Protokoll der Sitzung vom 11.04.2014

Ich sage ganz offen: Geschieht dies nicht, dann sind natürlich Projekte wie Wrist-Kellinghusen, wie Rendsburg-Fockbek, ja vielleicht auch Kiel-Schönberger Strand in Gefahr, weil wir sie nicht mit den Mitteln finanzieren können, die uns zurzeit zur Verfügung stehen. Ich füge aber ganz deutlich hinzu: Das wollen wir nicht, und deswegen streiten wir mit dem Bund über die Erhöhung der Regionalisierungsmittel.

Dann haben natürlich auch schöne Zukunftsfelder wie „Plus 50 Prozent“ keine Grundlage, wenn wir nicht in ganz Deutschland eine Diskussion darüber führen, was uns der öffentliche Nahverkehr wert ist. Wir wollen mehr öffentlichen Personennahverkehr in ganz Deutschland. Das muss auch politisch sehr deutlich nach Berlin rüberkommen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, kommen wir zu einem der Kernprobleme der Verkehrspolitik in Deutschland und damit auch in Schleswig-Holstein, zum Zustand der Infrastruktur und ihre Erhaltung. Natürlich kommt hinzu das schleppende Tempo so empfinden das die Bürgerinnen und Bürger - bei Neubauprojekten. Das alles ist seit Jahren bekannt. Getan hat sich wenig. Vor allem ist eine langfristige Strategie nicht erkennbar, insbesondere beim Bund. Sie können mir glauben: Natürlich verärgert es

(Minister Reinhard Meyer)

mich, wenn ein Bundesverkehrsminister, wie Ende Februar 2014 am Kanal geschehen, sagt: „Zusagen kann ich nur für diese Legislaturperiode geben.“ Dann, meine Damen und Herren, können wir solche Projekte wie den Nord-Ostsee-Kanal aber auch wie die A 20 nicht vernünftig planen. Hierfür brauchen wir mehr Langfristigkeit, wir brauchen mehr Klarheit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

In dieser Situation bringen uns Anträge wie jener der CDU, der von einem angeblich gescheiterten Verkehrskonzept spricht, überhaupt nicht weiter. Meine Damen und Herren von der CDU, erlauben Sie mir dazu einen Hinweis. Ich habe wirklich die Nase voll, Versäumnisse meiner CDU-Vorgänger im Amt ständig heilen zu müssen. Das sage ich Ihnen ganz offen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich habe die CDU angesprochen, Herr Kubicki.

Da fehlt die Fehmarnsund-Querung im Bundesverkehrswegeplan.

(Christopher Vogt [FDP]: Darum werden Sie nicht herumkommen!)

Da sind die Prüfungen bei der Rader Hochbrücke zu spät erfolgt. Da muss ich die fehlerhafte Planung bei der A 20 bei Bad Segeberg heilen. Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten. Die Krokodilstränen, die beim Ausbau der A 7 vergossen werden, weil ja irgendwann der Stau kommen wird, kann ich auch nicht verstehen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diese Diskussion und die hierzu vorliegenden Anträge bringen uns in Schleswig-Holstein kein Stück weiter, ob bei der Fehmarnbelt-Querung, der Rader Hochbrücke oder der A 20. Ich habe das Ansinnen und auch die Bitte an Sie, bei diesen Themen konstruktiv miteinander umzugehen.

Mein Vorschlag ist dieser: Ich möchte gerne ein Infrastrukturbündnis für Schleswig-Holstein anregen, und zwar mit der Wirtschaft, mit den Verbänden, mit den Gewerkschaften, mit den Kammern und, was ganz wichtig ist, über Parteigrenzen hinweg. Wir alle müssen gemeinsam Verantwortung für Schleswig-Holstein zeigen. Wir müssen für unsere Projekte im Norden werben, und wir müssen auch gemeinsam für unsere Projekte in Berlin werben. Das steht auf der Tagesordnung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn ich von einem Infrastrukturbündnis für Schleswig-Holstein spreche, dann meine ich damit auch, dass ich beobachte, dass es natürlich Initiativen für einzelne Projekte gibt. Das ist auch gut so. So gibt es die Kiel-Canal-Initiative, den Verein B 5 an der Westküste, die A-20-Volksinitiative, ein neues Bündnis im Norden von Schleswig-Holstein, das für einen Tunnelersatz für die Rader Hochbrücke kämpft. Noch besser jedoch wäre es, die Kräfte zu bündeln. Wir müssen nach außen außerhalb von Schleswig-Holstein gemeinsam auftreten und uns darüber im Klaren werden, welches die wichtigsten Verkehrsprojekte für die Zukunft dieses Landes sind. Diese müssen wir dann auch gemeinsam vertreten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den Einzelprojekten in den Anträgen sagen:

Zur Rader Hochbrücke: Natürlich war das im letzten Jahr ein Schock. Es zeigte auch die Verwundbarkeit, wenn Infrastruktur an dieser neuralgischen Stelle nicht funktioniert. Wir werden jetzt den Rest der Lebensdauer der Brücke gemeinsam in einem Gutachten mit dem Bund feststellen. Ich hoffe, dass das im Mai zum Abschluss kommen wird. Wenn es, was wir vermuten, so ist, dass diese Brücke nicht mehr lange hält - zwölf bis 15 Jahre -, dann müssen wir das gemeinsam mit dem Bund feststellen, und wir müssen unverzüglich mit den Planungen für ein Ersatzbauwerk beginnen.

