Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

- Wir beide zusammen liegen immer noch über dem Durchschnitt.

(Heiterkeit)

Mir geht es einfach darum, dass wir die Bevölkerungszahl so nicht halten können, wenn wir uns nicht auch Gedanken darüber machen, wie wir die Einwanderung hinbekommen.

Wichtig bei diesen Zuwanderungsraten ist auch die Frage: Wie viele der Menschen kommen aus Deutschland? Bei denen besteht ja überhaupt kein Problem; die kommen einfach zurück. Wie viele davon haben einen ausländischen Pass und haben all diese Restriktionen erlebt, die es insoweit gibt? Genau an diesem Punkt müssen wir ansetzen.

Selbst wenn wir eine gleichbleibende Einwohnerzahl hätten, müssten wir uns die Frage stellen: Was tun diese Menschen denn? Damit sind wir wieder bei dem, was Heiner Garg vorhin sagte, nämlich dass es wieder mehr Rentner geben wird, dass also mehr Menschen aus dem Arbeitsleben herausgehen. Wenn wir aber zu wenig Menschen haben, die im Arbeitsleben stehen, dann haben wir auch zu wenig Menschen, die in die Rentenkasse einbezahlen, damit überhaupt Renten ausbezahlt werden können.

Eine solche Entwicklung führt dann automatisch dazu, dass wir zu dem Schluss kommen müssen, dass wir eine Bevölkerungssteigerung in diesem Land zumindest für die nächsten 20 bis 30 Jahre brauchen, um es überhaupt hinzubekommen, dass wir auch die Rentenkasse bedienen können. Das ist nur ein winziges Argument.

Wir reden also noch nicht einmal über unseren Wohlstand, den wir schaffen wollen; wir reden dabei auch noch nicht über Export, wir reden auch noch nicht über die vielen Qualifikationen, die diese Menschen mitbringen und die auch ein Wert an sich sind.

Es ist eine Tatsache, dass wir Einwanderung benötigen. Die Einwanderung ist dringend notwendig für unsere Wirtschaft und für unsere Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund freue ich mich auf jeden Bürger, der neu zu uns kommt. Es wäre schon eine tolle Sache. Wenn wir den Leuten das Herkommen und Bleiben so gut wie möglich erleichtern könnten, würden wir als Politiker genau das Richtige machen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Kai Dolgner)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung erteile ich nunmehr das Wort dem Herrn Innenminister Stefan Studt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wird die aktuelle Debatte zum Thema Einwanderungsgesetz richtigerweise nun auch in diesem Hause aufgenommen. Die bislang recht lebhafte Debatte zeigt, dass es viele Ansätze gibt, die wir im Weiteren auch beraten sollten.

Hierzu haben sich in jüngerer Vergangenheit viele politische und gesellschaftliche Kräfte geäußert, ohne dass es bislang eine erkennbare Struktur gäbe. Grundlage kann sicherlich der vorliegende Antrag sein. Aber auch das, was wir momentan auf Bundesebene von der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegt bekommen haben, ist ein Antrag für ein modernes Einwanderungsgesetz. Es ist angelegt als Einladung an die anderen Fraktionen und an die Gesellschaft, gemeinsam eine Diskussion über ein zukunftsfähiges Konzept für Einwanderung, Integration und gleichberechtigte Teilhabe zu führen.

Ich stehe der Debatte und der Einführung eines Einwanderungsgesetzes aufgeschlossen gegenüber. Brücken bauen, Grenzen überwinden, Mauern überwinden, Menschen willkommen heißen; dafür steht diese Landesregierung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Allerdings teile ich auch die Einschätzung vieler Fachleute, dass schon das gegebene Zuwanderungsregime viele Möglichkeiten und einen guten rechtlichen Rahmen für gewollte Zuwanderung bietet. Ich will nur einen Satz aus dem aktuellen Aufenthaltsgesetz zitieren, der heißt:

„Es“

- das Aufenthaltsgesetz

„ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland.“

Schon heute kann nahezu jede Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz zu einer Niederlassungserlaubnis erstarken und schließlich in den

Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit münden.

