Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2974
b) Halbjährlicher schriftlicher Sachverstandsbericht der Landesregierung über die Umsetzung des Flüchtlingspaktes
Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3029
Wir kommen zur Beratung. Für die SPD-Fraktion hat zunächst die Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.
- Es soll alles seine Ordnung haben. - Mit dem Antrag Drucksache 18/2974 liegt der Antrag vor, die Landesregierung möge in der 32. Tagung mündlich über die Flüchtlingskonferenz der Landesregierung berichten. Wer dem so zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.
Ich bitte die Landesregierung, den für Inneres und für Bundesangelegenheiten zuständigen Minister Stefan Studt, diesen Bericht zu erstatten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr gern komme ich dem Wunsch nach, hier mündlich zu berichten. Am 6. Mai 2015 hat die Landesregierung gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus Kommunen, Wirtschaft, Kirchen, Ehrenamt, Wohnungswirtschaft, der freien Wohlfahrtspflege, den Verbänden und weiteren Beteiligten vor über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der
Flüchtlingskonferenz den gemeinsam erarbeiteten Flüchtlingspakt vorgestellt. Das waren ein ganz besonderer Tag und ein echter Meilenstein im bereits länger laufenden Prozess der Integrationspolitik unseres Landes.
Der Pakt gibt der Überschrift einer „integrationsorientierten Aufnahme von Flüchtlingen“ ein tragfähiges Fundament mit wirklich belastbaren und konkreten Bausteinen. Mit der Migrations- und Integrationsstrategie des Landes hat die Landesregierung bereits im letzten Jahr erstmalig ein Leitbild formuliert, das Migration und Integration strategisch zusammenfasst. Dieser bundesweit einmalige Ansatz macht Schleswig-Holstein zum Vorreiter. Integrationspolitik orientiert sich dabei erstmalig das ist mir besonders wichtig zu betonen - an den Lebenslagen der Menschen und eben nicht nur an ihrem Aufenthaltsstatus.
Wir wollen Integrationspolitik vom ersten Tag an unterstützen - ein echtes Willkommenheißen im ersten Moment des Ankommens.
Wir wollen einen sofortigen Zugang zu Sprachund Orientierungskursen, der sich nicht am Status orientiert. Selbst wenn am Ende eines Verfahrens die Rückkehr steht, sind die Menschen einfach um diese Erfahrungen reicher.
Wir wollen Potenziale und Fähigkeiten der Frauen und Männer, die zu uns kommen, nicht brachliegen lassen. Wir werden diese Menschen, die allein mit ihrer Flucht Mut, Durchhaltevermögen und Entscheidungsstärke bewiesen haben, nicht ins Abseits des Nichtstuns verbannen. Schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen werden künftig Beratungsgespräche für eine gezielte Berufsanerkennung, Schulung und Jobsuche geführt werden. Hierzu passt in Ergänzung auch gut die gestrige Beschlussfassung in der Kieler Ratsversammlung.
Ein zentraler Schlüssel ist bereits die gezielte Verteilung der Flüchtlinge auf die Kreise. Nicht das Zufallsprinzip nach Einwohnerschlüssel wie bisher, sondern das wahre Leben sollte der Maßstab sein. Die unterschiedlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und familiären Verhältnisse der Menschen auf der einen Seite und die verschiedenen örtlichen Gegebenheiten und Bedarfe der Regionen auf der anderen Seite müssen die Entscheidungsgrundlage bil
An dieser Stelle will ich nicht weiter ins Detail gehen. Der Flüchtlingspakt mit seinen konkreten Zielvorgaben und Maßnahmen ist im Internet abgebildet und nachvollziehbar. Dieser zeigt in 14 umgrenzten Handlungsfeldern greifbare Zielgrößen auf, die die integrationsorientierte Aufnahme vom ersten Tag an gelingen lassen werden und die wir in gut eineinhalb Jahren gemeinsam überprüfen wollen.
Die Inhalte dieses Paktes sind den Teilnehmern der Flüchtlingskonferenz in zehn Workshops vorgestellt worden. Es sind weitere Schritte diskutiert worden. Die Konferenz war der Startschuss zu der nun anstehenden Umsetzungsarbeit mit allen Beteiligten.
Hier gelingt erstmalig ein Prozess, der alle Schnittstellen der komplexen Fragestellung von Integrations- und Migrationspolitik zusammenbringt. Sprache und Arbeit, Wohnen und Ehrenamt, Integrationssteuerung und Zuwanderungsverwaltung - all diese Dinge und noch einiges mehr lassen sich nur zusammendenken und weiterentwickeln. Das werden wir mit vereinten Kräften bis Ende nächsten Jahres mit Hochdruck tun. Dann wird Zwischenbilanz gezogen und anhand der im Flüchtlingspakt formulierten Zielmargen evaluiert und gegebenenfalls nachgesteuert.
Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Ressorts und natürlich auch die externen Paktpartner große Leistungsfähigkeit bewiesen haben. Alle Beteiligten haben sich mit wirklich herausragendem Engagement der gemeinsamen Arbeit und der Erarbeitung der Zielvereinbarungen gewidmet.
Um der Sache - oder vielmehr: um der schutzsuchenden Menschen - willen haben alle gemeinsam an einem Strang gezogen. Auch das, was auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen schwierig erschien, ist gelungen, nämlich die Vereinbarung zwischen den kommunalen Landesverbänden und der Landesregierung. Mit der neuen Integrationspauschale erlangen die Kommunen vor Ort Planungssicherheit, und die Kreise erhalten vom Land finanzierte Stellen für die Koordinierung der integrationsorientierten Aufnahme vor Ort.
Das Engagement vor Ort, in den Gemeinden, in den Vereinen und den unzählbaren Initiativen, das wir im Lande erleben dürfen, ist wirklich mehr als beeindruckend.
Meine Damen und Herren, wir sehen: SchleswigHolstein steht zusammen und stellt sich der humanitären Verantwortung. Dafür mein ganz persönlicher Dank und insbesondere auch die Anerkennung der gesamten Landesregierung.
Den erschreckenden und alarmierenden Einzeltaten von Angriffen auf Unterkünfte für Asylsuchende steht damit eine vielfach größere und wirkungsmächtigere Welle der Hilfsbereitschaft gegenüber. Die Menschen in unserem Land nehmen sich der Frauen, Männer und Kinder, die bei uns Zuflucht suchen, beherzt an.
Auch wir auf Landesebene werden unseren gehörigen Teil der politischen Verantwortung weiter übernehmen, nicht nur das Verfahren zu beschreiben und zu leiten. Der Prozess darf und wird nicht an Fahrt verlieren. Die Errichtung weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen in unseren weltoffenen Hochschulstädten steht dabei ebenso auf der Tagesordnung wie die Beratung über eine bedarfs- und chancenorientiere Verteilregelung. Neben der Steuerung und Koordinierung nach innen werden wir natürlich auch im regen Austausch mit dem Bund und den Ländern bleiben. Gern berichte ich hier im entsprechenden zeitlichen Rhythmus über den Fortgang des Themas, das uns wirklich alle angeht. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Dann kommen wir jetzt zu den Beratungen. Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Serpil Midyatli.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz herzlich möchte ich mich zunächst einmal für den Bericht hier bedanken.
Ihnen allen liegt der Flüchtlingspakt schriftlich vor. Ich würde meine Ausführungen gern auf drei Schwerpunkte konzentrieren, in denen es aus meiner persönlichen Sicht sehr wichtig ist voranzukommen.
Das Erste betrifft den Ausbau der Landesunterkünfte. Wie Sie wissen, ist das eine primäre Aufgabe des Landes. Hier sind sozusagen wir am Zug.
Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten erleben, dass sich in unserem Land einiges verändern wird - und das ist auch gut so. Insbesondere in den Städten Kiel und Lübeck, aber auch in Flensburg, werden neue Landesunterkünfte gebaut, die wir dringend brauchen, um eine Entlastung in den Kommunen zu erhalten. Ich glaube, das ist sehr wichtig, und wir werden uns tatsächlich auch daran messen lassen müssen, inwieweit wir da unserer Zielvereinbarung nachgekommen sind.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass die im Nachtragshaushalt geschaffenen Voraussetzungen, der bereits im Kabinett beschlossen ist und über den wir hier im nächsten Monat miteinander diskutieren, diese Weichenstellungen auch ganz klar zeigen werden.
Der zweite Bereich: eine enorme Entlastung für die Kommunen. Wir haben hier schon oft miteinander diskutiert und auch oft schon Dinge gehört, die der Unwahrheit - das darf ich ja sagen - entsprechen, nämlich dass den Kommunen nicht geholfen werde. Wir haben den Kommunen von Anfang an geholfen.
Aufgrund der zusätzlich steigenden oder zu erwartenden steigenden Flüchtlingszahlen haben wir hier noch einmal nachgelegt. Der Minister hat es ausgeführt. Es gibt 30 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Koordinierung, Betreuung und Beratung von Flüchtlingen, die direkt in den Kreisen und Städten angesiedelt werden sollen. Das sind 30 zusätzliche Stellen, mit denen dort geholfen werden soll.
Dann muss man hervorheben - das ist auch noch einmal eine Besonderheit -, dass wir zwar die Betreuungskostenpauschale im letzten Haushalt bereits erhöht hatten, diese jetzt aber noch einmal auf neue Füße gestellt haben. Mittlerweile sind es 900 € pro Flüchtling, die direkt in den Kreisen ankommen sollen. Das ist auch mit den kommunalen Landesverbänden so vereinbart worden.
- Richtig, das Geld soll direkt in den Gemeinden ankommen. In diesem Zusammenhang ist noch einmal die Besonderheit hervorzuheben, dass hiermit explizit eine Unterstützung der Ehrenamtler vor Ort