Dass wir grundsätzliche Kritik am ideologischen Grundgerüst haben, das diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt, ist das eine. Wie Sie Ihren Plan vom Sekundarstufenlehrer allerdings umsetzen wollen, ist das andere.
Das Gesetzgebungsverfahren ist, wenn man es freundlich formuliert, eine absolute Farce. Es ist genau genommen eine Beleidigung für den Parlamentarismus. Der Entwurf ist noch immer dermaßen unausgegoren, dass die Beschreibung mit dem Wort „Murks“ eine Verniedlichung ist.
Es ist eigentlich noch viel schlimmer. Es ist wirklich schon große Staatskunst, wirklich ein Kunststück, nach rund zwei Jahren einen Gesetzentwurf vorzulegen, der unter dem Strich mehr neue Probleme schafft, als dass er alte löst. Das muss man erst einmal hinbekommen. Sie haben es hiermit geschafft. Die Landesregierung wollte ihren Entwurf vermutlich aus verfahrenstaktischen Gründen bisher lediglich per Brief und Pressemitteilung nachbessern. Die Koalitionsfraktionen doktern mit ihren Änderungen aber nun an den eher kleineren Problemen des Entwurfs herum. Überzeugende Antworten
Problematisch sind aus unserer Sicht vor allem die ungeklärte Frage der zukünftigen Besoldungsstruktur - Herr Kollege Habersaat, darauf kommen wir gleich noch - und die Schaffung von unnötigen Doppelstrukturen - es sind unnötige Doppelstrukturen;
das können Sie auch mit vielen Nebelkerzen nicht beiseitewischen -, obwohl die Universitäten - Herr Kollege Andresen, das haben auch Sie in der letzten Legislaturperiode, wie ich finde, zu Recht immer sehr deutlich gesagt - chronisch unterfinanziert sind und man die Millionen deutlich besser an den Universitäten und Fachhochschulen einsetzen könnte, als Sie es an dieser Stelle machen.
Meine Damen und Herren, es geht mit den Problemen fröhlich weiter. Es gibt offensichtliche Probleme der Studenten bei der Umsetzung des Praxissemesters, die nach wie vor vorhanden sind. Die Fahrtkosten sind das eine. Der Wirtschaftsminister wird sich unheimlich freuen, dass er aus seinem ebenfalls unterfinanzierten Etat jetzt auch noch die Kosten übernehmen muss. Ein Problem ist die mangelnde Ausstattung der Universitäten und Schulen zur Umsetzung des Gesetzentwurfs.
Weiter besteht das zentrale Problem, dass Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe - das sind immerhin über 80 % der Gemeinschaftsschulen - künftig keine Ausbildungsschulen mehr sein können. Herr Dr. Stegner, da wird jetzt sehr viel Ruhe einkehren. Das ist auf der einen Seite schön, auf der anderen Seite werden die anderen 20 % den ganzen Rest der Verantwortung tragen müssen.
Meine Damen und Herren, hinzu kommt das Problem bei der Anerkennung der Abschlüsse in anderen Bundesländern. Herr Kollege Andresen, Sie haben es richtig gesagt: Wenn man ein gemischtes Lehramt studiert hat - das heißt, das eine Fach in der Sekundarstufe I und das andere Fach in der Sekundarstufe II auf Oberstufenniveau -, dann ist man in anderen Bundesländern ein Mittelstufenlehrer. Das ist so.
Aber die Frage ist doch nicht, ob das so toll ist, dass man dann Mittelstufenlehrer sein kann, wenn man teilweise etwas anderes studiert hat, sondern die Frage ist, ob es attraktiv ist, in Schleswig-Holstein weiter zu studieren. Das ist doch die entscheidende Frage.
Es geht munter weiter: Weitere fachliche Probleme bei den Sonderpädagogen, beim Ein-Fach-Lehramt sowie beim Seiten- und Quereinstieg werden von der Koalition einfach ignoriert.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch einmal an die bemerkenswerten Worte des Ministerpräsidenten aus der ersten Lesung erinnern. Der geschätzte Herr Ministerpräsident sprach vor einigen Wochen in diesem Hause noch davon, mit diesem Gesetz die bestmögliche Lehrerausbildung Deutschlands schaffen zu wollen.
Ich hoffe, es hat sich niemand in den anderen Wissenschaftsministerien in den anderen Bundesländern dabei verletzt, der dabei vor Lachen vom Stuhl gefallen ist. Ich hoffe wirklich, dass sich niemand verletzt hat; denn das glauben Sie doch wirklich selbst nicht.