Ich sage ganz deutlich: Wir wollen nach wie vor für eine kombinierte Tunnellösung kämpfen. Das zeigt das ganze Manko der Verkehrspolitik in Deutschland, dass offensichtlich auch hier in Berlin wieder nicht langfristig gedacht wird, sondern kurzfristig, indem man sagt: „Wir brauchen eventuell nur ein Ersatzbauwerk für die Brücke.“ Ich verlange vom Bund, mit zu bedenken, dass die Rendsburger Brücke in 30 Jahren auf der Schiene auch nicht mehr befahren werden kann. Darüber müssen wir eine gemeinsame Diskussion führen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zur Fehmarnbelt-Querung: Das Raumordnungsverfahren steht kurz vor dem Abschluss. Zeitziel ist das Dialogforum am 8. Mai 2014. Dort soll es vorgestellt werden. Ziel ist und bleibt eine gute Lösung

(Minister Reinhard Meyer)

für die Regionen in der Frage der Schienenanbindung.

Ein weiteres Thema der Anträge ist der Weiterbau der A 20. Ich sage dies immer und daher auch an dieser Stelle: Ich bin und bleibe ein Fan der A 20,

(Beifall SPD, FDP, SSW und Johannes Call- sen [CDU])

aber wir sind jetzt gefordert, die Hausaufgaben, die uns das Bundesverwaltungsgericht zum Naturschutz und zur Linienführung gegeben hat, bei Bad Segeberg umzusetzen. Der Koalitionsvertrag gilt. Er gilt selbstverständlich auch für den Verkehrsminister. Den Bau bis zur A 7 in dieser Legislaturperiode voranzutreiben, war und ist konsequent. Der Parlamentarische Staatssekretär Ferlemann hat Ende Februar 2014 in Brunsbüttel gesagt, dafür solle es auch Geld des Bundes geben. Das ist alles sehr konsequent. Ich habe es an dieser Stelle immer gesagt: Wir werden alle weiteren Abschnitte westlich der A 7 planen, und zwar einschließlich der Elbquerung. Wir gehen davon aus, dass alle Abschnitte bis 2016 durchgeplant sein werden. Unser Ziel ist es, eine gerichtsfeste Planung vorzusehen. Das ist unsere Hausaufgabe.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu den Planungsreferaten sage ich im Übrigen: Unter Herrn Austermann gab es einen Dezernatsleiter und 15 Planer. Heute gibt es einen Dezernatsleiter und 17 Planer. Ich gebe es zu, vor Beginn der Legislaturperiode gab es einen Dezernatsleiter und 19 Planer, aber diese 19 Planer waren zusätzlich für den Bereich Energie zuständig. Das sind sie heute nicht mehr. Die 17 Planer sind zusammen mit dem Dezernatsleiter für die Verkehrsplanung zuständig. Das sage ich, um die Debatte an dieser Stelle endlich zu beenden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, wenn wir die Planungen vorgelegt haben und wenn diese gerichtsfest sind, dann warte ich auf einen Moment, der sehr interessant wird. Manch einer reist im Lande herum und sagt, Geld sei kein Problem. Ich möchte es sehen, dass der Bund dann sagt: Wunderbar, ihr habt die Planung vorgelegt, und sie ist gerichtsfest. Ihr habt Baureife, hier ist das Geld. Das wird ein spannender Moment. Wir werden alles tun, um diesen Moment herbeizuführen. Das ist dann die Stunde der Wahrheit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir reden über die Finanzierungen durch den Bund. Bei der letzten Verkehrsministerkonferenz am 2. und 3. April 2014 in Leipzig hatte ich die Gelegenheit, mit Herrn Dobrindt ausführlich darüber zu sprechen. Die 5 Milliarden € für vier Jahre der Legislaturperiode gibt es gar nicht mehr, denn 1,5 Milliarden € wurden für sogenannte nachlaufende Projekte in die Finanzierung geführt. Keines dieser Projekte liegt in Schleswig-Holstein. Außerdem gibt es Mindereinnahmen bei der Lkw-Maut, nämlich 1 Milliarde € pro Jahr. Wenn Sie dies zusammenrechnen, dann muss Herr Dobrindt noch 500 Millionen € von irgendwoher einbringen.

Daher sind die Pläne zur Nutzerfinanzierung bei der Lkw-Maut, diese auf Lkw mit 7,5 t und auf alle Bundesstraßen auszudehnen, konsequent. In der Frage der Pkw-Maut ist das nicht konsequent. Ich bin gespannt, wie man diese so gestalten kann, dass sie nur für ausländische Kraftfahrzeugführer gilt. Darauf bin ich sehr gespannt, aber das spielt hier keine Rolle. Neben der Nutzerfinanzierung ist entscheidend, dass wir daneben eine stärkere Haushaltsfinanzierung durch den Bund brauchen, um die Aufgaben, von denen wir alle sprechen, auch wirklich finanzieren zu können.

