Protocol of the Session on December 15, 2016

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Es war einmal gute Tradition in diesem Haus, die Energiewende und auch die Windkraftpläne fraktions- und parteiübergreifend nach vorne zu bringen.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, aber sinnvoll!)

Sie erinnern sich: Wir haben Ihre Landesplanung auch übernommen, und wir haben diese nicht in die Tonne getreten, sondern diese wurde vom OVG in die Tonne getreten. Also, seien Sie wieder mit an Bord, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, statt dieses wichtige Thema für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rund 900.000 € am Tag bezahlen die Stromkunden für Strom aus Schleswig-Holstein, der gar nicht produziert wird. 64 % der bundesweiten Abregelung entfällt auf Schleswig-Holstein, die Mutter aller Netzengpassgebiete. Im Jahr 2015 waren das 2.934 GWh, und 90 % davon betreffen Windstrom.

Was macht die Landesregierung in Anbetracht dieser Zahlen? Sie schreibt planwirtschaftlich fest, dass es aktuell knapp 3.100 Windkraftanlagen und bis 2025 3.600 werden sollen. Dabei wird schon heute Strom in einer Größenordnung abgeregelt, die die Landesregierung bis zum Jahr 2020 an Windenergie onshore zubauen will.

Die Landesregierung plant darüber hinaus an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei mit viel zu kurzen Abstandsregelungen; Gesundheitsschäden und Wertverluste von Immobilien werden billigend in

(Eka von Kalben)

Kauf genommen. So, meine Damen und Herren, kann es definitiv nicht weitergehen.

(Beifall FDP)

Blicken wir noch einmal knapp zwei Jahre zurück. Das bereits genannte OVG-Urteil vom Januar 2015 hat uns alle überrascht, das ist klar. Natürlich musste gehandelt werden. Dann hat die Regierung in Windeseile, ohne eine richtige Anhörung, eine Änderung des Landesplanungsgesetzes herbeigeführt. Besonders bemerkenswert daran fand ich, dass die CDU-Fraktion diesen Gesetzentwurf damals zusammen mit der Koalition eingebracht hat.

(Beifall FDP - Zurufe CDU)

Das gehört auch zur Geschichte dazu. Ich weiß, dass Sie das nicht mehr hören wollen, aber Sie haben die Vorlage von Herrn Albig eins zu eins übernommen, ohne auch nur ein Wort zu ändern. Ich glaube, das war ein Novum hier im Haus, dass die größte Oppositionsfraktion das einfach so blind mitgemacht hat.

(Beifall FDP - Martin Habersaat [SPD]: Das war vernünftig! - Weitere Zurufe SPD)

- Ja, natürlich. Es gab eine schlüssige Begründung. Die Begründung war laut Pressemitteilung vom 28. April 2015 - ich empfehle jedem, die noch einmal zu lesen -: Die CDU vertraut Ministerpräsident Torsten Albig. Das war damals die Begründung.

(Beifall FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das war ein Moment der Vernunft! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie vertrauen ja auch dem Bankenvorstand der HSH Nordbank!)

Herr Ministerpräsident, dass Sie jetzt ein Anhörungsverfahren machen, ist sicher gut und richtig. Aber in Wahrheit ist das natürlich auch eine Selbstverständlichkeit.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen?

Bitte schön.

Nur um Licht in den historischen Dschungel hier zu bringen, wollte ich noch

einmal darauf hinweisen, dass die Argumentation der FDP damals keineswegs inhaltlich war, sondern nur formell dahin ging, dass die Beteiligungsverfahren nicht schnell genug laufen. Wir standen damals aber unter dem Druck, rechtzeitig zu reagieren, um nicht das Urteil wirksam werden zu lassen, sodass damit sozusagen der § 35 BauGB, privilegiertes Bauen, gegriffen hätte. Der sogenannte Wildwuchs hätte dann um sich gegriffen. Das galt es zu vermeiden. Insofern fand ich auch in der historischen Nachschau das Verhalten der CDU außerordentlich verantwortungsbewusst.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Wir können uns schon selbst verteidigen, lieber Detlef, dazu brauchen wir euch nicht! - Heiterkeit)

Aber jedenfalls hat die FDP damals in den Debatten kein inhaltliches Argument dagegen genannt.

Lieber Herr Matthiessen, wir hätten aber gern noch eine richtige Anhörung durchgeführt. Ich glaube nicht, dass hier innerhalb von zwei Wochen Wildwuchs entstanden wäre. Sie haben das einfach nur durchgepeitscht, haben nur auf den einen Gutachter gehört, und das finde ich nach wie vor falsch.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine weitere Frage, ist das so weit beantwortet?

Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass ein Antrag gemäß § 49 BImSchG hätte gestellt werden können, und dann wäre der Standort planerisch gesichert gewesen. Das mit dem Wildwuchs war damals kein konstruiertes Argument, sondern ein reales.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Eine falsche Be- hauptung!)

Okay. Damit ist also sozusagen Ihre Bemerkung beendet. - Jetzt habe ich die Frage, ob sich auch die Frau Abgeordnete Nicolaisen zu Wort melden darf, Herr Abgeordneter Kumbartzky.

(Oliver Kumbartzky)

Sehr gern.

Bitte schön.

Ja, Herr Kollege Kumbartzky. Ich schließe mich den Ausführungen meines Kollegen

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Matthiessen!)

- Matthiessen; danke - vollumfänglich an. Ich wüsste von Ihnen gern, welche Alternative Sie uns genannt hätten. Denn der Wildwuchs wäre definitiv nicht zu verhindern gewesen. Welche Alternative hätten Sie uns denn unterbreiten wollen, die Sie uns nicht unterbreitet haben?

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich sagte eben schon zu Ihrem Freund und Partner, Fast-Koalitionspartner, Detlef Matthiessen - Sie sind hier gerade so verbrüdert -, dass wir eine intensive Anhörung hätten durchführen können. Ich halte es übrigens auch für falsch, dass das nicht vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen worden ist. Das hätte man vielleicht einmal tun sollen.

(Zurufe SPD und CDU)

- Das war die Alternative. Sie haben nur blind auf einen einzigen Gutachter gehört. Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, aber so ist es, Detlef Matthiessen. Sie haben nur auf den einen gehört.

So, jetzt komme ich aber einmal ins Hier und Jetzt, zum Anhörungsverfahren, das bald beginnt. Es ist wie gesagt - eine Selbstverständlichkeit, dass das kommt. Problematisch ist aber - und das hat die CDU vor lauter Vertrauen in den Ministerpräsidenten damals so mit beschlossen -, dass trotz landesplanerischer Veränderungssperre eine Ausnahmegenehmigung nach der anderen erteilt wird. Es gibt als de facto gar kein Windkraftmoratorium, es werden weiterhin Windkraftanlagen vom Land genehmigt, und zwar über die von Ihnen beschlossene Ausnahmeregelung des § 18 a Landesplanungsgesetz. Bisher sind so über 200 Windkraftanlagen-Genehmigungen erteilt worden. Derzeit liegen Anträge für weitere 229 Windkraftanlagen vor, die bereits vor Inkrafttreten der neuen Regionalpläne genehmigt werden können. Also auch während des laufenden Moratoriums und während des laufenden

Anhörungsverfahrens können Windkraftanlagen genehmigt und gebaut werden.

Meine Damen und Herren, den Bürgerinnen und Bürgern wird der Eindruck vermittelt, sie könnten an den Plänen noch etwas ändern, während zugleich - quasi durch die Hintertür - intensiv Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, und zwar theoretisch auch in Gebieten, die derzeit gar nicht als Vorranggebiet ausgewiesen sind oder mit Stand heute Vorranggebiet sind und nach der Anhörung vielleicht wegfallen. So wird das Beteiligungsverfahren mehr oder weniger torpediert.

(Beifall FDP)

Und nun unsere konkreten Forderungen, auf die Sie ja warten: Wir fordern, dass vor dem Hintergrund möglicher Planungsänderungen der bisher von der Landesregierung betriebene Ausbau der Windenergie an der Bevölkerung vorbei über die Ausnahmegenehmigungen während des nun startenden Anhörungsverfahrens so weit wie möglich eingeschränkt wird. Es kann nicht sein, dass den Bürgerinnen und Bürgern Einflussmöglichkeiten suggeriert werden, während gleichzeitig mithilfe von Ausnahmegenehmigungen oder Sonderregelungen Fakten geschaffen werden.

Hinzu kommt: In Wahrheit stellt das Anhörungsverfahren ohnehin nur ein Minimum der Mitwirkung dar. Denn einwenden dürfen die Bürgerinnen und Bürger nur abwägungserhebliche Belange. Die hat die Landesplanung von Gesetzes wegen aber ohnehin schon geprüft. Im Anhörungsverfahren können also faktisch nur fachliche Fehler der Landesplanung korrigiert werden.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, was denn sonst? - Weitere Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Ja, es ist ja gut, dass die Möglichkeit besteht. Hoffen wir einmal, dass davon intensiv Gebrauch gemacht wird. Aber, Herr Matthiessen, das ist nicht genug. Demokratische Entscheidungen sollten doch akzeptiert und berücksichtigt werden, ob raumordnungsrechtlich begründet oder nicht.

(Zuruf Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])