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, den Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, aus einem Artikel in der „ZEIT ONLINE“ vom 5. Februar zu zitieren:

„Alle Forderungen, die in diesen Tagen an ein solches Gesetz gestellt werden, erfüllt unser Aufenthaltsgesetz schon: wie man Fachkräfte nach Deutschland holt, wie man den Familiennachzug regelt, die Blue Card, mit der Qualifizierte aus nicht EU-Ländern hier Arbeit suchen können - das steht alles längst drin.“

Tatsächlich werden die Einwanderungsbedingungen in Deutschland international mittlerweile als großzügig eingeschätzt. Das haben wir hier auch schon gehört. Dies wird unter anderem von der OECD in einem Ländervergleich in jüngster Zeit ausdrücklich bestätigt. Deutschland ist zurzeit weltweit das zweitbeliebteste Einwanderungsland.

Dabei darf man aber nicht vergessen, dass der Anstieg überwiegend auf die innereuropäische Wanderung zurückgeht. Ganze 75 % der dauerhaften Zuwanderer kommen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Deutschland. Diese Einwanderung im Zuge der geltenden Personenfreizügigkeit richtet sich nach europäischem Recht und dessen nationaler Umsetzung im Freizügigkeitsgesetz. Insbesondere im Bereich der Arbeitsmigration sind in den letzten Jahren grundlegende neue Weichenstellungen vorgenommen worden. Um es klar zu sagen: Der Zuzug von benötigten Arbeitskräften scheitert nicht an rechtlichen Hürden. In keinem anderen Land der 34 OECD-Staaten ist der Zuzug in den Arbeitsmarkt so stark gestiegen wie in Deutschland.

Meine Damen und Herren, die Vorteile einer gesonderten Kodifizierung des Einwanderungsrechts sind meines Erachtens folgende: Eine Interessengemengelage insbesondere mit dem Ordnungsrecht - wie im derzeitigen Aufenthaltsrecht würde vermieden werden. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Einwanderung und das klare Bekenntnis zur Einwanderung könnte durch eine klare und spezifische Zweckbeschreibung gefördert werden. Es könnte ein besseres Verfahren zur Ermittlung und Beschreibung des konkreten Einwanderungsbedarfs geregelt werden, damit wir wissen, worüber wir jetzt und in Zukunft reden. Auch die Möglichkeit der Werbung für eine Zuwanderung nach Deutschland könnte leichter werden.

Ich warne allerdings auch vor falschen Erwartungen an ein künftiges Einwanderungsgesetz. Ein Einwanderungsgesetz wird, darf und soll keinen maßgeblichen Einfluss auf den Zuzug von Flüchtlingen haben, da sie aus einer Notsituation heraus kommen. Hier darf es keine Kontingentierung geben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Auch wird eine voraussetzungslose Einwanderung Stichwort Bleiberecht für alle - nicht möglich werden. Ordnungs- und sicherheitsrechtliche Belange werden auf anderem Wege oder mit dem verbleibenden Aufenthaltsrecht zu bedienen sein. Denn neben den positiv besetzten Themen, über die wir heute viel gesprochen haben, wie eine Einwanderungssteuerung und andere Aspekte, werden auch immer ein Wegfall von Aufenthaltsrechten und eine erforderlichenfalls zwangsweise Aufenthaltsbeendigung in Deutschland zu regeln sein. Ein Aufenthaltsrecht wird auch immer an dem Sicherheitsempfinden der Bevölkerung - ich denke zum Beispiel an das Thema Terrorismusabwehr - zu messen sein. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht durch ein Einwanderungsgesetz einer öffentlichen Wahrnehmung Vorschub leisten, die Einwanderung in gute und schwierige Einwanderung unterscheidet.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zum Schluss meiner Ausführungen erlaube ich mir noch einmal, Herrn Schmidt zu zitieren, der gesagt hat:

„Ja, ich finde, das deutsche Zuwanderungsrecht ist sehr viel moderner und elastischer, als das manchmal klingt. Was wir brauchen, ist eine bessere Idee davon, wer wir sind, wer wir sein wollen.“

Das ist das, was, wie ich denke, auch heute in der Debatte heute deutlich geworden ist: Es gibt dort noch viel zu diskutieren.

