Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann hat der älteste vorliegende Antrag Vorrang. Deshalb hat die FDP-Fraktion und für sie der Abgeordnete Christopher Vogt das Wort.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skipper! - Zuruf Wolfgang Ku- bicki [FDP] - Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du hast einen Führer- schein, er hat keinen Bootsführerschein!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie ungern stören, aber ich werde jetzt mit meiner Rede beginnen.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Die vorliegenden Anträge verfolgen, wenn ich das richtig gesehen habe, im Großen und Ganzen dasselbe Ziel, nämlich das maritime Erbe in Schleswig-Holstein zu bewahren und zu schützen. Aus Berlin, genauer gesagt aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, droht leider immer noch Ungemach in Form eines Verordnungsentwurfs. Die FDP-Fraktion hat - wie offenbar auch die anderen Fraktionen mit Ausnahme der PIRATEN interessanterweise, ich dachte immer, dass die eigentlich aus der Schifffahrt kommen

(Uli König [PIRATEN]: Wir hätten dem ein- fach zugestimmt!)

die Gefahr, die mit den geplanten Änderungen bei den schiffssicherheitsrechtlichen Vorschriften für die Traditionsschifffahrt einhergehen, erkannt und will diese verhindern. Denn mit der neuen Richtlinie sollen Standards aus der Berufsschifffahrt auf Traditionsschiffe übertragen werden, obwohl historische Schiffe diese kaum erfüllen können - aus naheliegenden Gründen.

Mir haben Experten - ich habe nur einen einfachen Segelschein, deswegen würde ich mich da nicht einbeziehen -, die sich mit Traditionsschiffen auskennen, versichert, dass diese Verordnung nicht zu mehr Sicherheit an Bord führen würde, sondern nur zu deutlich mehr Bürokratie. Es sollen unnötig Be

satzungsvorschriften und bürokratische Hürden in ungeahnte Höhen geschraubt werden, sodass viele Betreiber aufgeben müssten, oder sie würden gezwungen, unter anderer Flagge zu segeln. Vielleicht ist Ihnen - zum Beispiel schon einmal während der Kieler Woche - aufgefallen, dass die meisten älteren Schiffe schon heute eine niederländische Flagge haben. Das muss nicht sein, und das kann nicht die Lösung des Problems sein.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind übrigens keine Traditi- onsschiffe!)

- Herr Dr. Tietze, in der Regel werden Traditionsschiffe gemeinnützig und aus ideellen Gründen betrieben. Viele hundert ehrenamtlich Tätige bemühen sich um den Erhalt der Traditionsschiffe, um Freunden der Schifffahrt, Interessierten und gerade auch der jüngeren Generation diese Technik zugänglich zu machen. Man sollte aus unserer Sicht deren Engagement würdigen und unterstützen und ihnen nicht ohne jede Not Knüppel zwischen die Beine werfen. Es sollen nun aber die Anforderungen bei der baulichen und technischen Ausstattung, bei der Ausbildung der Besatzung und bei der Dokumentation derart verschärft werden, dass es für viele Betreiber schlichtweg nicht mehr leistbar ist.

Bekanntermaßen haben die norddeutschen Bundesländer im Bundesrat immerhin schon einen Antrag verabschieden lassen, wonach diese Richtlinie nochmals überarbeitet werden soll. Dass die Bundesregierung dieses Ansinnen bisher ignoriert, finde ich, ehrlich gesagt, unerhört.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Meyer, es ist ja spannend, und es gibt manchmal Zufälle im Leben: Wir haben diesen Tagesordnungspunkt heute auf der Tagesordnung, und die Nordminister haben heute noch einmal einen Brief an Herrn Dobrindt geschrieben, um an ihr Anliegen zu erinnern. Da kann es ja nur helfen - vielleicht hilft Ihnen das, bei Herrn Dobrindt Gehör zu finden -, wenn der Schleswig-Holsteinische Landtag einen einmütigen Beschluss dazu fasst.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Die Sichtweise des zuständigen Ministeriums scheint doch eindeutig im süddeutschen Raum beheimatet zu sein. Dass Herr Dobrindt die historischen Ausflugsdampfer auf dem Königssee bei Berchtesgaden für die Touristen sicherer machen will: Geschenkt, das soll er gerne machen. Aber er soll das eigentliche maritime Erbe, das an Nord- und Ostsee beheimatet ist, doch bitte in Ruhe lassen und nicht zerstören.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

