Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Richtig bleibt allerdings: Die Infrastruktur Schleswig-Holsteins braucht an vielen Stellen Erneuerung. Das gehen wir auch an. Im Übrigen will ich deutlich sagen, dass es keine Frage parteipoliti

scher Schuldzuweisung in diesem Punkt ist - ausdrücklich nicht!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein! Nur wenn Sie zuweisen!)

Wir machen es aber anders als unsere Vorgängerregierung. Wir setzen uns nämlich nicht über berechtigte Belange des Naturschutzes hinweg. Wir sind nicht mehr im Kaiserreich, und das ist auch gut so. Bürgerinnen und Bürger haben Kompetenzen. Kommunale Verwaltungen haben Kompetenzen, ehrenamtliche Vereine auch. Wir tun gut daran, die Kompetenz vor Ort einzubeziehen, und das tun wir auch.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Unser Verständnis von Gerechtigkeit umfasst auch den Anspruch auf Nachhaltigkeit. Es freut mich, dass viele Stärken Schleswig-Holsteins diese Anforderung ebenfalls erfüllen. Schleswig-Holstein bleibt weiter Vorreiter der Energiewende, wir sind Spitze in Sachen Wind - besser als alle anderen. Wir setzen einen deutlichen Akzent auf die Förderung von Maßnahmen und Studien zum Ausbau der erneuerbaren Energien, zur Steigerung der Energieeffizienz und Energieeinsparungen sowie Klimaschutz. Die Energiewende leistet nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung, sie schafft auch Arbeitsplätze, sie schafft auch Zukunft für unser Land. Gut, dass wir die Energiewende machen. Das ist wichtig für Schleswig-Holstein und unsere Menschen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sozialdemokratische Politik für ländliche Räume haben wir in zwei Positionspapieren zur Landwirtschaft und zur Entwicklung der ländlichen Räume dargelegt. Wir diskutieren das auch in bestimmten Bereichen noch in dieser Landtagstagung. Anders als Sie von der Union - wir haben das gerade wieder gehört -, die Sie vergeblich versuchen, Ihren Ruf als Anti-Stadt-Partei aufzupolieren, machen wir nicht nur gute Stadtpolitik, wir tun das auch nicht gegen die ländlichen Räume - sondern im Gegenteil. Wir wissen: Schleswig-Holstein hat nur Zukunft, wenn Stadt und Land gemeinsam erfolgreich sind.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir wollen eine zukunftsfähige Landwirtschaft entwickeln, qualitativ hochwertige Lebensmittel nachhaltig, tierwohlgerecht und ressourcenschonend

(Dr. Ralf Stegner)

produzieren und damit einen Beitrag zur Sicherung unseres Lebensraums leisten. Wir wollen die Ernährungswirtschaft stärken und gute Arbeit und Wertschöpfung sichern.

Naturschutz - und Sie haben auch das kritisiert, Herr Oppositionsführer, dass Natur bei uns so eine große Bedeutung habe - sowie Küsten- und Meeresschutz sind integrale Bestandteile attraktiver Lebensräume. Die Arbeit der Naturschutzverbände ist und bleibt unverzichtbar. Wir werden auch mit dem neuen Haushalt diese Bereiche angemessen ausstatten. Auch das ist übrigens ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit in Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Gerechtigkeit gehört auch Schutz und innere Sicherheit für die meist schwächeren Opfer von Kriminalität. Auch in diesen Bereichen tun wir im Rahmen der Haushaltssituation das Mögliche. Investitionen in den Fuhrpark der Landespolizei werden verstetigt, Investitionen zur Verbesserung der Schutzausrüstung derer, die ihren Kopf hinhalten, auch. Das Beförderungspaket wird fortgeführt und steigert damit auch die Attraktivität unserer Polizei.

