Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Da überrascht es schon, wenn ich von den neuen Vorstellungen der CDU höre, eben jener CDU, die mit dem Stellenabbau doch so besonders konsequent und nach eigener Aussage alternativlos agierte. Jetzt, losgelöst von den Fesseln der politischen Verantwortung - Sie suhlen sich ja geradezu in Ihrer neuen oppositionellen Ausgabewut -, fordert die gleiche CDU nicht nur, die Polizei vom Sparkurs auszunehmen, nein, ihre Forderung lautet, in vier Schritten 160 zusätzliche Stellen einzurichten. Wenn Sie in der Opposition sind, keine Verantwortung haben, gilt das Gegenteil von gestern: Munter drauf los, und Amnesie ist Trumpf. Das ist Ihre Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie begründen dies mit der Schilderung der Lage der inneren Sicherheit in unserem Land, die einen zwar das Fürchten lehren kann, aber mit der Reali

(Dr. Ralf Stegner)

tät so viel zu tun hat wie ein James-Bond-Film. Die Wirklichkeit hat der Herr Ministerpräsident beschrieben: 2013 gab es so wenig Straftaten wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Also reden Sie nicht davon, dass die Situation in Bezug auf die Kriminalität in diesem Land schlechter geworden sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist großer Unsinn, was Sie hier verbreiten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zwar gehört es bei Ihnen offenbar zum guten Ton, die Landesregierung sozusagen permanent beschimpfend zu beschallen und ihr alle möglichen Versäumnisse vorzuwerfen. Aber auch Ihr Bild von der Arbeit und vom Engagement der Polizeibeamtinnen und -beamten geht an der Realität vorbei.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann reden Sie doch einmal mit denen!)

Die leisten nämlich hervorragende Arbeit. Das ist genau das, was wir mit unserer Politik, die wir machen, unterstützen, nicht, indem wir ihnen Dinge versprechen, die keiner halten kann. Wenn Sie Opposition so verstehen, dass Sie sagen: „Wir versprechen möglichst viel, wir müssen es ja nicht halten“, dann werden die Menschen das durchschauen; denn die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind viel intelligenter, als Sie hier tun, wenn Sie ihnen solche Versprechungen machen, die Sie nicht halten können.

Eines will ich auch noch sagen: Wirklich beschämend, Herr Kollege Günther, ist das, was Sie in den letzten Tagen zur Flüchtlingspolitik veranstaltet haben. Das ist unfassbar.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie vertreten eine Flüchtlingspolitik, die nach rechts schielt. Der wichtigste Punkt für Sie ist konsequente Abschiebung. Das ist die Politik von vorgestern. Sie wir Ihnen übrigens im Wettbewerb mit der AfD nicht helfen. Wer so etwas will, wählt das Original. Die brauchen nicht die blasse CDU-Kopie. Es zeigt aber vor allen Dingen eines, Herr Kollege Günther, nämlich wie isoliert Ihre Fraktion in dieser Frage in diesem Hohen Hause ist, wie isoliert und von gestern. Wir sind für einen Umgang mit Flüchtlingen, der dem Artikel 1 des Grundgesetzes entspricht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist unsere Auffassung von Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das misst sich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Jahrzehnte, nachdem Menschen vor den Nazis aus Deutschland flüchten mussten, ist es auch eine Frage des Anstands, dass man das so betreibt. Sie sollten sich schämen für solche Publikationen wie die, die ich in den letzten Tagen von der Union gelesen habe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim Finanzausgleichsgesetz sagen Sie, Sie wollten keine Entscheidung treffen. Sie hatten monatelang Zeit, sich mit konstruktiven Beiträgen einzubringen. Jetzt ist Ihre Antwort auf unseren Gesetzentwurf, wir sollten doch bis 2017 abwarten. Was ist das eigentlich für eine Verantwortung für dieses Land? Das zeigt doch nur: Diese Regierung und unser Innenminister Stefan Studt handeln, während Ihnen jegliche Regierungsfähigkeit fehlt, wenn Sie bis 2017 schlafen wollen. Wirkliche Regierungsfähigkeit? - Nichts da! Kein Konzept, nichts da!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wie schön wäre es, wenn sich die CDU an der einen oder anderen Stelle auf ein paar ehrliche Vorschläge beschränken würde, die Sie ja machen.