Der Ministerpräsident hat als Begründung angeführt, dass man die MINT-Ausbildung unbedingt stärken müsse, dass es ein Muss sei, dass man natürlich auch mit Blick auf die Anerkennung der Abschlüsse unbedingt die Sekundarstufe-II-Ausbildung komplett in Flensburg brauche. Herr Ministerpräsident, ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist: Das steht so gar nicht mehr im Gesetz.
Ich nenne das einmal in aller Sachlichkeit: Das Getöse des Regierungschefs entpuppt sich nun als Bumerang.
Wir haben auch mit ansehen dürfen - ich möchte fast sagen: mit ansehen müssen -, wie Sie den Gesetzentwurf am Ende durch das Kabinett gebracht haben. Ich weiß nicht, ob Sie entweder keine Ahnung hatten, wovon Sie dort gesprochen haben, oder ob es eine politische Nebelkerze sein sollte. Wirklich seriös ist das alles nicht.
Auch ich habe mich doch sehr gewundert, wie in diesem Land mittlerweile mit Demonstranten umgegangen wird und wie sie von Ihnen bezeichnet wurden. Das Wort „töricht“ scheint Ihr neues Lieblingswort zu sein und hat das Wort „stark“ abgelöst. Neuerdings sind alle nicht mehr stark, sondern töricht.
Das war nicht die junge AfD, die da draußen stand, das sind fast komplett angehende Lehrer, die hoffentlich in den Schuldienst in Schleswig-Holstein aufgenommen werden, die dort mit guten Argumenten gegen Ihren Entwurf demonstriert haben.
Herr Ministerpräsident, ich glaube es wirklich: Sie hätten sich entschuldigen können, da wäre Ihnen kein Zacken aus der Krone gebrochen. Sie haben auch gesagt, Sie seien dafür angetreten, und die Menschen hätten Sie für dieses Gesetz gewählt. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich kann Ihnen eine Reihe von Namen von Menschen nennen, die Sie gewählt haben und die dieses Gesetz wirklich unterirdisch finden.
(Beifall FDP und Volker Dornquast [CDU] - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD] - Rasmus An- dresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten mit dem Datenschutz aufpassen!)
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Die Leute haben Sie deshalb gewählt - so höre ich es -, weil Sie gesagt haben, Sie wollten für gutes Regieren eintreten und für echten Dialog. Was Sie jetzt gemacht haben, ist Lichtjahre davon entfernt.
Das ist nicht das Kernstück rot-grün-blauer Regierungspolitik. Das ist wirklich nur noch nach der Devise „Augen zu und durch“.
Es wird immer kurioser. Interessant an dem letzten Schreiben der Wissenschaftsministerin zu diesem -
nicht nur die fragwürdigen Rechtschreibkünste, die bemerkenswert genug waren, sondern auch die völlig neuen Begründungen, die innerhalb der letzten Tage zu diesem Gesetzentwurf aufgetaucht sind. Auf einmal ging es auch um die regionalpolitische Stärkung im Bereich Flensburg.
Das kann man als Argument anführen, es ist nur komisch, dass es bisher immer vehement vonseiten der Landesregierung und auch vonseiten der Koalitionsfraktionen bestritten wurde. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass, so wie es jetzt konstruiert ist, die Region Flensburg oder die Universität Flensburg dadurch gestärkt wird. Schauen wir uns einmal an: Als das Realschullehramt nach Flensburg verlagert wurde, ist dort nur die Hälfte der Studenten angekommen. Ich glaube, das Gesamtkonstrukt ist für Flensburg eher kontraproduktiv. Ich glaube, dass weniger Studenten in Flensburg ankommen werden.
Insofern - glaube ich - werden Sie Flensburg einen Bärendienst erweisen. Das werden wir in einigen Jahren prüfen können. Ich glaube, die Studenten werden mit den Füßen abstimmen.
Ein weiteres Problem, das die Studenten verunsichert - das ist elementar -, sind die Kürzungen bei den Referendariatsstellen, die massiv sind - das verunsichert die Studenten weiter -,
und auch die Pläne der Landesregierung bei der Besoldungsstruktur. Sie haben gesagt, das sei nicht Sache des Gesetzes. Sie schreiben jetzt zehnsemestrige Studiengänge für alle Lehrämtler in einem Gesetz fest. Dann müssen auch in dem Gesetzgebungsverfahren die Folgen berechnet werden. Die Auswirkungen auf die Besoldungsstruktur sind ganz elementar. Es stimmt, es wurden schon vorher Weichen gestellt. Sie schreiben das jetzt in einem Gesetz fest. Sie müssen dann auch im Gesetzgebungsverfahren die Fragen beantworten. Es geht um 30 Millionen € - strukturell, jedes Jahr. Das ist eine Menge Geld. Da müssen Sie auch sagen, woher das Geld kommen soll. Wo soll es an anderen Stellen eingespart werden?