Im Bereich der Justiz werden wir das Modernisierungsprogramm der Justizvollzugsanstalten fortsetzen, auf Stellenabbau bei den Sozialgerichten verzichten, über Finanzierung von Prozesskosten- und Beratungshilfe den Rechtsanspruch auch für einkommensschwache Personen gewährleisten, den Opferschutz ausbauen und vieles mehr. Auch bei der Innen- und Rechtspolitik halten wir Kurs und tun, was im Rahmen des Haushalts möglich ist.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

In den Kommunen wirkt die Politik unmittelbar. Wichtig ist uns deshalb auch, dass die Kommunen ihre wichtigen Aufgaben auch erfüllen können. Der starke Zuwachs der Finanzausgleichsmasse um 121 Millionen € bedeutet für sie erhebliche Mehreinnahmen. Erhebliche Mehreinnahmen, Herr Oppositionsführer - Ihr Trauerbild hat nichts mit der Realität zu tun.

Darüber hinaus planen wir, die Kofinanzierung des Landes für die deutlich erhöhte Städtebauförderung des Bundes anzugleichen.

Die dringend notwendige, aber zugleich sehr komplizierte Reform des kommunalen Finanzausgleichs wird in den kommenden Jahren die finanziellen Mittel gerechter verteilen, weil dann endlich auch die Soziallasten berücksichtigt werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Gleichzeitig steigen die Ausgaben für den kommunalen Finanzausgleich 2015 auf über 1,5 Milliarden €. Wir packen das an, was Sie sich nicht getraut haben.

Den Eingriff über 120 Millionen € machen wir rückgängig,

(Lachen Tobias Koch [CDU])

indem die Kommunen Mittel für Kitas aus den Mehreinnahmen für Grunderwerbsteuer, für Schulsozialarbeit und Infrastruktur erhalten - alles wichtige Punkte unseres Gerechtigkeitsverständnisses. Sie meckern nur, wir handeln und helfen den Kommunen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das kommt doch von Ihnen! Das kommt doch von der SPD!)

Ein Schwerpunkt dieser Regierungskoalition bleibt auch die Flüchtlingspolitik. Sie ist ein Maßstab für Gerechtigkeit im Umgang mit denen, die es schwer haben, die aus ihrer Heimat vor Hunger, Verfolgung oder Krieg in ein reiches Land fliehen mussten, aus dem vor Jahrzehnten Menschen selbst vor den Nazis fliehen mussten. Wir entlasten die Kommunen auch hier durch deutliche Mehrausgaben plus 30 % oder 14 Millionen € bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Wir werden darüber hinaus zusätzliche Mittel für Sprach- und Integrationskurse bereitstellen. Zur Lösung der Unterbringung vor Ort und Entlastung der Kommunen wird das Innenministerium Gespräche über die Nutzung ehemaliger Kasernen führen. Wir werden beraten, was zu tun ist, notwendige Zusagen machen und auch einhalten.

Die Theologin Margot Käßmann hat einmal gesagt: „Die Schwächsten sind der Maßstab für die Gerechtigkeit.“ Das gilt ganz besonders für die Schwächsten in unserer Gesellschaft und die Sozialpolitik.

Ich weiß, dass es Sie wurmt. Herr Callsen, Sie haben hier erzählt, Sie wüssten, was gerechte Sozialpolitik ist. Gemacht haben Sie das jedenfalls als CDU in diesem Land noch nie. Ich weiß, dass es Sie wurmt, weil wir viele Ihrer angeblich so alternativlosen Kürzungen wieder korrigiert haben und trotzdem anders als von Ihnen prognostiziert die Schuldenbremse nicht nur einhalten, sondern sogar noch mehr schaffen. Ich sage Ihnen: Gute Sozialpo

(Dr. Ralf Stegner)

litik mit dem Rotstift als Hauptwerkzeug geht nicht. Für Sie gilt der Satz von Wilhelm Busch:

„Das Gute - dieser Satz steht fest -, ist stets das Böse, was man lässt.“

Wir lassen viel von den bösen Dingen, die Sie gemacht haben, und halten trotzdem die Schuldenbremse in der Sozialpolitik ein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir stärken den Pflegebereich. Sie haben danach gefragt. In einer älter werdenden Gesellschaft gehört er zu den wichtigen Herausforderungen. Wir erhöhen die Anzahl der landesgeförderten Schulplätze zur Altenpflegeausbildung um weitere 200 Plätze, um dem Ziel einer kostenlosen Pflegeausbildung endlich näherzukommen.

