Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Voraussetzung dafür, das Ganze juristisch zu behandeln.

Eines möchte ich inhaltlich aber noch klarstellen: Wir als Landesregierung halten ganz bewusst an der Option fest, Unternehmen in das Register aufzunehmen, die gegen die Vorgaben des Mindestlohns und der Tariftreue verstoßen. Das ist unsere inhaltliche Zielsetzung. Das halten wir auch als Steuerungsinstrument für wichtig.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Jetzt komme ich zur Unschuldsvermutung. Wir haben auch das im Plenum offen diskutiert. Wir haben einerseits das Strafrecht und andererseits das Vergaberecht. Das Vergaberecht kennt keine Unschuldsvermutung. Wir reden auch nicht über ein Strafregister, sondern wir reden über ein Register, das quasi ein Hilfsmittel für diejenigen ist, die öffentliche Aufträge vergeben und darüber zu entscheiden haben, an wen sie diese Aufträge vergeben. Wir müssen die Dinge, die auch in der Anhörung und in den Ausschussberatungen immer wieder eine Rolle gespielt haben, auseinanderhalten. Die Äußerungen, die Sie zitiert haben, Herr Kollege Kubicki, sind im Rahmen der Diskussion getätigt worden, in der wir versucht haben, uns gemeinsam diesem Thema anzunähern.

Die Justizminister der Länder sagen übrigens einvernehmlich, dass ein Register gebraucht wird. Die Grundsatzfrage ist also nicht strittig. Es ist sehr wichtig, darauf hinzuweisen. Die Justizminister bezeichnen das Register von Schleswig-Holstein und Hamburg als ein Vorbild. Es ist aber auch selbstverständlich, dass hinsichtlich der Fragen, die wir uns auch gestellt haben, ein Prüfauftrag vergeben wird. Warum sollte man das auch nicht tun? Das ist insbesondere für diejenigen von Relevanz, die sich zum ersten Mal mit einem solchen Register befassen.

Aber ich vermute, sie werden auf die gleiche Antwort kommen, weil das Ziel ganz wichtig ist - es wurde hier ja schon gesagt -: Ein Register Hamburger und Schleswig-Holstein alleine reicht doch nicht. Wir brauchen ein bundesweites Register. Wenn diese Prüfaufträge dazu beitragen, dass wir das hinbekommen, dann ist unser politisches Ziel erreicht. Ich glaube, dann können wir sagen, dass wir einen wichtigen politischen Punkt gesetzt haben. Dann ist das, was wir hier jetzt diskutieren, Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland. Das finde ich gar nicht so schlecht. - Vielen Dank.

(Minister Reinhard Meyer)

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratungen. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/2223 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten aller Fraktionen und des SSW. Enthaltungen sehe ich nicht, Gegenstimmen auch nicht. Damit ist dieses einstimmig so beschlossen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, bitte ich Sie, gemeinsam mit mir Mitglieder des Aufsichtsrats der Volksbank Itzehoe auf der Besuchertribüne zu begrüßen. Es sind Gäste des Kollegen Hans-Jörn Arp. - Herzlich willkommen im Landeshaus Schleswig-Holstein!

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD] - Hans-Jörn Arp [CDU]: Aber ich habe wenigstens wel- che! - Zuruf Serpil Midyatli [SPD] - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP] - Wolfgang Baasch [SPD]: Bei der Volksbank sind das aber alles Genossen! - Heiterkeit und Beifall - Zuruf Peter Eichstädt [SPD])

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

In Schleswig-Holstein ist kein Platz für Antisemitismus!

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2174 (neu)

In Schleswig-Holstein ist kein Platz für Antisemitismus und Islamophobie!

