Bei solchen Vorhaben gibt es vorher immer Bedenken: Kann man das denn machen? Bricht da die Welt zusammen? Kommen die apokalyptischen Reiter vorbei? Werden die Wahlen vollkommen unnachvollziehbar? - Ich glaube, wenn wir es erst einmal gemacht haben, werden sich viele dieser Bedenken in Luft auflösen.
Ich bin mir ziemlich sicher: Nach den nächsten Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein werden auch die Bedenkenträger im Bund ihre Position räumen müssen. Dann erfüllen wir endlich die UN-Behindertenrechtskonvention. Das ist das Signal, das von diesen beiden Landtagen in dieser Woche ausgeht.
Für Menschen, die keine oder nur eine eingeschränkte Lesefähigkeit haben, wird es zukünftig bei der Listenstimme Parteilogos geben. Darüber mussten wir eine Weile lang nachdenken, denn wir können ja Einzelbewerber nicht benachteiligen. Deswegen kann es das leider nur bei der Listenstimme geben.
Zudem werden die Wahlinformationen in Leichter Sprache sowie in den wichtigsten Migrantensprachen zur Verfügung gestellt. Wer sich das einmal anschauen möchte - die Regierung hat schnell gearbeitet -: Ein entsprechender Verordnungsentwurf liegt in Ihren Fächern. Nachdem ich das gesehen habe, bin ich auch froh. Ehrlich gesagt, finde ich diese Briefe in Leichter Sprache gar nicht so unleserlich. Ich finde es sogar sehr leserlich. Ich kann das für StuPa-Wahlen nur empfehlen. Das dürfte die Wahlbeteiligung entsprechend erhöhen.
Im Volksabstimmungsrecht wird es bei konkurrierenden Vorlagen die Möglichkeit geben, beiden zuzustimmen; wir ermöglichen Online-Eintragungen, und zwar nur authentifiziert - das ist Herrn Breyer natürlich zu wenig, das ULD findet das, auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten, gut - und wir ermöglichen die freie Straßensammlung.
Das war es dann auch schon an gewaltigen Sachen, liebe Kollegen von der CDU, also dass man über Volksinitiativen auch alternativ abstimmen kann. Das, was beim Gottesbezug hier im Parlament gemacht wird, könnte man zukünftig auch bei einer Volksinitiative machen. Geben Sie sich einen Ruck, wenn das das Einzige ist, was Sie an Neuregelungen nicht gut finden! Auch wenn Sie nicht alles bekommen haben, können Sie dem doch zustimmen.
Zu den anderen Dingen hatte ich schon etwas gesagt. Alle wissen, wenn man Sperrklauseln und ähnliche Dinge einführen will, bedarf es einer verfassungsändernden Mehrheit. Ich glaube, beim Wahlrecht sollte man pragmatisch das machen, was den größtmöglichen Konsens hat, und nicht die Dinge, die man einzeln für richtig hält. Das Wahlrecht betrifft uns alle. Der größtmögliche Konsens bedeutet eben vielleicht einen kleineren Fortschritt, als der eine sich das wünscht, aber vielleicht auch einen Fortschritt, der gerade so klein ist, dass andere ihn noch ertragen und vor allem mittragen können. Insofern hoffe ich auf einen konstruktiven Teil der Debatte und vor allen Dingen, dass die Kollegen von der FDP von ihrem generellen Nein abgehen.
Wir können über die Artikel einzeln abstimmen lassen, sodass Sie zumindest zustimmen, dass die Kommunen Konnexitätsausgleich bekommen. Das fand ich noch den ungewöhnlichsten Teil in der Abstimmung. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
vermute ich einmal, dass man sich in keiner anderen Wahlperiode dieses nun seit 70 Jahren bestehenden Hauses so oft mit dem Wahlrecht beschäftigt hat wie in der 18. Legislaturperiode: Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf der Kommunalebene, Wahlalter 16 im Landtagswahlrecht, Änderung der Quoren bei Volksinitiative und Volksentscheid in der Landesverfassung, intensive Debatte über die Abschaffung der Fünfprozentsperrklausel im Landtagswahlrecht, Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung und mögliche Gegenstrategien mit all dem haben wir uns in der 18. Wahlperiode bereits umfangreich auseinandergesetzt. Jetzt liegt in zweiter Lesung ein weiteres wahlrechtliches Dickschiff - zumindest, was den Umfang angeht im Hafen, um rechtzeitig vor der anstehenden Landtagswahl auf die Reise zu gehen.
Es umfasst eine Vielzahl von Änderungen, von dokumentenechten Stiften in den Wahlkabinen über das Wahlrecht behinderter Menschen, über Verkürzungen bei den Sesshaftigkeitserfordernissen für aktives und passives Wahlrecht bis hin zu Erleichterungen bei der Briefwahl und bei der Unterschriftensammlung für Volksinitiativen. In allen Details dieses Artikelgesetzes geht es um Verbesserungen, Erleichterungen und Erweiterungen im Wahlrecht, dem zentralen Grundlagenrecht einer Demokratie. Für das Wahlrecht und damit für die Demokratie war die 18. Wahlperiode bisher eine gute Zeit, meine Damen und Herren.
Dass es aber immer nur vorangeht, ist aber leider nicht ausgemacht - wie das vorliegende Gesetzgebungsverfahren ebenfalls zeigt. Ich spreche von dem Vorstoß der CDU, im Kommunalwahlrecht wieder eine Sperrklausel einzuführen. War die CDU in ihrem Änderungsantrag vom 17. November 2015 noch zurückhaltend und forderte eine Klausel von 2,5 %, legte sie jetzt noch einmal kräftig nach und fordert nun 4 %.