Wir werden Finanzmittel für ein Projekt zur vereinfachten Pflegeplanung und -dokumentation einstellen. Schleswig-Holstein hat da schon erfolgreich Strukturmodelle probiert.

Ich sage Ihnen: Eine zentrale Gerechtigkeitsfrage ist auch die Gleichstellung. Auch das werden wir vorantreiben, weil es nicht sein kann, dass wir nicht erfüllen, was nach Artikel 3 des Grundgesetzes vorgesehen ist. Wir werden auch da - wenn Sie im Haushalt schauen, stellen Sie das fest - bestimmte Mittel für kommunale Gleichstellungsbeauftragte wieder einstellen und Kürzungen zurücknehmen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Eine Lösung muss auch für den erheblichen Stau an unseren Krankenhäusern gefunden werden. Wir sollten uns des Themas Krankenhausfinanzierung in den weiteren Beratungen noch einmal annehmen. Im Falle des UKSH wird mit dem ÖPP der nächste Schritt noch in dieser Tagung debattiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich das alles anschaut, dann können sich die finanziellen Eckdaten des Haushalts wirklich sehen lassen. Die Neuverschuldung bleibt unter 100 Millionen €. Das strukturelle Defizit wird um 184 Millionen € gesenkt. Minimierung von Risiken und Planungssicherheit - das gilt auch für die HSH Nordbank - hat unsere tüchtige und kluge Finanzministerin geleitet in dem, was sie uns hier vorlegt. Die Koalitionsfraktionen unterstützen den finanzpolitischen Kurs von Monika Heinold und der gesamten Landesregierung aus voller Überzeugung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werfen uns vor, die Investitionsquote sei zu gering. Da haben Sie recht. Aber ich erinnere Sie daran, dass wir schon länger der Meinung sind, dass die konservativ gerechnete Investitionsquote nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Toll!)

Lesen Sie gelegentlich einmal bei Peter Bofinger nach. Investitionen in Bildung, Investitionen, die durch unsere Zuschüsse überhaupt erst getätigt werden, finden gar keine Berücksichtigung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da müsste es Berlin ja richtig gut gehen!)

Wenn Sie also an dieser Kritik festhalten, zeigt das in erster Linie Ihr unterschiedliches Verständnis: Sie sind im Gestern verhaftet, wir reden über heute.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch nicht Ihr Ernst! - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Trotzdem muss etwas passieren. Investitionen in Bildung sichern unsere Zukunft und ersparen uns Soziallasten. Investitionen in die Infrastruktur sind billiger, als wenn wir Straßen und Brücken verfallen lassen.

Lassen Sie mich noch etwas zu den anstehenden Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen sagen. Ich freue mich, dass wir hierzu eine gemeinsame Resolution einbringen. Die Landesparlamente müssen an diesen Verhandlungen beteiligt werden - das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein -, denn sie sind der Haushaltsgesetzgeber, sie sind bei der Auswirkung auf die Finanzströme zu besteiligen. Wir wollen mitbestimmen, welche Mittel zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern verteilt werden. Das betrifft nicht nur die Ausgabeseite, sondern auch die Einnahmenseite. Faire Steuern auf Vermögen beispielsweise oder eine Bundesfinanzverwaltung sind Forderungen, die wir als Land erheben. Andere Vorschläge, wie ein Zuschlagsrecht der Länder auf die Einkommensteuer - wie aus Bayern gefordert -, halten wir nicht für sinnvoll. Wir müssen mit am Tisch sitzen, wenn in Berlin über Geld geredet wird. Das mag der Regierung nicht in jedem Punkt gefallen, wenn ich das hier sagen darf, aber hier gibt es keine Parteipolitik, hier müssen Sie über Ihren Schatten springen. Diesen Teil wird der Landtag nämlich einstimmig beschließen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])