Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

- Das werde ich tun. - Das wäre vielleicht ganz sinnvoll, weil Sie auch stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD sind - immerhin einer Regierungspartei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Neue Richtervereinigung hat sich laut der „WELT“ von heute wie folgt eingelassen:

„Die Ende Januar angestrebte, aber am Widerstand anderer Richter gescheiterte gemeinsame Aktion sei ‚mit dem Amt einer Gerichtspräsidentin beziehungsweise Gerichtspräsidenten unvereinbar‘, kritisierte der Landesverband der Neuen Richtervereinigung am Donnerstag in Reinbek... Denn die Erklärung sollte das Ziel haben, ‚die Justizministerin im politischen Meinungskampf gezielt und unter Einsatz des ‚Präsidentenbo

(Burkhard Peters)

nus‘ zu stützen und im Amt halten zu wollen‘“.

Eine gleichlautende Erklärung hat gestern der Richterverband Schleswig-Holstein abgegeben. Das ist mit Sicherheit kein Organ der Opposition, sondern die Berufsvereinigung aller Richterinnen und Richter in Schleswig-Holstein.

Mehr wäre dazu eigentlich nicht zu sagen. Mein Empfinden ist: Vielleicht noch ein bisschen mehr Sensibilität bei der ehemaligen Rechtsstaatspartei SPD und bei der ehemaligen Rechtsstaatspartei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, worin der Unterschied zwischen einer freien Meinungsäußerung und der Äußerung mithilfe des Amtsbonus besteht!

(Zuruf CDU: So ist es!)

Mir fällt äußerst schwer, in der Debatte zu argumentieren, weil ich Frau Fölster persönlich sehr gut kenne und weil ich sie sehr schätze. Ich kenne auch Herrn Flor. Ich bin zwar nicht immer mit allem einverstanden, was die Rechtsprechung ergeben hat, aber ich kann sicher sagen, dass er ein guter Jurist ist und dass seine Entscheidungen nie willkürlich waren.

Aber wenn wir in diesem Land nicht mehr die Sensibilität haben, zwischen freier Meinungsäußerung und Eingriff in den politischen Meinungskampf mithilfe des Amtsbonus zu unterscheiden, ist diesem Rechtsstaat in Schleswig-Holstein mit Sicherheit nicht mehr zu helfen.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Herr Kollege Dr. Stegner, Herr Peters, ich nehme für mich in Anspruch, dass ich, egal was passiert, diese Auffassung vertrete.

Sie hätten das eben richtig zitieren können. Als der Herr Innenminister damals - wir waren mit ihm übrigens in einer gemeinsamen Koalition - die Entscheidung des Amtsgerichts kritisiert hat, habe ich ihn vors Brett genommen - er beschwert sich heute noch darüber - und gesagt: Was für eine Unverfrorenheit, dass der Innenminister mit seinem Amtsbonus als Verfassungsminister eine entsprechende Entscheidung öffentlich kritisiert und damit gedenkt, die Richterin einzuschüchtern.

(Martin Habersaat [SPD]: Diktaturvergleiche angestellt?)

- Diktaturvergleiche? Kennen Sie ein anderes Land außer Diktaturen, in dem die Justizpräsidenten eine politische Eloge an die politische Führung abgeben? Kennen Sie das tatsächlich? Ich nicht!

(Beifall FDP und CDU)

Deshalb wundere ich mich auch darüber, warum wir diese Differenzierung nicht mehr bei uns hinbekommen. Ich habe Anke Spoorendonk in dieser Frage nicht angegriffen. Ich habe mich zu Herrn Flor und zur Frage geäußert, ob ein Verfassungsgerichtspräsident im Amt bleiben kann, wenn er sich aus welchen guten Gründen auch immer auf diesen Weg begibt.

Ich zitiere, Herr Kollege Dr. Peters, aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 1987:

(Christopher Vogt [FDP]: Er hat gar keinen Doktor! Aber er hat ja Geburtstag!)

- Völlig egal. Herr Kollege Peters darf das hinnehmen, er muss es nicht dementieren. Er darf den Titel nur nicht aktiv verwenden.

Ich zitiere aus der Entscheidung, die übrigens durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist:

„Die Pflicht zu der durch das Amt gebotenen Mäßigung und Zurückhaltung gebietet ihm jedoch,“

- in besonderer Weise

„eine klare Trennung zwischen dem Amt und seiner Teilnahme am politischen Meinungskampf einzuhalten. Er darf bei seinen privaten Äußerungen nicht den Anschein einer amtlichen Stellungnahme erwecken. Er verletzt seine“

- sich aus dem ihm anvertrauten Richteramt ergebende

„Pflicht auch, wenn er das Amt und das mit diesem“

- aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Ausgestaltung

„verbundene Ansehen und Vertrauen durch Hervorhebung dazu benutzt und einsetzt, um seiner Meinung in der politischen Auseinandersetzung mehr Nachdruck zu verleihen und durch den Einsatz des Amtes eigene politische Auffassungen wirksamer durchzusetzen. Dafür ist ihm das Amt nicht übertragen.“