(Beifall FDP, vereinzelt SPD, Beifall Uli Kö- nig [PIRATEN] und Jette Waldinger-Thier- ing [SSW])

Meiner Fraktion liegt das auch deshalb sehr am Herzen, weil es ein wichtiger Tourismusfaktor für unser Bundesland ist. Nur ungern möchte ich das Ansinnen des Antrags der regierungstragenden Fraktionen schmälern, aber lediglich zu begrüßen, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für die maritime Tradition in Schleswig-Holstein einsetzt, ist aus meiner Sicht doch ein bisschen dünn. Angesichts der Faktenlage ist das ein bisschen dünn.

(Beifall FDP)

Ich finde wirklich - wir haben das schon bei anderen, gerade verkehrspolitischen Themen gesehen -, die Sozialdemokratie Schleswig-Holsteins - der Ministerpräsident, der Verkehrsminister, der stellvertretende Bundesvorsitzende - sollte sich jetzt langsam in Berlin auf die Hinterbeine stellen

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU] - Zuruf Regina Poersch [SPD])

und im Sinne Martin Schulz‘ Herrn Dobrindt einmal die Zähne zeigen, Herr Dr. Stegner. Es ist auch mir völlig schleierhaft - abschließend -, Kollege Arp: Es ist ja schon einmal ein Fortschritt

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Ich kann nichts dafür. Wenn die Union sich so benimmt, muss man sie zur Ordnung rufen. - In der Bremischen Bürgerschaft gab es auch einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion. Dort hat die CDU einen Änderungsantrag gestellt. Ein Teil der Verordnung wurde entschärft. Es sei ein toller Kompromiss entstanden, den man mittragen könne. Hier habe ich Ihren Unionsantrag anders verstanden, Herr Kollege Arp. Wenn wir heute einen gemeinsamen Beschluss fänden, würde ich mich freuen, wenn Sie als Landes-CDU endlich einmal etwas bei Herrn Dobrindt durchsetzten. Das wäre wirklich schön. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Jörn Arp das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Vogt, es ist bedauerlich, dass die FDP nicht mehr im Bundestag ist. Das sage ich Ihnen aus tiefer Überzeugung.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP] - Christo- pher Vogt [FDP]: Vorübergehend!)

Diese Stimme fehlt. Aber Sie werden irgendwann wieder in die Regierungsverantwortung kommen, und dann werden wir Sie für alles, was dort in Berlin gemacht wird, in die moralisch-politische Verantwortung nehmen.

(Zurufe FDP)

Aber darüber wollen wir jetzt nicht diskutieren. Sie hatten jetzt zweimal das Glück, bei den Entscheidungen in Berlin nicht in der Verantwortung zu sein.

Mein Verhältnis zu Herrn Dobrindt ist übrigens nicht so gut, dass er mich bei jeder Entscheidung anruft. Er kommt immer wieder an und fragt: Wie ist das mit dem Geld für neue Autobahnen? Kann ich das jetzt endlich überweisen? - Dann sage ich: Nein, das geht nicht; Herr Meyer hat wieder einmal nicht geplant.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, worüber reden wir? Wir haben in Schleswig-Holstein einen tollen Blick auf die Kieler Förde. Einen tollen Blick haben wir auch in Lübeck, in Flensburg und auch an der Nordsee. Und was macht es besonders attraktiv? Dass wir Traditionsschiffe haben. Sie gehören zu unserem Land wie die Berge zu Bayern, und so wollen wir es auch behalten.

