Protokoll der Sitzung vom 21.02.2014

Die Landesregierung hat sich auch auf den Weg gemacht.

(Zurufe CDU: Das sieht man! Sie ist weg! - Weitere Heiterkeit und Zurufe)

- Der Minister ist da.

In dem vorliegenden Bericht und in der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Übergang junger Menschen von der Schule in die Ausbildung oder die Arbeit wird die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit als Ziel definiert und ein Konzept dargestellt. Dazu gibt es Arbeitsgruppen mit Ministerien, Kommunen, Wirtschaft und der Agentur für Arbeit, die den landesweiten Rahmen entwickeln. Die Umsetzung vor Ort soll in den Regionen erfolgen. Auch dort gibt es koordinierende Arbeitsgruppen.

Die Landesregierung muss den Schwung, den das Konzept der Jugendberufsagentur im Land ausgelöst hat, für die Umsetzung in den Regionen nutzen und sich vor Ort unterstützend einbringen. Es gibt schon viele Initiativen zu intensiver, teilweise auch schon rechtskreisübergreifender, Zusammenarbeit. Unser Ziel muss es sein, dass Jugendliche landesweit die gleichen Chancen haben, dass flächendeckend eine rechtskreisübergreifende Kooperation in der Region installiert wird, eine Anlaufstelle für die Jugendlichen - egal ob sie Familienhilfe oder Unterstützung nach SGB II bekommen oder ob für sie die Agentur für Arbeit zuständig ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist volkswirtschaftlich, aber in erster Linie für die Jugendlichen selbst, wichtig, dass mehr Jugendliche direkt in die Ausbildung gehen und nicht in berufsvorbereitende Maßnahmen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN und Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Die Jugendberufsagentur ist kein Allheilmittel. Unser Übergangssystem von Schule in Beruf muss insgesamt weiterentwickelt werden. Aber sie gewährleistet, dass kein Jugendlicher auf dem Weg von den allgemeinbildenden Schulen in den Beruf verloren geht.

Die Landesregierung hat sich mit ihrem Konzept auf den Weg gemacht. Das unterstützen wir sehr und bleiben am Ball.

Ich bitte um Überweisung - wir haben uns noch einmal kurzgeschlossen - in den Bildungsausschuss und in den Wirtschaftsausschuss, federführend in den Bildungsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir Schülerinnen und Schüler der Regionalschule Plön, der Beruflichen Schule in Husum und Redaktionsmitglieder der Schülerzeitung „Pressident“ des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Pinneberg. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Christopher Vogt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich danke ganz herzlich dem Minister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht. Ich möchte erneut betonen, dass meine Fraktion das hamburgische oder das rheinland-pfälzische Modell der Jugendberufsagenturen für ein hochinteressantes Modell hält. Deswegen ist es auch richtig, die Übertragbarkeit dieser Idee auf unser Flächenland zu prüfen.

Es leuchtet wohl jedem ein, dass es Sinn machen sollte, wenn Jugendliche vor beziehungsweise wäh

rend ihres Einstiegs in das Berufsleben koordinierte Beratung und Hilfe unter einem Dach finden können. Dies könnte zumindest teilweise auch Kräfte in Schleswig-Holstein bündeln, Doppelstrukturen vermeiden und würde für die Beteiligten eine neue Form der Übersichtlichkeit schaffen. Es muss jedoch auch allen Beteiligten klar sein - ich glaube aber, das ist in der Debatte deutlich geworden -, dass dies für Schleswig-Holstein ein sehr langer und wohl auch steiniger Weg werden könnte, denn schließlich unterscheiden sich die bisherigen und auch zukünftigen Strukturen in einem Flächenland deutlich von den Strukturen in einem Stadtstaat wie Hamburg.

Meine Damen und Herren, nun muss man auch ich möchte die gute Stimmung nicht kaputt machen - feststellen, dass der vom Landtag an die Landesregierung gerichtete konkrete Prüfauftrag, ob und inwiefern das in Hamburg eingeführte Modell der Jugendberufsagentur auf unser Flächenland übertragen werden könnte, ausweislich des Berichts nicht erfüllt wurde und vermutlich auch tatsächlich nicht erfüllt werden konnte.