Wenn wir ehrlich miteinander sind, wissen wir doch, dass beide - aus welchen Gründen auch immer - genau dieses Prinzip verletzt haben. Denn sie haben die Gerichtspräsidenten aufrufen wollen, als solche Erklärungen abzugeben. Sie haben sich nicht

(Wolfgang Kubicki)

als Personen geäußert, die auch noch ein Richteramt ausüben.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist spekulativ! Es gab doch gar keine Er- klärung! - Lachen CDU und FDP)

- Wir haben doch gerade von Herrn Dr. Stegner und von Herrn Peters - mit großer Verve vorgetragen gehört, wie massiv sich die schleswig-holsteinische Richterschaft hinter die Justizministerin gestellt habe. Das kann doch nur aufgrund einer Erklärung gekommen sein. Oder wusste er, was alle Präsidentinnen und Präsidenten denken?

Man stelle sich vor, die beabsichtigte Erklärung hätte wie folgt gelautet: Aus Anlass aktueller Pressemeldungen erklären Präsidentinnen und Präsidenten der schleswig-holsteinischen Gerichte: Die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren mit Frau Ministerin Spoorendonk und Herrn Staatssekretär Dr. Schmidt-Elsaeßer war nicht von Offenheit und nicht von kommunikativer Einsichtnahme geprägt, sondern von Inkompetenz und anderen Dingen mehr. Vertrauensvolle Zusammenarbeit war bisher nicht möglich und wird auch künftig nicht möglich sein. - Hätten wir dann auch noch alle gesagt: freie Meinungsäußerung, wenn die Gerichtspräsidenten dies unter Angabe ihres Titels veröffentlicht hätten? Ich hätte mich genauso dagegen gewehrt, weil es nicht Aufgabe dieser Personen ist, politische Entscheidungsträger in entsprechender Weise zu klassifizieren.

Noch einmal: Wir wissen doch auch, dass dies auch einen Einfluss auf die künftige Wahlkampfführung gehabt hätte. Lars Harms hätte doch als Erster beim nächsten Wahlkampf erklärt: Die Justiz steht komplett hinter der Ministerin, sie hat einen Vertrauensvorschuss und muss im Amt bleiben. Selbstverständlich muss das doch auch Menschen wie Frau Fölster und Herr Dr. Flor bewusst sein, die in solchen Ämtern unterwegs sind.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters?

Bitte schön.

Herr Kollege Kubicki, können Sie mir erklären, wie und ob ein Bundesverfassungsgerichtspräsident jemals eine Erklärung abgeben kann, ohne dass das im Zusammenhang mit seinem Amtsbonus geschieht?

Das kann er nicht. Aber wenn der Bundesverfassungsgerichtspräsident auf dem Bogen des Bundesverfassungsgerichts eine Erklärung als Bundesverfassungsgerichtspräsident abgibt - nicht als Heinrich Müller-Meisengeier, Di Fabio oder Papier, sondern als Bundesverfassungsgerichtspräsident -, dann überschreitet er in der Tat die Grenzen des Zulässigen, definitiv. Und das weiß er auch.

(Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir befanden uns eben noch auf der Ebene der E-Mails!)

- Herr Peters, Sie haben es doch auch gelesen, genau wie ich. Es war geplant, dies auf dem offiziellen Pressezettel der Gerichtspräsidenten zu verteilen. Allein die Idee ist schon etwas, wozu man Richtern sagen muss: Wenn ihr euren Beruf und die Entscheidungen dazu versteht, dann dürft ihr selbst doch gar nicht auf die Idee kommen.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Hört, hört!)

Lassen wir das doch einfach einmal so stehen. Der Herr Ministerpräsident hat das Richtige dazu gesagt: Es war wahrscheinlich gut gemeint, aber es ist komplett nach hinten losgegangen.

Was mich dabei aber betrübt - auch das sage ich, weil jeder weiß, dass ich den Staatssekretär Schmidt-Elsaeßer wirklich für einen guten Staatssekretär und einen guten Juristen halte

Herr Fraktionsvorsitzender, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Den Satz möchte ich zu Ende bringen, Herr Präsident, dann gern.

Bitte, gern.

(Wolfgang Kubicki)

- weil ich ihn für einen guten Juristen halte -, ist, dass er davon erfährt und nicht erklärt: Jungs und Mädels, lasst das, das passt irgendwie nicht ins System, sondern sagt: Das ist eure eigene Entscheidung, was ihr damit macht. - Das erschüttert mich tatsächlich. - Denn Ihre Aufgabe wäre es gewesen, sie davon abzuhalten, sich als Gerichtspräsidenten in entsprechender Weise zu äußern, und das nicht laufen zu lassen.

(Beifall FDP, CDU und Wolfgang Dudda [PIRATEN])