Die Redezeit aller Fraktionen verlängert sich auf 8 Minuten. - Ich erteile Frau Abgeordneter Anita Klahn für die FDP-Fraktion, die den Änderungsantrag gestellt hat, das Wort.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Ministerin, dass ich 3 Minuten mehr Redezeit habe.
Ich möchte mich dem Dank der Ministerin anschließen, den sie an die Lehrkräfte in diesem Land gerichtet hat. Auch wir, die FDP-Fraktion, sehen mit großem Dank und großem Respekt, was die Lehrkräfte leisten.
Es ist eine große Herausforderung, junge schulpflichtige Flüchtlinge in unserem Land bei nicht unbedingt geklärten Rahmenbedingungen bestmöglich zu versorgen. Das machen sie mit hohem Engagement. Dem kann man gar nicht genug danken.
Frau Ministerin, auch Sie haben bereits formuliert, dass gute Integration nur durch gute Bildung möglich ist. Daraus resultiert natürlich, dass die zunehmende Anzahl von minderjährigen schulpflichtigen Flüchtlingen und eine noch größere Anzahl von Flüchtlingen, die bis zu 25 Jahre alt sind, in ein gutes System der allgemeinbildenden und der beruflichen Schulen integriert werden müssen.
Anders als die Migranten mit mehrjährigen Erfahrungen in Deutschland soll den Flüchtlingen Deutsch beigebracht werden, damit sie die Sprachkompetenzen erhalten; sie sollen aber auch unsere Kultur kennenlernen. Das unterscheidet die Flüchtlinge von der Gruppe, für die DaZ ursprünglich gemacht worden ist. Bei DaZ hatte man darauf gebaut, dass die jungen Menschen bereits viele Jahre hier sind, dass sie Grundkenntnisse in Deutsch haben, aber nicht ausreichende, um den Sprung in das berufliche Leben zu schaffen. Daher ist es richtig, dass sie davon sprechen, diese Kurse anzupassen. Wir müssen schauen, wie man diese besser gestal
Ich honoriere auch ausdrücklich die zusätzlich geschaffenen Lehrerstellen, wobei sich an dieser Stelle die Frage stellt, ob die Stellen mittlerweile alle besetzt worden sind. Auch stellt sich die Frage, ob eine Verteilung der Lehrer an die Schulen erfolgt ist. Denn wir hören von den Schulen, dass es zum Teil noch nicht zu diesen Einstellungen gekommen ist. Die Entlastung findet eben noch nicht statt. Vielleicht können Sie uns darauf noch eine Antwort geben.
Wir hören von den Schulen auch andere unbeantwortete Fragen, wie die Frage danach, nach welchen Kriterien die Flüchtlingskinder an die Schulen und in die Schulstufen verteilt werden. Ich denke, dafür wäre es wichtig, dass wir eine genauere Kenntnis darüber haben, wie die Anzahl von Flüchtlingskindern und Asylsuchenden in den Schulen ist; sie brauchen im Unterricht eine andere Ansprache als Kinder mit mehrjährigen Erfahrungen in unserem Sprach- und Kulturkreis.
Der Bericht gibt dazu leider keine Auskunft. Dabei haben wir ausdrücklich danach gefragt. Wir haben im Vorfeld bereits versucht, dies über eine Kleine Anfrage in Erfahrung zu bringen. Wir haben darin auch gefragt, wie Sie zum Beispiel den Bedarf an Lehrerstellen ermitteln. Sie beantworten die Fragen einfach nicht. Die Antwort darauf fehlt mir auch wieder in dem vorliegenden Bericht.