Dies ist angesichts der bisherigen, doch recht überschaubaren Erfahrungen, die die Hamburger seit Ende 2012 damit sammeln konnten, auch nicht wirklich überraschend. Ich finde das nichtsdestotrotz bemerkenswert, denn im September 2012 wurde das in Hamburg eingeführt, im Mai 2012 haben Sie den Bericht zum Ende des Jahres beantragt. Ich bin schon davon ausgegangen, dass - wenn die Koalitionsfraktionen so etwas beantragen - die Landesregierung uns etwas vorlegen kann, auf dem man richtig aufbauen kann. Das ist aus meiner Sicht leider nicht erfüllt. Ich hoffe, dies war kein bestellter Bericht vonseiten der Koalitionsfraktionen, sondern ein ernsthafter Prüfauftrag an die Landesregierung. Sonst wäre das sehr bedenklich. Man kann da leicht von „Dialog-Versagen“ sprechen. Das wäre an dieser Stelle auch nichts Neues. Ich muss mich doch wundern, dass wir dies hier so ausführlich debattieren, denn das hätte man auch im Ausschuss beraten können.

Sei es drum, immerhin kann der Bericht die Grundlage für den Beginn einer Diskussion zu einem wichtigen Thema sein und zumindest einen Überblick über die bisherigen Konzepte und Strukturen geben.

(Ines Strehlau)

Herr Abgeordneter Vogt, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten von Pein?

Bitte schön.

Ja, lieber Herr Kollege, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass in dem Bericht der Landesregierung erwähnt wurde, dass aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Evaluation in Hamburg, die ja gerade erst durchgeführt wird, die Landesregierung in ihrem Bericht auf die Frage der Übertragbarkeit auf das Flächenland Schleswig-Holstein noch keinen Bezug nehmen konnte?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das hat er gerade gesagt!)

Das habe ich schon angemerkt, dass das offensichtlich noch nicht möglich war. Deswegen habe ich mich nur gewundert, warum man vorher nicht miteinander kommuniziert hat, und deswegen sprach ich von einem offenkundigen „Dialog-Versagen“ bei der Koalition.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Die Vorlage wird im Ausschuss noch weiter beraten werden. Ich möchte vorschlagen, dass wir in einem Jahr noch einmal vom Minister den Auftrag erfüllt bekommen, den wir hier im Mai beschlossen haben. In einem Jahr wäre es vielleicht möglich, deutlich konkretere Aussagen zu machen.

Meine Damen und Herren - das wurde schon angesprochen -, die neuesten Statistiken zeigen, dass wir in Deutschland - trotz der leider immer noch sehr hohen strukturellen Jugendarbeitslosigkeit in Ostdeutschland - die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit und nach Österreich in der EU sogar die zweitniedrigste Arbeitslosenquote insgesamt haben. Das ist zwar einerseits irgendwie eine gute Nachricht, aber andererseits darf es niemanden dazu verleiten, sich zurückzulehnen. Denn angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Probleme unserer Nachbarländer sollte das nicht der

Maßstab sein, sondern das muss man in Relation zueinander bewerten.

Meine Damen und Herren, wenn man sich derzeit einmal den „jungen“ Arbeitsmarkt SchleswigHolsteins anschaut, sind aus meiner Sicht vor allem zwei Entwicklungen zu beobachten, an denen sich die Arbeitsmarktpolitik orientieren oder sich darauf ausrichten sollte.

Das eine ist natürlich der Niederschlag des demografischen Wandels auch im „jungen“ Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein. Eigentlich ist dies sogar noch nicht einmal der demografische Wandel in Schleswig-Holstein, sondern derjenige in Mecklenburg-Vorpommern. In den letzten 20 Jahren sind viele junge Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern auf den schleswig-holsteinischen Arbeitsmarkt gekommen. - Ja, Herr Minister, das ist doch so. Weil der Zuzug an Bewerbern nicht mehr da ist, führte dies dazu, dass nun schon mehrmals in Folge deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber vorhanden waren.

Das führt zur zweiten Entwicklung, die uns an dieser Stelle Sorgen bereiten sollte, nämlich dass es immer noch viel zu viele Bewerber gibt, die trotz dieser guten Lage keinen Ausbildungsplatz finden, oftmals, weil sie gar nicht die Voraussetzungen für einen Ausbildungsplatz mitbringen, weil sie Probleme haben. Ich glaube, da muss die Politik ansetzen. Es darf in der Tat niemand zurückgelassen werden, wie der Minister richtig gesagt hat. Da muss man den jungen Menschen mehr unter die Arme greifen.

Jugendberufsagenturen könnten hier ein richtiger Weg sein, dass man das stärker koordiniert, dass man bessere Anlaufstellen hat. Es gibt viele Ansätze, es gibt viel Zusammenarbeit, viel mehr, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Aber auf der anderen Seite ist es immer noch nicht genug.