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/2260 (neu)

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann stelle ich zunächst fest, dass entgegen der Vermutung, die wir ursprünglich hatten - so muss ich es sagen - die PIRATEN ihren Antrag nicht zurückziehen. Ich weise Sie darauf hin, dass ich Sie dann im Anschluss an die Beratung darum bitten werde, den Piratenantrag, Drucksache 18/2260 (neu) , zu einem selbständigen Antrag zu erklären. Die Piratenfraktion hat mir mitteilen lassen, dass

sie diesen Antrag gern dem Ausschuss überweisen lassen möchte. Das scheint im Vorfeld so zwischen Ihnen allen geklärt worden zu sein. Ich sehe keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Ich eröffne zunächst die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Johannes Callsen von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidenten! Meine Damen und Herren! Die Bilder von Anti-Israel-Demonstrationen, die vor der Sommerpause in den Fernsehnachrichten gezeigt wurden, waren und sind zutiefst erschreckend. Demonstranten, die mit ihren Slogans und Schmährufen die Grenze zwischen Kritik an der israelischen Politik und Antisemitismus eindeutig überschritten haben. Auch in Schleswig-Holstein mussten wir solche antisemitischen Szenen erleben: Israelische Flaggen wurden öffentlich verbrannt, es gab offene Aufrufe zu Hass und Gewalt gegen Menschen jüdischen Glaubens.

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, und natürlich hat jeder das Recht, politische Entscheidungen zu kritisieren. Natürlich gilt dies auch in Bezug auf Israel. Aber die Aufstachelung zum Hass gegen Menschen und Gruppen ist keine Meinung, sie ist unerträglich, sie ist abstoßend, und sie ist nicht zu akzeptieren.

(Beifall)

Hetze gegen Bevölkerungsgruppen hat in unserem Land nichts zu suchen. Gerade wir in Deutschland tragen eine besondere Verantwortung. Wir haben aus dunklen Kapiteln unserer eigenen Geschichte erfahren, zu welchen Folgen Antisemitismus und Rassenhass führen können. Von Deutschland aus wurde nicht nur die Welt mit einem Krieg überzogen, von Deutschland ging ein Vernichtungsfeldzug gegen das Judentum aus. Aus dieser Geschichte folgt unsere ganz besondere Verantwortung, Antisemitismus und Rassismus in allen Erscheinungsformen entschieden entgegenzutreten. Diese Verantwortung liegt auch, aber nicht nur bei der Politik. Wir als Politiker sind in der Pflicht, uns an die Spitze der Bewegung zu setzen. Das politische Signal, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat und keine Toleranz findet, ist der Hintergrund unseres Antrages.

(Beifall CDU, FDP und Dr. Ralf Stegner [SPD])

(Minister Reinhard Meyer)

Ich bin sehr froh, dass wir bei allen politischen Differenzen in dieser zentralen Frage mit einer Stimme sprechen.

(Beifall)

Ebenso wichtig wie ein konsequentes Handeln der Politik ist aber auch, dass alle gesellschaftlichen Akteure und jeder Einzelne diese Verantwortung wahrnimmt. Das Signal muss heißen: In unserer Gesellschaft gibt es keinen Platz für Antisemitismus. In unserer Gesellschaft gibt es keinen Platz für Rassismus - egal durch wen und egal gegen wen!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Die Vorkommnisse in diesem Sommer haben uns erneut traurig bewusst gemacht, dass antisemitische Keime immer noch vorhanden sind. Es macht mich tief betroffen, aber auch wütend, wenn ich offenen Judenhass in unserem Land sehe.

Unsere Gesellschaft ist vielschichtig. In ihr vereinen sich die unterschiedlichsten Religionen, und in ihr vereinen sich die unterschiedlichsten Nationalitäten. Unsere Gesellschaft ist offen und tolerant. Dennoch dürfen wir nicht nachlässig werden. Bei aller Gemeinsamkeit in der Sache: Hier gibt es unterschiedliche Ansichten über den richtigen Weg. Wir als Union bleiben dabei: Prävention ist in allen Bereichen wichtig, nicht nur am rechten Rand. Ich zitiere:

,,Es gibt linken, arabischen, völkischen und traditionellen Antisemitismus - bei keiner Form dürfen wir wegsehen."

(Beifall CDU, SPD, FDP, PIRATEN und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Worte stammen nicht von mir, ich habe sie, wie gesagt, nur zitiert, sondern es sind Worte von Volker Beck, bekanntlich Bundestagsabgeordneter der Grünen.

Es gibt einen Teil gerade junger Muslime in unserem Land, die sich offenbar radikalisieren. „Die Welt“ schrieb am 24. August 2014:

,,Der Antisemitismus der Islamisten hierzulande verängstigt die Juden."

