Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

(Wolfgang Kubicki)

Wirtschaftswachstum geschaffen hat, sondern ausschließlich daran, dass in Schleswig-Holstein Kriegswaffen für befreundete und nicht befreundete Staaten produziert und ausgeliefert wurden.

(Beifall FDP)

Herr Kollege Dr. Stegner, habe ich es richtig verstanden, dass die SPD in Schleswig-Holstein dafür eintreten wird, dass die Werft dort drüben noch mehr U-Boote, noch mehr Fregatten und noch mehr Korvetten baut, die geliefert werden können, damit Sie sich mit dem Erfolg einer BIP-Steigerung feiern lassen können? Es wäre interessant zu hören, wie Sie dazu stehen. Ob Sie sich damit rühmen wollen, bleibt Ihnen überlassen.

Bevor wir zu den rot-grün-blauen Weichenstellungen für Schleswig-Holsteins Zukunft zurückkommen, müssen wir feststellen, dass diese Landesregierung in der Vergangenheit für viele Entwicklungen nicht nur die Weichen falsch gestellt hat, sie hat auch lange absehbare Entwicklungen gefährlich verschleppt. An dieser Stelle ist das Stichwort Flüchtlingspolitik zu nennen. Ich kann Ihnen das nicht ersparen, weil uns dieses Thema ebenso wie Ihnen am Herzen liegt.

Bereits im Bericht der Landesregierung mit dem Titel „Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen“, Drucksache 18/155, vom 18. September 2012 wies die Landesregierung selbst auf kontinuierlich steigende Zugangszahlen der Asylbegehrenden hin.

Ein Jahr später, am 25. September 2013, forderte der Landtag die Landesregierung in einem einstimmig gefassten Beschluss auf, angesichts der immer drängender werdenden Herausforderungen ein gemeinsames Konzept von Land und Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen. Geschehen ist dann fast ein Jahr lang gar nichts. Wir sehen jetzt, welche fatalen Auswirkungen diese Untätigkeit hat.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das stimmt nicht!)

- Doch. Bei den Erstaufnahmeeinrichtungen, für die genuin das Land zuständig ist, sind Sie viel zu spät in Tritt gekommen. Faktisch hangeln wir uns größtenteils immer noch von Notunterkunft zu Notunterkunft.

(Beifall FDP)

Ich weiß, dass Ihnen das wehtut. Ich weiß, dass Sie das schmerzt, aber die eigene Untätigkeit jetzt dazu zu missbrauchen, zu sagen, man müsse aus der Not heraus sofort handeln, ohne die entsprechenden Be

teiligungsformen einhalten zu können, ist ein Ausweis Ihrer missratenen Politik.

Um nicht missverstanden zu werden: Wir danken ausdrücklich Herrn Oberbürgermeister Dr. Tauras und den Beteiligten vor Ort in Neumünster, in Seeth sowie an den anderen Notunterkünften im Land für ihre unbürokratische und vor allem schnelle Hilfe.

(Beifall FDP und CDU)

Für diese Landesregierung sind solche Nacht- und Nebelaktionen zur Errichtung von Notunterkünften, wie wir sie noch in der vergangenen Woche in Neumünster erleben mussten, aber ein flüchtlingspolitisches Armutszeugnis, insbesondere angesichts dessen, dass es schon lange entsprechende Beschlüsse des Landtags hierzu gibt. Frau Midyatli, das gilt beispielsweise für die Frage, welche Einrichtungen überhaupt infrage kommen können, wie sie hergerichtet werden müssen, und zwar unabhängig von der Frage, ob 3.000, 10.000 oder 20.000 Menschen dort unterkommen. Diese Frage hätte man schon längst klären können. Man hätte dabei auch die Beteiligten vor Ort in die Entscheidungsprozesse einbinden können. Das ist aber nicht geschehen.

An hehren Ratschlägen mangelt es SPD, Grünen und SSW nie, wenn es darum geht, dass andere ihrer Verantwortung gerecht werden sollen. Noch im Mai-Plenum hatten die Koalitionäre die europäische Gemeinschaft aufgefordert, ihre humanitäre Verantwortung für die steigenden Flüchtlingsströme wahrzunehmen. Ministerpräsident Albig wurde nicht müde, von Berlin mehr Geld für die Länder zu fordern. Zugleich aber kommt diese Landesregierung ihrer eigenen Verpflichtung in der Flüchtlingspolitik offensichtlich nicht ausreichend nach.

Eine Konsequenz der flüchtlingspolitischen Verschleppung durch diese Regierung war die Entscheidung der Lübecker Bürgerschaft gegen den Verkauf des Bornkamp-Geländes. Die Landesregierung muss sich nicht wundern, wenn die von ihr hastig angeschobenen Projekte von den Entscheidungsträgern vor Ort nicht immer nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam befolgt werden.

(Beifall FDP und CDU - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ein Unsinn!)

Beteiligung wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Dafür sei die Zeit zu knapp, hat Frau Staatssekretärin erklärt.

(Unruhe SPD)

- Dazu komme ich jetzt, Herr Dr. Stegner.

(Wolfgang Kubicki)

Wenn dann auch noch seitens der SPD-Landtagsfraktion Beschimpfungen und Drohungen in Bezug auf die souveräne demokratische Entscheidung der Lübecker Bürgerschaft ausgestoßen werden, dann sind erhebliche Zweifel

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- alles in Ordnung - am demokratischen Verständnis einiger schleswig-holsteinischer Sozialdemokraten angebracht.

