finanzstrategie aus und zementiert damit die dauerhafte Unterfinanzierung der Hochschulen - und die Präsidenten der Hochschulen finden das toll.

(Beifall Martin Habersaat [SPD], Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Mar- tin Habersaat [SPD]: Gut gemacht!)

Großer Wurf, Frau Alheit, Respekt! Und sie bringt einen Gesetzentwurf in den Landtag ein, eine Novelle des Hochschulgesetzes, die vielleicht nicht der große Wurf ist, aber handwerklich durchaus solide, das muss ich Ihnen hier attestieren.

(Heiterkeit SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Das ist ein Vorschlag gewesen, der im Großen und Ganzen viel Zustimmung erfahren hat, zwei politische Punkte, mit denen die Ministerin durchaus punkten konnte. Heute könnte für die Regierung alles gut sein, wären da nicht die politischen Kräfte in der eigenen Koalition, die versuchen, mit Brachialgewalt Partikularinteressen zu vertreten, die einst so in ihren konsistenten Gesetzentwurf nicht hineingehört haben und die ihn jetzt zerbröseln.

(Beifall PIRATEN - Zuruf Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Christopher Vogt)

Um was wir doch immer in den politischen Diskussionen und in Anhörungen ringen, sind Kompromisse. Wir wollen viele Menschen hören, ihre Meinung kennenlernen und am Ende gemeinsam das beste Ergebnis erzielen.

(Wortmeldung Rasmus Andresen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nein, Herr Andresen, ich möchte jetzt keine Zwischenfrage beantworten.

Ich weiß wirklich nicht, ob ein „bürokratisches Monster“, wie der Präsident der Uni Lübeck es nennt, ein gutes Ergebnis sein wird.

Dass der Wissenschaftliche Dienst des Landtags Ihnen gestern attestiert hat, dass Ihr Gesetz erhebliche Unklarheiten enthält, zeigt, dass Ihre Änderungsanträge mit der heißen Nadel gestrickt sind. Das wird Sie natürlich nicht davon abhalten, das nachher durchzustimmen, aber Sie beschließen damit die Steilvorlage für neue Rechtsstreitigkeiten, Sie generieren Rechtsunsicherheit an den Hochschulen.

(Unruhe)

- Schön, dass Sie sich alle zu Dreiminutenbeiträgen melden, das wird interessant.

(Zurufe)

- Gut, wir sind uns, glaube ich, darüber einig, dass Professor Reinhart Ihnen eher nahesteht als der Opposition, und selbst der hat sehr klare Worte zu Ihrem Entwurf gefunden, dass es keine gute Idee sei, den so zu beschließen.

Dann bleibt noch die Personifizierung des Dialogs, Dr. Ralf Stegner. Er bleibt hart und sagt, alles bleibe, wie es ist, weil man eine Stimme Mehrheit habe. Das mag rechnerisch so sein, das mag dem einen oder anderen das Selbstwertgefühl polieren, weil man macht, was man kann, ob das nun schlau ist oder nicht. Mit Dialog hat das nichts zu tun,

(Beifall PIRATEN, Dr. Axel Bernstein [CDU] und Heike Franzen [CDU])

im Übrigen auch nicht mit politischem Diskurs. Denn dass jeder persönliche Wünsche hat, kann ich akzeptieren, aber die Frage, die wir doch auf Kompromisslinie mit allen Beteiligten beantworten müssen, ist doch die nach dem besten System und nicht nach dem exklusivsten persönlichen Gusto.

Dass wir auch als Fraktion in Teilen sehr unterschiedliche Ansätze haben, ist nicht schlimm. Dass unser Vorschlag zum Diversitätsbeauftragten keine Mehrheit in diesem Haus finden würde, haben wir erwartet. Wir haben da tatsächlich einen ande

ren humanistischen Ansatz. Wir dürfen formulieren und müssen akzeptieren, dass sich die Mehrheit im Haus in den gewollten Rollen wohlfühlt. Gleichstellung heißt für die Mehrheit hier im Haus immer noch Gleichstellung von Mann und Frau. Ganz klar: Die meinen wir auch, aber eben nur auch. Für uns geht es nämlich um die Chancengleichheit für alle Menschen und nicht nur von Mann und Frau.

(Beifall PIRATEN - Heiterkeit)

Insofern sehen wir die Diversitätsfrage tatsächlich im Arbeitsbereich der Gleichstellungsbeauftragten oder des Gleichstellungsbeauftragten.

Dass Sie glauben, mit der gleichen Handbewegung unsere Anregung zum Thema Open Access vom Tisch wischen zu können, hat mich tatsächlich überrascht. Die Hochschulen sind unsere Innovationsmotoren, unsere geistigen und kulturellen Zentren. Dass Open Access daher in das Hochschulgesetz gehört, scheint für mich immer noch obligatorisch, nur die Mehrheit dieses Hauses sieht das nicht so.

Fazit: Mit dieser Regierung wird es im Hochschulbereich keinen Open-Access-Ansatz geben, zumindest nicht im Gesetz. Das ist auch eine Botschaft, die man übermitteln kann, oder haben Sie einfach nicht darüber nachgedacht? Hatten Sie vielleicht gar keine Zeit, unseren Änderungsantrag in Ruhe zu lesen und sich den mal eingehend anzuschauen?

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

- Doch?

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wir haben uns halt dagegen entschieden! - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Kommt vor!)