Noch einmal: Man darf hier nichts verallgemeinern. Es sind wenige radikale Muslime, von denen antisemitische Strömungen ausgehen, aber ebenso ist der Anteil der Menschen in unserem Land gering, der sich aus rechtsextremer Gesinnung aggressiv gegen das Judentum als solches wendet. Es ist

wichtig: In beiden Spektren sind es gerade junge Menschen, die in den Strudel des Hasses gelangen. Genau deswegen ist Prävention in allen extremistischen Bereichen unserer Gesellschaft wichtig. Dafür sollten wir gemeinsam eintreten.

Leider müssen in Deutschland noch immer Synagogen unter Polizeischutz gestellt werden. Das ist traurig. Hiergegen werden wir mit aller Entschlossenheit und Geschlossenheit vorgehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Tobias von Pein das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Der Anlass für diesen Antrag ist traurig: Rund 70 Jahre nach dem Nationalsozialismus sind in Deutschland wieder vermehrt antisemitische Parolen und Übergriffe zu verzeichnen. Hass auf Juden verpackt als vermeintliche Israelkritik ist salonfähig. Es trifft auf wenig Widerstand bei so manchem Spießbürger aus der Mitte. Nein, die Mehrheitsgesellschaft bietet ihnen sogar teilweise einen Nährboden. Denn Vorurteile, Ressentiments und Chauvinismus sind auch an vielen Küchentischen in Deutschland Realität. Nachlesen können wir das in den alarmierenden Ergebnissen den „Mitte“-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung. Diese haben die Zustimmung zu bestimmten antisemitischen Aussagen untersucht. Die Ergebnisse sind seit Jahren auf einem gefestigten Niveau. Ich zitiere aus der Studie:

„15 % der Befragten stimmen der Aussage zu: Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen.“

Rund 20 % halten sogar „den Einfluss der Juden heute noch für zu groß“. Insgesamt stellen die Forscher regelmäßig fest, dass rund 9 % der Deutschen ein antisemitisches Weltbild teilen. Das allein ist schon erschreckend. Viel erschreckender jedoch ist die Chronik antisemitischer Vorfälle, die die Amadeu-Antonio-Stiftung seit 2002 aufführt. Antisemitische und rechtsradikale Schmierereien, Parolen in Fußballstadien, Schändung von jüdischen Gedenkstätten und Friedhöfen, Beschmieren oder Klauen von Stolpersteinen - all das ist schon länger traurige Realität.

(Johannes Callsen)

Und nun auch noch offen auf die Straße getragener, teilweise gewalttätiger, Hass. Es geht dabei leider oft nicht darum, Protest und Friedenswillen friedlich auf die Straße zu tragen. Viel zu häufig wird nicht das Regierungshandeln Israels unter Netanjahu kritisiert, sondern es werden unter dem Deckmantel von Israelkritik antisemitische Parolen vertreten. Dies ist in keinster Weise zu akzeptieren oder zu tolerieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU, FDP und PIRATEN)

Das gilt nicht nur in Verantwortung vor unserer eigenen Geschichte, sondern auch in Verantwortung davor, wie wir in Zukunft zusammenleben wollen.

Wenn Wut und Trauer in Gewalt und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit umschlagen, wird eine Grenze überschritten. Es ist ein Alarmsignal für die Demokratie und zeigt wieder einmal: Demokratische Kultur und friedliches Miteinander sind keine Selbstverständlichkeit. Demokratie muss jeden Tag neu gelebt, gelernt und erstritten werden.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU und Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir müssen gemeinsam die demokratische Kultur stärken. Mit unserer Präventionsarbeit für Demokratie und gegen Rechtsextremismus im Land wirken wir deshalb auch dem Antisemitismus entgegen. Das neue Bundesprogramm zur Demokratiestärkung vom Bundesministerin Manuela Schwesig wird auch in Schleswig-Holstein dazu beitragen, hier noch mehr zu tun. Planungssicherheit und die Verstetigung der Beratung - gerade auch von Opfern rechtsradikaler Übergriffe - ist hier die Zielrichtung. Wir setzen unsere erfolgreiche Arbeit gegen rechts fort. Eine Kürzung wird es hier mit uns nicht geben.