Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Sie sind hier angetreten und haben gesagt, wir schaffen ein Bürokratiemonster. Mitnichten, es gibt gerade in diesem Gesetzesentwurf das wichtige Instrument der Präqualifikation. Unternehmen bewerben sich ja nicht einmal für einen Auftrag und dann nie wieder. Das ist völliger Unsinn. Sondern die Unternehmen bewerben sich häufig auf öffentliche Aufträge, so ist das eben. Man muss sich nur einmal präqualifizieren lassen. Das ist ein einmaliger Betrag, der hier anfällt. Diese Präqualifikation ist sozusagen der einzige bürokratische Schritt. Ja, der kostet auch etwas. Er wird in der Regel durch die Präqualifizierungsvereine durchgeführt.

Das löst eine gewisse Kostensumme aus, aber bringt auch Sicherheit: einmal präqualifiziert, immer im Wettbewerb. Dann muss das nicht jedes Mal über eine neue Bürokratieschiene geprüft werden. Das ist der Unterschied. Die Unternehmen, die dieses Siegel der Präqualifikation vorweisen können, haben damit auch ein Qualitätssiegel für gerechte Löhne und Arbeit. Das ist der Unterschied.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn ich ein Handwerksunternehmen beauftrage, auch für mich privat, dann ist das ein Grund, warum ich mich für dieses Unternehmen entscheide und nicht für ein anderes Unternehmen. Das ist ein Vorteil und eben kein Nachteil für den Wettbewerb, um das einmal ganz deutlich zu sagen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deshalb sollten Sie hier keinen Popanz aufbauen. Die Präqualifizierung ist ein modernes Instrument, um dieses Gesetz alltagstauglich und im Übrigen auch wettbewerbstauglich zu machen.

Nun zur Frage der Kontrolle. Ja, in NordrheinWestfalen gibt es eine schärfere Kontrolle. Das muss man deutlich sagen. Dort gibt es eine Prüfbehörde, an der 14 Stellen angesiedelt sind. Wir wissen, dass es aufgrund der Haushaltslage in Schleswig-Holstein schwierig ist, diesen Ansatz bei uns umzusetzen. Dennoch wollen wir hier kein stumpfes Schwert haben. Sondern wir sagen, dass es richtig ist, das Vergabe- und das Korruptionsregister zusammenzuführen. Es ist außerdem richtig, dies gemeinsam mit Hamburg zu machen. Das macht Sinn, weil damit auch Synergien gehoben werden können. Es ist auch deshalb kein stumpfes Schwert,

(Dr. Andreas Tietze)

weil diese Prüfstelle mit den anderen Behörden wie dem Zoll im Rahmen der Amtshilfe zusammenarbeitet und bei Verdachtsmomenten genauso wie bei der Schwarzarbeit eingreifen kann.

Wir haben hier also weniger als in NRW. Das ist natürlich kostenrelevant. Wir haben aber kein stumpfes Schwert. Im Übrigen überlassen wir es der Landesregierung beziehungsweise dem Wirtschaftsminister, die entsprechenden Verfahren innerhalb der Verwaltung umzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben das umgesetzt, was wir in der vorherigen Wahlperiode versprochen haben. Ich habe mehrfach hier gestanden und an Sie appelliert, uns in dieser Weise zu folgen. Sie haben das immer wieder abgelehnt. Sie haben sich immer wieder gegen einen Mindestlohn ausgesprochen. Die Situation hat sich jetzt aber geändert. Wenn wir dieses Gesetz beschließen, haben wir einen Mindestlohn.

Ich sage Ihnen aber auch: Meine Fraktion wird nicht betonköpfig in die Anhörung gehen.

(Christopher Vogt [FDP]: Das ist aber neu!)

Wir haben das zwar niedergeschrieben, sagen aber auch: Wenn in der Anhörung gute Argumente dafür vorgebracht werden, die eine oder andere Sache anders zu bewerten, dann werden wir uns diesen Argumenten nicht verschließen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das ist der Sinn ei- ner Anhörung!)

Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Politik und unserer Politik. Wir nehmen Anhörungen ernst.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zu Ihrer Regierungszeit waren das nur Schauveranstaltungen. Damals haben wir uns bei Ihnen die Köpfe eingerannt. Sie haben gesagt: Im Grunde genommen ist es uns scheißegal, was dabei herauskommt. Wir ziehen unsere Politik durch. - Deshalb sagen wir Ihnen: Das wird ein anderes Anhörungsverfahren sein.

Im Übrigen gilt für mich - das hat auch einmal Peter Struck gesagt -: Ein Gesetz kommt nie so ins Parlament hinein, wie es herauskommt. - Diese alte Weisheit gilt auch für den von uns eingebrachten Gesetzentwurf. Es müssen also nachvollziehbare und gute Argumente gebracht werden. Wir werden uns denen nicht verschließen.

Wir werden aber auch nicht zurückgehen hinter die Standards der sozialen Gerechtigkeit. Das ist der

Unterschied. Das ist für uns der Wertemaßstab, den wir gemeinsam hier eingebracht haben. Dabei stimmt die Chemie. Dabei passt kein Blatt zwischen den Kollegen Harms, den Kollegen Stegner und mich. Das haben wir gemeinsam vorangebracht. Das will ich hier noch einmal deutlich sagen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Im Übrigen macht es Spaß, in dieser Koalition einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Deshalb möchte ich mich ausdrücklich für die konstruktive Arbeit bedanken.

Die Wählerinnen und Wähler in Schleswig-Holstein haben einen Politikwechsel gewählt. Diesen haben sie in der Arbeitsmarktpolitik bekommen, und das ist gut so. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Herr Abgeordneter Dr. Tietze, ich weise Sie darauf hin, dass der Begriff „scheißegal“ nicht parlamentarisch ist und außerdem eine Unterstellung darstellt.