Ermuntert wurde sie durch den Vorsitzenden des Städtetages, Bernd Saxe, Bürgermeister von Lübeck. Der hat mit seiner Bürgerschaft offenbar ein paar Probleme und meint, die Stadt stehe am Rande der Unregierbarkeit.
Ob das allerdings kausal auf das Fehlen einer Sperrklausel zurückzuführen ist, sollte Herr Saxe vielleicht einmal mit einem durchaus auch selbstkritischen Blick auf die Dinge zu ergründen suchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mich an dieser Diskussion wirklich ärgert, ist der Umstand, dass sich die Befürworterinnen und Befürworter der Sperrklausel nicht die geringste Mühe machen, die einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Fünfprozentsperrklausel im Kommunalwahlrecht vom 13. Februar 2008 zu lesen. Das erbost mich auch persönlich, weil ich als Anwalt der Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht dafür gestritten habe, der Fünfprozenthürde im Kommunalwahlrecht das Ende zu bereiten. Sie wissen, das war erfolgreich.
Danach ist die Rechtslage völlig sonnenklar. Eine Sperrklausel im Kommunalwahlrecht ist nur dann gerechtfertigt, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungen zu erwarten ist. Dabei muss eine konkrete Gefährdung in der realen kommunalen Welt nachgewiesen werden, und zwar landesweit. Es reicht absolut nicht aus, wenn Herr Saxe in Lübeck meint, er kommt mit seiner Bürgerschaft nicht mehr zurecht.
Wenn die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU in einer Presseerklärung vom 2. Juni diesen Jahres erneut die alte Platte auflegt, durch das Fehlen einer Sperrklausel werde rechts- und linksextremen Gruppierungen der Einzug in die kommunalen Vertretungen erleichtert, dokumentiert sie nur ihre absolute Erkenntnisresistenz. Auch in diesem Punkt ist das Urteil vom 13. Februar 2008 eindeutig. Ich zitiere aus der Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts:
„Die Fünfprozentsperrklausel kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie dem Zweck diene, verfassungsfeindliche oder (rechts-) extremistische Parteien von der Beteiligung an kommunalen Vertretungsorganen fernzuhalten. … Für die Bekämpfung verfassungswidriger Parteien steht das Parteiverbotsverfahren zur Verfügung.“
Viel spannender war für mich dagegen die Diskussion um die Ersatzstimme, die von den PIRATEN ins Spiel gebracht wurde. Leider konnte sich keine Mehrheit für diesen bemerkenswerten Versuch erwärmen, den mit einer Fünfprozenthürde bei Landtagswahlen verbundenen Stimmenverlust wenigstens abzumildern. Ich sehe das als einen Auftrag für die kommende Wahlperiode an. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Beschlussempfehlung sind eine Reihe von Punkten zusammengefasst worden. Ich möchte an dieser Stelle nicht alle Aspekte, die schon einmal erörtert worden sind, noch ein weiteres Mal ansprechen, und will mich daher speziell mit einem Thema befassen, das sehr wichtig ist, für das die vorgeschlagene Wahlrechtsänderung jedoch nach unserer Auffassung keine befriedigende Lösung bietet. Es geht um das Wahlrecht für Menschen unter Vollbetreuung.
Sicher kann man darüber nachdenken, ob die Ausschlussregelungen nach § 7 Absatz 2 des Landeswahlgesetzes noch zeitgemäß sind. Es ist aber aus unserer Sicht zweifelhaft, ob eine bloße Streichung dieses Paragrafen den damit verbundenen Problemen wirklich gerecht wird. Wenn Personen das Wahlrecht erhalten, die zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung in keinem Bereich mehr fähig sind und die daher in Betreuungsverhältnissen leben, so eröffnet dies die Möglichkeit zur Manipulation bei der Stimmabgabe und zu einer totalen Fremdbestimmung, die mit demokratischen Prinzipien nach meiner Überzeugung nicht vereinbar sind. Deshalb muss man sich, wenn man hier Änderungen erreichen will, etwas mehr Gedanken machen als diejenigen, die den jetzigen Vorschlag eingebracht haben.
Im Übrigen ist weder im Bundeswahlgesetz noch im Landeswahlgesetz bisher davon die Rede, dass Wahlrechtsausschlüsse durch eine Behinderung be
gründet werden könnten. Die Behauptung, die angestrebte Änderung sei wegen der UN-Behindertenrechtskonvention erforderlich, entbehrt zumindest von daher aus meiner Sicht einer unmittelbaren Rechtfertigung.
Meine Damen und Herren, der Piratenantrag zur Einführung einer Ersatzstimme wird von uns abgelehnt, weil er nicht zuverlässig mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl in Einklang zu bringen ist und weil er außerdem unser Wahlrecht unnötig verkomplizieren würde.
Nein, jedenfalls jetzt nicht! - Was den weiteren Piratenantrag zu Bürgerentscheiden auf Amtsebene betrifft, so ist dazu meiner Ansicht nach in dieser Aussprache das Nötige bereits gesagt worden.
Ich kann mich dem Kollegen Burkhard Peters nur dahin gehend anschließen, dass die Probleme, die die sogenannten großen Parteien - die ja mittlerweile tendenziell eher mittelgroße Parteien geworden sind - gelegentlich haben, nicht durch Änderung des Wahlgesetzes behoben werden können. Wenn sie sie beheben wollen, müssten sie sie durch eine überzeugendere Politik beheben.
Die Lübecker Bürger können beispielsweise die Schwierigkeiten, die Herr Saxe nach eigenem Bekunden in der Lübecker Bürgerschaft hat, auch dadurch lösen, dass sie bei nächster Gelegenheit einen anderen Bürgermeister für die Hansestadt wählen.
(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP], Uli König [PIRATEN] und Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN] - Zurufe SPD)