In Schleswig-Holstein haben wir dazu mit unserer Migrations- und Integrationsstrategie und unserem Leitbild für eine Zuwanderungsverwaltung bereits Wegstrecken hinter uns, die andere noch vor sich haben. Unsere Ausländerbehörden zum Beispiel haben sich schon auf den Weg zu Zuwanderungsbehörden gemacht. Wir erleben hier die vielfach beschriebene Willkommenskultur.

Meine Damen und Herren, auch nach der Debatte heute und hier bleibt die Frage, wie ein Gesetzent

wurf für eine solche Bundesratsinitiative, wenn sie denn aus dem Lande Schleswig-Holstein kommen sollte, inhaltlich konkret aussehen soll. Viele dem Thema zugewandte Debattenbeiträge zeigen interessante Ansätze auf. Ich sehe der weiteren Erörterung in den Ausschüssen des Landtages und auch im politischen Raum gespannt und interessiert entgegen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Uli König [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb schließe ich die Beratung.

Es wurde beantragt, den Antrag in der Drucksache 18/2693 dem Innen- und Rechtsausschuss federführend und mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 16 auf:

Bericht zur Wohnraumförderung in SchleswigHolstein

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2702

Das Wort zur Begründung wird offenbar nicht gewünscht.

Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist auch dies einstimmig so beschlossen.

Für die Landesregierung erteile ich erneut dem Minister für Inneres und Bundesangelegenheit, Stefan Studt, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gern komme ich der Bitte nach und berichte dem Landtag über den Stand der Offensive für bezahlbares Wohnen und das neue Wohnraumförderungsprogramm.

(Minister Stefan Studt)

Im Januar 2013 offiziell durch die Vereinbarung mit der Wohnungswirtschaft und dem Mieterbund als breites Bündnis gestartet, hat die Offensive eine Reihe von Maßnahmen initiiert. Wir haben Transparenz geschaffen über die örtliche Entwicklung der Mieten durch das Mietengutachten und das ab 2014 jährlich erscheinende „Mietenmonitoring“ bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein, über die Entwicklung, Höhe und Zusammensetzung der Baukosten durch die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, über die Entwicklung der Einwohnerzahlen und den daraus folgenden Bedarf an Neubau in den Städten und Gemeinden des Hamburger Rands durch die kleinräumigen Bevölkerungsprognosen. Statt gefühlter Mietenexplosion, nicht kalkulierbarer Baukosten und interessengeleiteter Annahmen über den tatsächlichen Baulandbedarf haben wir jetzt objektive Daten und Entscheidungsgrundlagen, auch für die Wohnungswirtschaft und die Kommunen.

Das Innenministerium hat gemeinsam mit der Investitionsbank und der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen und in Einbindung der Wohnungswirtschaft, der kommunalen Verbände und des Mieterbunds die Förderbestimmungen neu aufgestellt. Damit ist künftig die Konkurrenzfähigkeit zu niedrigen Marktzinsen und steigenden Mieten wieder gegeben, und das bei seit 15 Jahren annähernd gleich gebliebenen Nettokaltmieten für geförderten Wohnraum. Berechtigte Mieterinnen und Mieter profitieren somit von einer effektiven Wohnkostenentlastung gegenüber dem freien Markt von bis zu 4 €/m².

In den Bedarfsregionen - also den Städten Kiel und Lübeck, den Kommunen des Hamburger Rands sowie auf Sylt - haben wir verschiedene Förderwege initiiert und damit die Zielgruppe der Sozialen Wohnraumförderung erweitert, um die angesichts hoher Mieten zunehmend ebenfalls von Ausgrenzung bedrohten Normalverdiener stärker zu berücksichtigen.