Meine Damen und Herren, ich will mir nicht vorwerfen lassen, immer nur vom Geld zu reden. Wir brauchen auch mehr Kreativität und weniger Bürokratie in der Verkehrspolitik. Was heißt das? Zurzeit ist es so, dass wir jedes Jahr beim Haushaltsgesetzgeber, dem Bund, antreten und für große Projekte betteln müssen, um Geld zu bekommen. Das heißt, das, was wirklich notwendig ist, nämlich darüber zu diskutieren, wie wir Überjährigkeit, Planbarkeit und Fondslösungen hinbekommen, steht auf der Tagesordnung. Ich verstehe nicht, warum etwas, das in der Schweiz funktioniert, in Deutschland nicht funktionieren soll. Alle meine Kollegen fragen mich sehr interessiert nach dem Modell der Sondervermögen, das wir für unsere Landesstraßen und andere Landesprojekte im Kleinen aufgelegt haben. Dies ist ein Modell, das man auch auf Bundesebene umsetzen kann.

(Christopher Vogt [FDP]: Haushaltsrechtlich bedenklich!)

Ich werde nicht müde, das Modell einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft weiter in die Thematik einzubringen. Damit endlich einmal ein Missverständnis ausgeräumt wird: Ich habe niemals von einer Landesgesellschaft gesprochen, denn bei Groß

(Minister Reinhard Meyer)

projekten ist immer der Bund gefragt. Auch hier gilt es zu fragen, warum ein Modell, das in Dänemark funktioniert, in Deutschland nicht funktionieren soll. Diese Frage müssen wir gemeinsam dem Bund stellen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, Mobilität ist Zukunft. Verantwortung für die Zukunft heißt deshalb, die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten, sie zu sanieren und auch neue Projekte zügig voranzubringen. Das heißt, den ÖPNV auf die Erfordernisse der Zukunft auszurichten. Das ist keine Aufgabe für eine Legislaturperiode, sondern das ist eine große gemeinsame Aufgabe für uns alle; für Schleswig-Holstein und seine Zukunftsfähigkeit und für den echten Norden. Lassen Sie uns dafür gemeinsam eintreten. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die geplante Redezeit um 4 Minuten überzogen. Diese Zeit steht allen Fraktionen zusätzlich zur Verfügung. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Christopher Vogt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich dem Minister zu Beginn für den Bericht zum Raumordnungsverfahren zur festen Fehmarnbelt-Querung und zur Hinterlandanbindung danken. Ich muss allerdings feststellen: Sie haben den Bericht nicht gegeben. Herr Minister, ich möchte dies nicht unnötig betonen, aber ich möchte bemerken: Sie haben zu Beginn der Debatte hier vorn gestanden, um den Bericht abzugeben. Sie haben zwei Sätze dazu gesagt, nämlich das, was Sie schon vorher erklärt hatten, und zwar, dass dies im Mai kommen werde. Das soll nicht dem Parlament vorgestellt werden, das soll im Dialogforum vorgestellt werden. Herr Minister, wenn Sie es im Rahmen dieser Debatte versäumt haben, dem Auftrag des Parlaments nachzukommen, dann möchte ich anregen, dass Sie dies im Mai nicht dem Dialogforum vorstellen, sondern dass Sie dies den gewählten Vertreterinnen und Vertretern des Landes Schleswig-Holstein vorstellen. Wem denn sonst?

(Beifall FDP und CDU)

Ich möchte noch einmal daran erinnern: Die Auswertungen sollten bereits vor mehreren Monaten abgeschlossen sein.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das geht am Parla- ment vorbei, das ist so!)

Nun wird es wirklich Zeit. Die Zahl der Stellungnahmen war zwar gewaltig, Verzögerungen sind dennoch mehr als ärgerlich. Wenn die Pläne der dänischen Seite ohne nennenswerte Verzögerungen umgesetzt werden, dann bleiben nur noch rund sieben Jahre bis zur Fertigstellung des Tunnels unter dem Belt. Bei unseren dänischen Nachbarn ist das Megaprojekt bereits so weit fortgeschritten, dass sich die Hoffnungen der Gegner, dass die Dänen das Projekt doch noch einstampfen könnten, offenbar weitestgehend verflüchtigt haben. Ich glaube auch, dass dies die dänische Seite wenig irritiert. Dort will man 2015 mit dem Bau beginnen.

Herr Minister, die Planung muss daher nicht nur für die A 7, sondern auch für das Projekt Fehmarnbelt, mit dem Bund angepackt werden. Es geht vor allem um die Realisierung einer Zwei-Plus-EinsTrassenvariante, die eine gewisse Verträglichkeit hat. Ich glaube, dass eine solche Trassenvariante in der Region akzeptiert werden könnte. Die Zahl der Stellungnahmen war vielsagend. Sie hat die Landesregierung offenbar überfordert, sonst wären die Verzögerungen ja nicht eingetreten.