Im Bericht heißt es, es gebe keine festgelegten Klassengrößen, sondern die Gruppengröße sei von der aktuellen Situation und den Möglichkeiten vor Ort abhängig. Gerade heute ist in der „KN“ die Kritik der GEW-Vorsitzenden Astrid Henke zu lesen, dass im Regelfall 12 Schülerinnen und Schüler 25 Wochenstunden Unterricht erhalten sollen. In der Regel ist es aber eher umgekehrt: 25 Schüler bekommen 10 Wochenstunden Unterricht. Auf diese Art und Weise lässt sich Sprachentwicklung und Integration nicht erfolgreich gestalten.
Landrat Sager aus dem Kreis Ostholstein hat dem Ministerpräsidenten erst vor Kurzem das Problem geschildert, dass bei ihm 80 Jugendliche in einer Klasse seien. Die Antwort ist gewesen: Wir müssen Kompromisse finden, und wir müssen Dinge tun, die uns nicht gefallen. - Das kann es nicht sein.
Grundsätzlich hat es der Bericht mit zielführenden Zahlen nicht wirklich so. Finanzielle Auswirkungen werden nur versatzstückhaft dargestellt, und besonders erschreckend ist für uns, dass die Landesregierung anscheinend wirklich keinen Plan für
eine Bedarfsentwicklung hat. Ich gebe zu, dass das alles schwierig ist. Die Flüchtlinge stehen nicht Schlange und melden sich an, dass sie demnächst kommen werden. Aber wenn Sie schon einen Bericht abliefern, warum liefern Sie in diesem Bericht dann nicht die Zahlen, die Bedarfsberechungen zum Stand der jetzt aktuellen Situation? Ich denke, das hätte das Ministerium mit seinen Mitarbeitern durchaus leisten können. Auch schon seit der Haushaltseinbringung fragen wir nach der Bedarfsentwicklung und bekommen dort keine Antworten. Ich finde, bei diesem Thema ist es völlig inakzeptabel, im Nebel herumzustochern.
Auch bei der außerschulischen Sprachförderung und Integration ist der Bericht sehr einsilbig. Die Landesregierung investiert hier zusätzliche Mittel. Sie haben es eben selbst gesagt.
Konkret bekommen die Wohlfahrtsverbände 1,5 Millionen € zusätzlich. Unklar ist dabei aber, wie viele zusätzliche Maßnahmen tatsächlich geschaffen werden, wie die gewünschte Wirkung sich tatsächlich entfalten kann, wie die Zusammenarbeit mit den kooperiernden Schulen ist? Herr Habersaat, die Projekte, die Sie in Zahlen nennen, sind doch schon vorhanden. Wir können nicht erkennen - und Sie beantworten es einfach nicht -, welche zusätzlichen Maßnahmen mit welchem qualifizierten Personal gemacht werden.
Wir konnten heute auch der Zeitung entnehmen, dass Sie vorhaben, Lehramtsanwärtern zukünftig die zweite Hausarbeit zu erlassen, wenn sie die DaZ-Seminare besuchen und dort eine Abschlussarbeit schreiben. Ich frage mich, ob das mit der Prüfungsordnung wirklich zu vereinbaren ist, denn die Hausarbeitsnote - da zitiere ich § 11 der Prüfungsordnung - soll die im Vorbereitungsdienst exemplarischen Aspekte der eigenen schulischen Arbeit dokumentieren und reflektieren. Ich denke, da müssen Sie uns im Ausschuss noch einmal Antworten geben, wie das zu gestalten ist. Die aktuelle Prüfungsordnung ist erst aus dem letzten Dezember, sie ist also nicht ganz so alt.
Ganz zum Schluss möchte ich noch kurz auf den Antrag der Union eingehen, der ein ganz wichtiges Problem aufwirft und darstellt. Aber auch ich sehe es tatsächlich als schwierig, die Berufsschulpflicht einfach zu verlängern, weil ganz andere Probleme Frau Ministerin ist darauf schon eingegangen - damit verbunden sind. Ich denke, dass wir das eher in ein Schulrecht umwandeln sollten. Das Hauptpro
blem an dieser Stelle ist tatsächlich der Zugang zur Krankenversicherung. Vielleicht lässt sich an der Stelle für berufsbildende Maßnahmen eine ganz einfache Befreiung bei den Krankenkassen erreichen. Da müssen wir ins Sozialgesetzbuch schauen. Ich denke, an der Stelle müssen wir im Ausschuss darüber nachdenken.
