Meine Damen und Herren, weil es vorhin Nachfragen gab und Unklarheit darüber herrschte, ob es bereits angesagt wurde, werde ich Ihnen noch einmal mitteilen, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer darauf verständigt haben, zu den Tagesordnungspunkten 23, 38, 56 und 68 - Vorlagen zur Wohnungsbaupolitik -, Tagesordnungspunkt 30 - Gründergeist für Schleswig-Holstein - und Tagesordnungspunkt 69 Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes - die Reden zu Protokoll zu geben. Hinzu gekommen ist, dass auch zum Tagesordnungspunkt 63 - Jugendberufsagenturen - die Reden zu Protokoll gegeben werden.
Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/5379
Das Wort zur Begründung wird offenbar nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Anita Klahn von der FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen wissen, was in unseren Schulen passiert, wir müssen wissen, mit welchen Unterrichtsmaterialien Schülerinnen und Schüler lernen, und wir brauchen fachliche Standards für jeden, auch den außerschulischen Unterricht. In Schleswig-Holstein haben wir beim herkunftssprachlichen Unterricht nichts davon.
Wir haben über dieses Thema im Ausschuss debattiert. Für mich war erschreckend, dass die Ministerin nicht einmal im Ansatz Problembewusstsein oder Handlungsbedarf gesehen hat.
Wir hören aus der ganzen Bundesrepublik Negativbeispiele. Es geht natürlich in erster Linie um den türkischsprachigen Unterricht; wir müssen nicht lange darum herumreden.
Die GEW in Nordrhein-Westfalen stellt fest, dass dort im herkunftssprachlichen Unterricht verwendete Materialien einen klaren national-chauvinistischen Hintergrund haben. Beim herkunftssprachlichen Unterricht geht es auch um Heimatkunde.
Ich sage ganz klar: Uns ist es nicht egal, was dort gelehrt wird. Es mag vielleicht einigen egal sein, wir halten es für wichtig. Wir halten es auch für entscheidend, wie der türkisch-kurdische Konflikt
dargestellt wird. Es ist auch von Bedeutung, wie der Völkermord an den Armeniern dargestellt wird, der durch die türkische Regierung immer noch geleugnet wird. Ich erinnere da an die Armenien-Resolution des Deutschen Bundestags aus dem letzten Jahr, die auch von SPD und Grünen vorangetrieben wurde, und an die klaren Aussagen von Bundespräsident Gauck, denen nichts hinzuzufügen ist.
Unsere Forderung ist daher ganz klar: Es darf keinen Unterricht ohne Kontrolle geben. Der herkunftssprachliche Unterricht muss unter die Kontrolle des Landes gestellt werden. Das Unterrichtsmaterial ist darauf zu prüfen, ob es auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht und unseren Bildungsstandards genügt.
auch, wenn es um den außerschulischen Unterricht geht, und wir setzen diese Regeln durch. Das wird auch von den Kommunen so gesehen. Neumünster hat sich ganz klar positioniert und wünscht sich tatsächlich Unterstützung durch Vorgaben seitens des Landes.
Andere Bundesländer sind viel weiter. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel steht der herkunftssprachliche Unterricht unter der Schulaufsicht. In anderen Ländern wird er von Lehrkräften des Landes angeboten, wie die Union es jetzt fordert.
Frau Ministerin, erzählen Sie uns also nicht, dass es rechtlich nicht möglich sei: Andere Länder machen es vor. Ehrlicherweise brauchen Sie nicht auf die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 1977 zu verweisen. Diese Richtlinie sieht nur vor, dass es so etwas wie herkunftssprachlichen Unterricht geben soll. Die Umsetzung liegt aber in der Länderhoheit. In Bezug auf die Türkei entfaltet die Richtlinie zudem überhaupt keine Bindungswirkung, weil die Türkei überhaupt nicht Mitglied in den Europäischen Gemeinschaften ist. Sie wissen das wahrscheinlich.
Die Koalition sollte also nicht weiter den Kopf in den Sand stecken und glauben, wir seien weit weg von allem, bei uns könne so etwas nicht passieren und alles sei gut. Seien Sie nicht blauäugig und machen Sie endlich die Augen auf: Die Entwicklungen in der Türkei sind für Demokraten besorgniserregend. Wir sollten sie nicht ignorieren.
Die Haltung der Koalition erinnert mich fatal an die Haltung der Bundeskanzlerin, die in der TürkeiFrage auch kein Rückgrat zeigt.
Wir müssen hier klare Kante zeigen. Der liberale Ministerpräsident der Niederlande, Mark Rutte, hat vorgemacht, wie es geht. Wir können seinem Beispiel folgen.
Die Liste der Ereignisse in der Türkei ist lang: die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel, zahlreicher anderer kritischer Journalisten sowie kritischer Richter und Staatsanwälte. Hinzu kommen die unsäglichen Nazi-Vergleiche von zahlreichen türkischen Regierungsmitgliedern. Ich erinnere an den Comic, der von einer staatlichen türkischen Behörde verbreitet wurde und den Märtyrertod verherrlicht.