Daher bin auch ich der Meinung - so wie die Kolleginnen und Kollegen -, dies wäre ein gutes Modell. Ich hoffe, dass wir in einem Jahr von der Landesregierung fundiertere Unterlagen bekommen, auf deren Grundlage wir uns dann weiter unterhalten können. - Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der PIRATEN hat jetzt Herr Abgeordneter Sven Krumbeck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute zum zweiten Mal über die Jugendberufsagenturen. Grundlage ist der vorliegende Bericht, für den ich mich beim federführenden Wirtschaftsminister und bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich bedanke. Sie haben einen ausführlichen und informativen Bericht vorgelegt, somit haben Sie eine gute Beratungsgrundlage für uns geschaffen.

Besonders gut finde ich die ausführliche Darstellung der unterschiedlichen regionalen Ansätze. Vieles ist vor Ort erfolgreich und verdient unsere Anerkennung und unseren Respekt. Beides möchte ich den Akteurinnen und Akteuren in den einzelnen Landesteilen und Wirkungsstätten an dieser Stelle auch ausdrücken.

Bereits im Jahr 2007 haben sich das Arbeits- und das Bildungsministerium mit der Agentur für Arbeit zusammengetan, um präventive und flankierende arbeitsmarkt- und bildungspolitische Maßnahmen zu ergreifen - gegen Jugendarbeitslosigkeit und für gezielte Ausbildungsreife und Beschäftigungstätigkeit bei Jugendlichen. Der vorliegende Bericht beschreibt sehr genau die Zielgruppe und erläutert das „Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt“. Ich denke, darüber herrscht hier auch Einvernehmen. Es gibt niemanden, der die bereits laufenden Maßnahmen nicht ausdrücklich positiv bewerten wird.

Daher ist es ebenfalls zu begrüßen, dass die Europäische Union, das Land und die regionalen Träger von 2007 bis 2013 rund 56 Millionen € in dieses Handlungsfeld investiert haben und dass diese Förderung mit der Fortschreibung des derzeitigen Förderprogramms von 2014 bis 2020 weitergehen wird. Konkret bedeutet das für mich, dass man es weiterhin für sinnvoll hält, bisher geschaffene und erfolgreich arbeitende Strukturen der Zusammenarbeit aufzubauen und auf dieser Basis weiterzuarbeiten.

Ich interpretiere den Bericht an dieser Stelle so, dass nicht zwanghaft etwas Neues von oben dekretiert werden soll, sondern dass auch das Vertrauen in die bereits geschaffenen Strukturen groß und belastbar ist. Die Potenziale, die sich finden, werden auf Seite 20 des Berichts ja auch hervorgehoben.

Stutzig werde ich als PIRAT natürlich genau auf dieser Seite, auf der es heißt:

„Zum Gelingen der dauerhaften Eingliederung ist ein automatisierter Datenaustausch

zwischen den allgemeinbildenden Schulen, Förderzentren, den Regionalen Berufsbildungszentren/berufsbildenden Schulen und den Arbeitsagenturen beziehungsweise den Jobcentern eine unabdingbare Voraussetzung.“

Ich will nicht sagen, dass das dem Grunde nach nicht sinnvoll ist. Dennoch werde ich mir im Ausschuss gern noch einmal erklären lassen, wie dieser Datenaustausch konkret aussehen soll. Denn mit dem Hinweis auf die „aufsuchende Sozialarbeit“ auf Seite 20, Absatz 4 machen Sie unter Datenschutzaspekten ein Fass auf, das wir auf jeden Fall sehr sensibel behandeln wollen.

(Beifall PIRATEN)

Sofern sich nämlich die öffentliche Jugendhilfe, also die Jugendämter oder die regionalen Jugendhilfeeinrichtungen, an Steuerungsplänen und Arbeitstreffen beteiligen und mit anderen Akteuren zusammenarbeiten soll, kann und darf Datenaustausch immer nur einzelfallbezogen und mit Information und Zustimmung der Betroffenen stattfinden. Datenaustausch darf und kann an dieser Stelle nicht grundsätzlich und standardisiert vorgenommen werden. Darauf werden die PIRATEN sehr genau achten und die rechtlichen Grundlagen immer wieder hinterfragen.

Der Bericht macht auch deutlich, dass es aufgrund der unterschiedlichen regionalen Lösungen keine standardisierten Strukturen gibt. Auch die Furcht der Kommunen wird angesprochen, formale Vereinbarungen abzuschließen, weil die Furcht im Raume steht, dass man damit finanzielle Verpflichtungen eingehen würde. Das ist den Erfahrungen geschuldet, die die Kommunen in dem Sinne gemacht haben, dass die Regierung Kosten immer dann verneint, wenn andere sie tragen müssen.