Die Berufsschulen haben sich auf den Weg gemacht, die Jugendlichen, die zwei bis drei Jahre brauchen, bevor sie ausreichende Sprachkenntnisse haben, auf dem Weg zu begleiten und gleichzeitig zu schauen, welche beruflichen Qualifikationen sie bereits mitbringen und welche Interessenlagen sie haben. Auch an dieser Stelle hätte ich mir tatsächlich aus dem Bericht schon erhofft, konkrete unterstützende Maßnahmen von Ihnen zu finden. Sie haben gesagt, Sie seien jetzt dabei, alles zu entwickeln. So ganz neu ist die Flüchtlingskrise nicht. Ich hätte vom Ministerium an dieser Stelle schon etwas mehr an Antworten erwartet. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal, Frau Ministerin, danke ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern ganz herzlich für den vorgelegten Bericht. Ebenso schließe ich mich natürlich auch dem Dank meiner Vorredner an unsere Schulen, an die Schulleitungen, an die Lehrer und an die vielen ehrenamtlichen Unterstützer an. Hier ist wirklich gerade in diesem Bereich in den vergangenen Jahren Hervorragendes geleistet worden. - Herzlichen Dank.
Ihr Bericht ist sehr informativ, aber natürlich - die Kollegin Klahn hat es eben angesprochen - wirft er auch noch eine Menge Fragen auf. Aber ich denke schon, er ist eine Grundlage, auf der wir in den nächsten Monaten auch weiterarbeiten können.
Er macht vor allem auch deutlich, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen wir bei der Integration von Flüchtlingen in unser Bildungssystem stehen. Wir wissen: Auch in diesem Jahr werden Menschen hier in unserem Land Schutz suchen. Unter diesen werden viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche sein - mit höchst unterschiedlichen
Voraussetzungen. Einige von ihnen haben noch nie eine Schule besucht. Andere bringen bereits Vorkenntnisse mit, also ergeben sich unterschiedliche Herausforderungen an unser Schulsystem und unsere Lehrkräfte. Für all dies müssen wir Lösungen finden. All dies müssen wir möglichst schnell schaffen.
Bildung, Ausbildung und Arbeit sind die wesentlichen Schlüssel für eine erfolgreiche Integration. Aus diesem Grund müssen wir alles tun, um Teilhabechancen an Bildung zu sichern. Die im vorliegenden Bericht aufgeführten Möglichkeiten eines Nachteilsausgleichs bei Abschlussprüfungen und der sogenannten Herkunftssprachenprüfung sind sicherlich ein richtiger Schritt. Ebenso wichtig ist natürlich die frühzeitige Unterrichtung in unseren Erstaufnahmeeinrichtungen. Darüber haben wir bereits im vergangenen Jahr häufig diskutiert. Wir begrüßen es sehr, dass es hier nun tatsächlich auch möglich wird, dieses zunehmend durchzuführen.
Allerdings wissen wir, dass bereits heute viele Klassen im Bereich Deutsch als Zweitsprache überfüllt sind und auch die Lehrkräfte vielerorts an ihre Grenzen stoßen. An der Stelle möchte ich natürlich schon einmal daran erinnern, dass wir in unseren Haushaltsanträgen 480 Lehrerstellen zur Beschulung von Flüchtlingskindern bereitstellen wollten,
um die Situation vor Ort zu verbessern. Sie haben diesen Haushaltsantrag abgelehnt. Heute könnten wir diese Lehrerstellen sehr gut brauchen.