Bedanken möchte ich mich - doch, ich will mich bedanken - ausdrücklich bei der Union für immerhin gemeinsame Beschlüsse im Bereich der Europa- und der Minderheitenpolitik, bei der Sie Ihre Fehler eingesehen und sich korrigiert haben. Das will ich nicht geringschätzen. Gemeinsam haben wir die Sinti und Roma endlich in die Landesverfassung aufgenommen. Darauf können wir stolz sein. Ich finde das richtig. Gut, dass Sie sich durchgerungen haben. Wir haben es ja auch fünfmal versucht.

Begegnungen im Ostseeraum, gerade für Jugendliche, werden von allen Fraktionen getragen. Das wäre auch in Bezug auf die dänischen Schulen schön gewesen. Wir haben erreicht, dass sie endlich wieder gleichbehandelt werden. Es sind übrigens die allgemeinbildenden Schulen der dänischen Minderheit, um das hier noch einmal glasklar zu sagen. Das ist unser Verständnis von den dänischen Schulen in diesem Land.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich wünsche mir, dass dies auch so bleibt. Ich sage aber auch - das gehört auch zur Ehrlichkeit -: Wir haben den Scherbenhaufen abgetragen, den der schwarz-gelbe Elefant im dänischen Porzellanladen angerichtet hatte. So ist es gewesen.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Selbst konservative Politiker in Kopenhagen haben zu uns gesagt: Was machen eure Leute da eigentlich? - Da habe ich gesagt: Das sind nicht unsere Leute, sondern das sind die von der Union.

Unsere vorbildliche Politik im Bereich der Minderheiten stärkt Schleswig-Holsteins Position auch über unsere Grenzen hinweg. Unser Land und seine Interessen werden in Berlin endlich wieder gehört. Dies zeigen die Verhandlungserfolge des Ministerpräsidenten beim EEG - wir haben es vorhin gehört -, beim Nord-Ostsee-Kanal oder anderen Anliegen.

Zusätzliche Gelder und konkrete Maßnahmen kommen aber nicht von allein. Wenn die Opposition der Landesregierung die Schuld dafür gibt, wenn es einmal nicht gelingt, dann wäre es zumindest konsequent, wenn Sie die Erfolge, die auf unser Konto gehen, auch einmal erwähnten und nicht ausblendeten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Welche denn?)

Noch lieber wäre es mir, wenn wir in Berlin und in Brüssel gemeinsam für die Interessen SchleswigHolsteins eintreten. Reden Sie doch einmal mit Ihren Bundestagsabgeordneten. Nicht auf Kosten des Landes, sondern zugunsten des Landes zu arbeiten, das wäre ein positiver Beitrag Ihrerseits und irgendwie cooler als die ewige Nörgelopposition, die Sie sind.

Ich hoffe sehr, dass mein voraussichtlich fünfter Kollege im Amt des Landesvorsitzenden der CDU, der Kollege Liebing, hierbei mithelfen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Politikfeld, das besonders deutlich den Politikwechsel beschreibt, ist unsere Sozialpolitik. Wir haben die Perspektiven, die sich etwa aus einer progressiven Familienpolitik oder aus den immer wichtiger werdenden Fragen einer menschenwürdigen Pflege ergeben, erkannt, und wir haben konkret gehandelt, beispielsweise durch jährlich wachsende und durch das Land bezahlte 200 Ausbildungsplätze in der Altenpflege.

Den Unterschied macht aber auch die grundsätzliche Bedeutung, die unsere Regierungskoalition der Sozialpolitik einräumt. Bei uns kommt sie von Herzen und zugleich aus dem Verstand. Sie ist nicht lästiges Beiwerk oder nice to have. Sie ist nicht die willkommene Einsparliste im Einzelplan 10, wie das bei Ihnen der Fall ist.