Die Tradition, die damit gepflegt wird, ist das Erkennungsbild für Schleswig-Holstein. Deshalb setzt sich die CDU Schleswig-Holsteins weiterhin für den Erhalt dieser Museumsschiffe ein.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Es geht um die Kieler Woche, um die Travemünder Woche, um die Rumregatta in Flensburg. All das kann ich mir ohne Traditionsschiffe nicht vorstellen. Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Es soll so bleiben, wie es ist. Gleich komme ich darauf, wie wir das erreichen können.

Es geht um den Erhalt des Tourismusstandorts und um die Identität unseres Landes. Diese Dinge sind wichtig. Aber es gibt einen weiteren Aspekt. Vielfach werden diese Schiffe von ehrenamtlichen Organisationen gefahren und betrieben. Dies ge

(Christopher Vogt)

schieht unter anderem in Wedel; auch in Elmshorn liegen hin und wieder solche Schiffe. Herr Grobe, der ehemalige Hauptgeschäftsführer der IHK in Elmshorn, betreibt einen großen Verein, um insbesondere Jugendliche an die Tradition des Segelsports heranzuführen. Allein das ist ein Faktor, den wir nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Junge Menschen können sich eine solche Reise nicht leisten, wenn sie nicht von vielen Ehrenamtlichen organisiert wird. Deshalb findet auch dieser Bereich unsere Unterstützung.

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

- Danke, Volker! - Die Frage der Sicherheit spielt natürlich eine Rolle. Aber ich sage auch: Man muss einmal Bilanz ziehen. Was ist denn in den letzten 15 Jahren auf den Traditionsschiffen geschehen? Wie oft ist denn jemand verletzt worden? Jetzt geht es um den Handlauf, um Eisentüren und viele andere Dinge. Aber was nützt eine Eisentür, wenn auf einem Holzschiff rundherum doch wieder nur Holz ist? Das Holz brennt weiter ab. Die Sicherheitsstandards halte ich für sehr fraglich.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Nun zu den Fragen der Kosten, meine Damen und Herren. Diese Schiffe sind eben in der Unterhaltung teuer, aber nur so zu führen, dass man sie bei großen Events einsetzt. Nur dann fahren sie - ganz gleich welches Schiff - einen Teil ihrer Kosten wieder herein. Schauen Sie sich einmal die Auslaufregatta anlässlich der Kieler Woche an! Überwiegend sind es Schiffe, die nur aus den Einnahmen dieser Wochen finanziert werden und ansonsten mehr oder weniger vor Ort liegen und nicht genutzt werden. Deswegen brauchen wir sie so, wie sie heute sind.

Frage: Was machen wir? Kriegen wir eine Übergangsregelung hin? Ich meine, solange in Holland, in Dänemark und in Frankreich Traditionsschiffe unter französischer, holländischer oder dänischer Flagge fahren, haben wir keinen Grund, in Europa andere Standards anzusetzen.

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

- Danke, Volker! - Die jetzt bestehende Übergangsregelung haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren genutzt, um das Bewusstsein insbesondere der Kollegen aus den anderen Bundesländern zu schärfen. Wir sollten diese Übergangsregelung bis zu dem Zeitpunkt verlängern, zu dem wir in Europa eine einheitliche Regelung haben. Wenn dies so kommt, machen wir uns für die nächsten Jahre keine Sorgen. Wir kämpfen für die Kieler Woche, für

die Travemünder Woche, für die Rumregatta und das Bild, dass immer wieder Traditionsschiffe auf unseren Gewässern fahren und nicht nur auf dem Königssee. Hier sind sie viel wichtiger; hier gehören sie her.

Nun noch eine persönliche Anmerkung. Volker, wenn du demnächst nicht mehr da bist, ist mein letzter Klatscher weg. Ich bedanke mich bei dir ganz besonders.

(Heiterkeit und Beifall CDU und FDP)