- Herr Habersaat, auch wenn Sie noch so temperamentvoll ans Mikrofon laufen, ich lasse keine Zwischenfragen zu.
(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Anita Klahn [FDP] - Martin Habersaat [SPD]: Bes- ser ist das!)
Spricht man mit Betreuern und Flüchtlingen vor Ort, wird noch ein weiteres Problem deutlich: Viele der zu uns flüchtenden Menschen sind zu alt, um in unser Schulsystem aufgenommen werden zu können. Doch ebenso fehlt vielen von ihnen die Voraussetzung für eine unmittelbare Arbeitsaufnahme. Aber auch diese Menschen müssen und wollen wir integrieren; denn auch sie können die Fachkräfte
von morgen oder übermorgen sein. Auch das haben wir hier schon häufig angesprochen. Dazu müssen wir diesen Menschen aber auch die Möglichkeit geben, an unseren Berufsschulen fit für die Arbeitsaufnahme gemacht zu werden.
Ohne einen in Deutschland anerkannten Schulabschluss ist die Integration in den Arbeitsmarkt jedoch nur schwer möglich. Genau hier müssen wir ansetzen. Deshalb wollen wir mit unserem Antrag die Altersgrenze der Schulpflicht auf 25 und in Ausnahmefällen auf 27 Jahre anheben, und diesen Menschen damit also auch ein Recht auf Schulbildung einräumen. Besonders freut es mich, dass wir dazu auch die Unterstützung des Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein, Herrn Schmidt, erhalten haben. Ebenso gefreut habe ich mich über die Unterstützung der Landesarbeitsgruppe Migration und Arbeit Schleswig-Holstein. - Vielen Dank, Herr Döring.
Natürlich ist uns bewusst, dass uns eine Ausweitung der Schulpflicht und damit das Recht auf Unterricht vor große Herausforderungen stellt. Aber gerade weil diese Herausforderung so groß ist, ist es doch besonders wichtig, dass wir uns ihr jetzt und heute stellen.
Ich verweise hier im Übrigen auch einmal auf den Flüchtlingspakt der Landesregierung, auf die Seiten 37 und 38, in dem Sie dieses Problem schon angesprochen hatten. Das Problem hat durchaus noch weitergehende Folgerungen, nämlich dann, wenn diese jungen Menschen in Praktika gehen und während eines Praktikums das 18. Lebensjahr vollenden. Dann bekommen wir große rechtliche Probleme, im Übrigen nicht nur diese jungen Menschen, sondern auch die sie einstellenden Firmen oder auch die Schulleitungen.
Ich muss an der Stelle etwas gestehen, was kein Geheimnis ist - die Kollegen gucken auch schon -: Ich bin nicht die ausgewiesene Bildungspolitikerin meiner Fraktion. Mir ist auch vollkommen klar, dass das alles ein sehr komplexes Thema ist. Sie selbst hatten das angesprochen, Frau Ministerin. Aber aus Ihren Ausführungen ist auch mir als bildungspolitischem Laien doch deutlich geworden, dass Sie eine Möglichkeit finden müssen, um das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.
Ich glaube, das Thema ist es wert, dass wir es ausführlich im Bildungsausschuss diskutieren. Da werden dann auch unsere Fachleute wieder dabei sein; denn wir alle wissen aus den Gesprächen, die wir im vergangenen Jahr mit den Praktikern vor Ort geführt haben - wir haben das in einer Flüchtlingskonferenz übrigens ebenfalls thematisiert -, dass das ein Thema ist, das die Menschen vor Ort drückt und wo wir dringend Abhilfe schaffen müssen. Es kann nicht sein, dass wir gerade diese große Gruppe der jungen Menschen zwischen 18 und 27 sich selbst überlassen und nicht alles unternehmen, um ihnen hier die notwendige Unterstützung an die Hand zu geben. Deshalb bitte ich um Ausschussüberweisung und bin gespannt auf die Ergebnisse der Diskussion. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.