Sie ist ein Politikfeld, in dem sich zeigt, ob eine Koalition - wie Max Weber das nennt und als Beruf zur Politik beschreibt - Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß hat. Unsere Sozialpolitik, die durch Kristin Alheit verkörpert wird, ist eine, die die Leidenschaft hat, für soziale Gerechtigkeit zu streiten, die die Verantwortung und die Bedeutung für unsere Gesellschaft anerkennt und die das Augenmaß dafür hat, auch bei angespannten Haushaltslagen zu erkennen, was möglich und was notwendig ist, wobei aber nicht die Schwächsten bestraft werden, so wie Sie das getan haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Genau deshalb haben wir bereits vor der Wahl angekündigt, dass wir Kürzungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung rückgängig machen werden wie etwa beim Blindengeld oder bei den Frauenhäusern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben Sie auch nur teilweise gemacht!)

Sie haben behauptet, die Kürzungen seien notwendig. Wir waren der Ansicht, dass sie verzichtbar und darüber hinaus sogar schädlich, in Teilen sogar schändlich für unser Land gewesen sind.

Heute haben Sie sich von Ihren alten Plänen verabschiedet. Dazu muss ich sagen: Es kann uns freuen, wenn Sie Ihre Überzeugung gewechselt haben. In der Sache begrüße ich das. Unehrlich ist es aber, wenn Sie jetzt den Eindruck erwecken, die Landesregierung tue zu wenig beim Aufräumen dessen, was Sie angerichtet haben. Wie sollen die Bürgerinnen und Bürger das eigentlich zusammenbringen?

Nehmen wir einmal das Beispiel der Frauenhäuser, Frau Kollegin Rathje-Hoffmann. Erst kürzen Sie die Einrichtungen in die Existenznot. Dann erzählen Sie uns, das sei alternativlos. Dann beschimpfen Sie uns, wir würden den Haushalt durch die Rücknahme der Kürzung in Gefahr bringen. Jetzt heißt es, die Landesregierung tue zu wenig, obwohl wir im Gegensatz zu Ihnen eine Vereinbarung mit Hamburg hinbekommen haben.

Was Sie mit uns machen, ist egal. Da sind wir wirklich nicht wehleidig. Als langjähriger Landespolitiker kann ich mit einer Wendehals-CDU in Kollektivamnesie umgehen. Denken Sie aber auch einmal daran, wie das bei den Menschen ankommt. Denken Sie einmal an die Frauen, die auf Frauenhäuser angewiesen sind - um bei diesem Beispiel zu bleiben. Diese müssen sich von Ihnen doch geradezu

(Dr. Ralf Stegner)

verhöhnt vorkommen, wenn Sie sie zum Spielball Ihrer Politik machen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, tun Sie nicht so. Das war nicht vor 100 Jahren, sondern das war vor zweieinhalb Jahren. Die Menschen haben ein gutes Gedächtnis.

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

- Manches war vor viereinhalb Jahren. Es stimmt, das ist gewaltig länger her, Herr Kollege Koch. Aber bis vor zweieinhalb Jahren haben Sie ja leider regieren dürfen. Sie haben die Spanne gut beschrieben. Das stimmt.

Jedenfalls ist das in dieser Zeit geschehen. Wir bringen das meiste davon in Ordnung, manches nicht in der Geschwindigkeit, wie wir das gerne täten, aber wir bringen in Ordnung, was Sie angerichtet haben. Beschimpfen Sie also nicht uns, sondern schämen Sie sich für das, was Sie angerichtet haben! Das wäre die richtige Rollenverteilung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung bleibt Priorität Nummer eins für die Küstenkoalition. Wir haben uns vorgenommen, bei uns in Schleswig-Holstein darf kein Kind zurückgelassen werden. Ich wiederhole es: Ob von einer alleinerziehenden Mutter, ob mit deutschem oder nicht deutschem Hintergrund, ob mit Handicap, ob aus Glücksburg oder Ratzeburg, ob aus einer reichen oder einer benachteiligten Familie, wir dürfen kein Kind in Schleswig-Holstein zurücklassen.

Ich ärgere mich immer wieder, dass wir darüber debattieren, wie es dem armen Herrn Hoeneß in Landsberg ergeht, der das Land geschädigt und Millionen Euro Steuern hinterzogen hat, aber Jugendliche, die eine zweite oder dritte Chance brauchen, die lassen wir zurück. Das ist nicht richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Daran müssen wir etwas ändern.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)