Deswegen ist für uns jetzt und in Zukunft jede Zusammenarbeit mit der DITIB unvorstellbar, denn DITIB ist bekanntlicherweise der verlängerte Arm des türkischen Staates. Das ist der letzte Punkt in unserem Antrag. In unseren Schulen hat das nichts zu suchen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder sollen ihre Muttersprache lernen. Darüber sind wir uns in diesem Haus sicher alle einig. Kinder, die aus anderen Ländern zu uns kommen, sollen selbstverständlich auch die deutsche Sprache erlernen. Das ist aus unserer Sicht wesentliche Grundvoraussetzung, um sich in unserem Land erfolgreich zu integrieren.
Studien haben in der Vergangenheit immer wieder belegt, dass sich das Beherrschen der Muttersprache positiv auf den Erwerb einer Fremdsprache, aber ebenso positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes auswirkt. Darum ist es für uns wichtig, dass wir jungen Menschen herkunftssprachlichen Unterricht ermöglichen.
Bisher ist das über sogenannte Konsulatslehrkräfte erfolgt. Diese Lehrkräfte kommen aus den Herkunftsländern. Die Verantwortung für diesen Unter
richt liegt in der Hand der jeweiligen Botschaft. So ist die Situation auch in Schleswig-Holstein. In anderen Bundesländern sieht es durchaus anders aus, die Kollegin Klahn hat es eben ausgeführt. Die Bandbreite reicht von gar keinen Konsulatslehrkräften bis hin zu herkunftssprachlichem Unterricht in der Verantwortung der jeweiligen Länder.
Man muss ehrlicherweise sagen, dass es bisher damit in Schleswig-Holstein keine schlechten Erfahrungen gegeben hat.
Wer käme allerdings auch auf die Idee, dass ein Herkunftsland - wie gerade die Türkei in Nordrhein-Westfalen - versucht, über diese Lehrkräfte Einfluss auf die Kinder zu nehmen, die hier in Deutschland leben, und sie zu Spitzeldiensten auffordert? Erfreulicherweise ist das aufgeflogen. Es macht deutlich, dass unsere Gesellschaft hier richtig aufgestellt ist.
Wir fragen uns allerdings, ob wir insgesamt mit dem herkunftssprachlichen Unterricht noch richtig aufgestellt sind. Die rechtliche Grundlage dafür stammt aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Die faktische Grundlage waren die damaligen Wanderarbeiter. Seit dieser Zeit hat sich jedoch einiges verändert. Gerade in Zeiten, in denen Menschen bei uns Zuflucht suchen, sollten wir auch die Verantwortung dafür und die Kontrolle darüber übernehmen, worin und von wem Kinder hier bei uns unterrichtet werden.
Unsere Auffassung ist: Grundsätzlich sollte der Unterricht von ausgebildeten Lehrkräften auf der Grundlage eines Lehrplans erteilt werden. Diese grundsätzliche Entscheidung haben wir übrigens in diesem Hause schon einmal getroffen, als es um den islamischen Religionsunterricht ging, der an unseren Grundschulen stattfindet.
Eine solche grundsätzliche Entscheidung lässt sich sicherlich nicht von jetzt auf gleich umsetzen. Deshalb wollen wir Lehrpläne entwickeln. Ich habe gar nichts dagegen, dies mit den Herkunftsländern gemeinsam zu tun. Wir wollen Lehrkräfte ausbilden. In der Zwischenzeit soll der herkunftssprachliche Unterricht von der Schulaufsicht begleitet werden. In diesem Punkt stimmen wir mit der FDP überein.
Was wir allerdings nicht mittragen, ist die Entscheidung der Ministerin, den herkunftssprachlichen Unterricht weiter sich selbst zu überlassen. Es reicht nicht aus, die Schulen anzuweisen, dafür zu sorgen,
dass der herkunftssprachliche Unterricht nicht mehr während der Schulzeit stattfindet. Das ist nicht die Situation, die wir haben wollen. Wenn ich im Koalitionsantrag lese, dass Sie davon ausgehen, dass die anderen Staaten ausschließlich Inhalte verbreiten, die mit den Grundwerten des Grundgesetzes und der Verfassung Schleswig-Holsteins übereinstimmen, dann finde ich das in der Tat ein Stück weit naiv.
Gerade die Frage der Türkei hat gezeigt, dass es eben nicht so ist. Deswegen muss dieser Unterricht unter die Kontrolle unseres Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir werden sowohl dem FDP-Antrag als auch selbstverständlich unserem eigenen Antrag zustimmen. Den Antrag der Koalition werden wir ablehnen. Wir haben es geschafft, über die Referenten in unserer Fraktion in Erfahrung zu bringen, was in anderen Bundesländern stattfindet. Vielleicht ist Ihnen das auch möglich.