Als nächstes möchte ich den FDP-Abgeordneten Christopher Vogt ans Mikrofon bitten. - Sie haben das Wort, Herr Vogt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die heutige rot-grün-blaue Feierstunde eigentlich nur ungern stören. Ich muss es aber leider trotzdem tun.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich habe die Reden des Kollegen Harms, des Kollegen Dr. Stegner und des Kollegen Dr. Tietze genau verfolgt, die ein bisschen Selbstmotivation durch Imkreisdrehen beinhalteten. Das fand ich ganz schön.

(Beifall FDP)

Die Einteilung in gut und böse finde ich wirklich großartig. Ich freue mich aber auch, dass der Kollege Dr. Tietze im Gegensatz zu seinem Vorredner zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf gesprochen hat. Das ist auch einmal ganz nett. Ich werde mich weitgehend auch daran halten.

(Dr. Andreas Tietze)

Meine Damen und Herren, wir können feststellen, die Tariftreuedebatte zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen beschäftigt das Hohe Haus schon seit mehreren Jahren. Deshalb spare ich mir die Passage zu dem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs und zu den Vorgaben, die das Gericht dem Gesetzgeber zu diesem wichtigen Thema gemacht hat.

Wir hatten in der Koalition mit der CDU nach der Abwägung, ob ein solches Gesetz für SchleswigHolstein sinnvoll ist, bereits eine Tariftreueregelung in das von uns überarbeitete Mittelstandsförderungsgesetz integriert, die an die Hamburger Regelung angelehnt ist. Diese hat deklaratorischen Charakter und bezieht sich auf das Arbeitnehmerentsendegesetz des Bundes, was aus unserer Sicht ausreichend ist, weil wir damit das regeln, was wir regeln können.

Die Regelung im Mittelstandsförderungsgesetz bewegt sich im Rahmen der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs und verstößt dadurch auch nicht mehr gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs nach Artikel 49 des EG-Vertrags, was beim ursprünglichen Tariftreuegesetz des Landes bekanntlich der Fall und gleichzeitig das Problem war.

Dabei ging es uns um eine europarechtskonforme Neuregelung mit fairer Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, verbunden mit einer mittelstandsfreundlichen Vergabe und fairem Wettbewerb. Dies wird aus meiner Sicht mit Ihrem Gesetzentwurf nicht erfüllt.

Nach der bestehenden Tariftreueregelung können öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die sich den Mindestarbeitsbedingungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes verpflichten. Die Regelungen beziehen sich nicht mehr wie im alten Tariftreuegesetz, das damals außer Kraft gesetzt wurde, auf bestimmte Branchen. Sie gelten in den Bereichen, in denen es Tarifverträge gibt, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Dies ist im ÖPNV-Bereich nicht der Fall. Deswegen hatten wir uns gegen die Einbeziehung des ÖPNV entschieden, weil wir eine rechtlich einwandfreie Regelung haben wollten.

Meine Damen und Herren, der jetzt von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist im Großen und Ganzen wenig überraschend. Er ist sicher von Ihnen gut gemeint, aber leider nicht gut gemacht.

Ich möchte vorweg das Positive benennen. Das geht relativ schnell. Sie ändern in Artikel 2 konsequenterweise auch das Mittelstandsförderungsge

setz. Den Vorrang der privaten Leistungserbringung, den Sie hier immer so heftig kritisiert haben, wollen Sie interessanterweise aber nicht mehr streichen. Das finden wir großartig. Wir begrüßen das. Wir wissen nur nicht, ob das ein Versehen war oder späte Einsicht. - Anhand der Reaktion des Kollegen Harms erkenne ich, dass das wahrscheinlich ein Versehen war. Deswegen werden wir wahrscheinlich noch weitere Debatten darüber haben.

(Zuruf Abgeordneter Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich hätte es vielleicht besser nicht sagen sollen. Ich bin aber für Transparenz. Deswegen habe ich das angesprochen.

Herr Stegner, außerdem möchte ich Ihnen helfen bei der Umsetzung Ihrer strammen sozialdemokratischen Politik. Sie sind ja wieder neu in der Regierung, deswegen werde ich Ihnen gern helfen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So sind wir! - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Es gibt auch nette Liberale!)

- Genau, Herr Kollege Dr. Stegner.

Abgesehen von der Frage nach der Rechtssicherheit des Gesetzentwurfs, die wir anzweifeln, aber im Rahmen der Anhörung noch umfangreich prüfen können, muss man feststellen, dass Ihr Entwurf nicht gerade ein Beitrag zum Bürokratieabbau ist. Das hätten wir von Ihnen auch nicht erwartet, aber ein solches Bürokratiemonster hätte es auch nicht sein müssen, das am Ende letztlich nur den großen Unternehmen in die Hände spielt und dem lokalen Handwerk und den Mittelständlern in unserem Land schadet, weil diese bei der korrekten Anwendung des Gesetzes kaum eine faire Chance haben werden, die von Ihnen geforderten Maßnahmen belegen zu können.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Stegner, Sie sind heute wirklich gut aufgelegt. Ich freue mich.

Sie müssen sich einmal die Frage stellen, wie ein Handwerksmeister mit etwas mehr als 20 Angestellten sinnvoll darlegen kann, dass er wie im Gesetz gefordert - ich zitiere - „bei der Ausführung des Auftrags Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie zur Gewährleistung der Gleichbehandlung von Beschäftigten im eigenen Unternehmen“ durchführt oder einleitet. Wie wollen Sie das überwachen? Das frage ich Sie.

(Christopher Vogt)