(Beifall FDP und CDU)

Dass die stellvertretende Vorsitzende der SPDLandtagsfraktion, Serpil Midyatli, in den „Lübecker Nachrichten“ vom 26. Juni 2015 erklärte, die Lübecker Abgeordneten würden - Zitat - „zur Rechenschaft gezogen“, falls es bei der Flüchtlingsunterbringung zu Engpässen käme, war schon schlimm genug.

(Zuruf SPD: Unglaublich!)

Der SPD-Landesvorsitzende Dr. Stegner setzte aber noch einen drauf und stellte die Bürgerinitiative, die lediglich für eine kleinere Einrichtung warb, kaum verklausuliert mit dem jüngsten ausländerfeindlichen Brandanschlag in Kücknitz in Verbindung. Die Menschen, Herr Kollege Dr. Stegner, erwarten von Ihnen zu Recht eine Entschuldigung für diese unsägliche Entgleisung.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN - Wort- meldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu, Herr Dr. Stegner. Sie können sich gern noch zu Wort melden.

Der Ministerpräsident sagte im „LN“-Interview vom 5. Juli 2015, er habe eine solche Entscheidung aus der Stadt von Willy Brandt nicht erwartet.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss zugeben, Herr Dr. Stegner: Ich habe ein solches Gebaren von den politischen Erben Willy Brandts nicht erwartet.

(Beifall FDP und CDU)

Willy Brandt wollte mehr Demokratie wagen. Sie hingegen werfen denjenigen, die nicht Ihrer Auffassung sind, unmoralisches und verwerfliches Verhalten vor. Damit zerschlagen Sie viel mehr demokratisches Porzellan, als Sie sich vorstellen können.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Dr. Ralf Steg- ner [SPD])

- Aber die Meinungsfreiheit gilt nicht nur für Sie, Herr Dr. Stegner. Ich sage noch einmal: Wenn wir die Menschen in unserem Land nicht entsprechend mitnehmen, sondern sie vor vollendete Tatsachen stellen, werden sie sich dagegen wehren, und zwar gegen das Prinzip Ihrer Politik, nicht gegen Flüchtlinge; darum geht es gar nicht.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Es ist eine „Schande“, wenn ich Ihre Begrifflichkeit aufnehme, dass Sie doch mehr Demokratie wagen wollten, dass die Menschen doch beteiligt werden sollten, dass Sie eine Dialogkultur wollten, und mir anschaue, was Sie momentan machen; denn das ist das genaue Gegenteil. Wir hätten die Dialogkultur haben können, wenn diese Regierung vor mehr als zwei Jahren ihre Aufgaben wahrgenommen hätte. Dann hätten wir eine Dialogkultur gehabt und nicht das Prinzip: Friss,Vogel, oder stirb.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Es hat mich enttäuscht, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident, die Lage der Polizei im Land kaum gestreift haben. Auch Sie wissen es: Die Polizeibeamten im Land haben einen harten Job, und sie riskieren ihr Leben für unsere Sicherheit. Sie schieben vor allem in diesem Jahr durch viele außerordentliche Ereignisse einen Berg von Überstunden vor sich her, etwa durch den G7-Gipfel oder durch den Besuch des israelischen Staatspräsidenten. Dass die Personaldecke grundsätzlich viel zu kurz ist und langfristig auf Kosten der Motivation und Leistungsfähigkeit der Beamtinnen und Beamten geht, ist offensichtlich. Ich hätte heute erwartet, dass zu den Weichenstellungen für Schleswig-Holsteins Zukunft ebenfalls gehört, den Stellenabbau bei der Landespolizei mindestens zu stoppen, um unsere innere Sicherheit auch künftig zu gewährleisten, und die Aufgaben werden zunehmen.

(Beifall FDP und CDU)

Leider haben Sie sich hier ein Beispiel an Ihrem Innenminister genommen, der öffentlichkeitswirksam einen Neuanfang mit der Landespolizei versprochen hat, aber tatsächlich genau dort weitermachte, wo er aufgehört hat.

Im Sinne der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sei dieser Einschub in Richtung des Innenministers hier gestattet: Wer sich bei der Vorstellung gravierender Polizeistrukturmaßnahmen, vor allem bei der Wasserschutzpolizei, auf einer Pressekonferenz

(Wolfgang Kubicki)

von seinen Ministerialbeamten vertreten lässt, der hat die eigene Verantwortung für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nicht verstanden.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Da helfen Ihnen auch noch so publicity-trächtige Demutsgesten nicht weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zurück zu dem Motto: rot-grün-blaue Weichenstellungen für Schleswig-Holsteins Zukunft. Ich muss gestehen, ich war ziemlich überrascht, als ich diese Überschrift Ihrer Regierungserklärung gelesen habe, Herr Ministerpräsident. Ich stelle mir vor, Peter Harry Carstensen hätte in der vergangenen Legislaturperiode eine Regierungserklärung angemeldet, deren Titel gelautet hätte: schwarz-gelbe Weichenstellungen für Schleswig-Holsteins Zukunft. Sie hätten doch hier auf dem Tisch gestanden, Herr Dr. Stegner, und dem Regierungschef zu Recht vorgeworfen, es sei unerhört, dass das Verfassungsorgan Ministerpräsident im Landtag ganz offen und unverhohlen Parteipolitik verkauft und im Prinzip noch einmal das vorliest, was Sie als Parteien beim Koalitionsgipfel vereinbart haben.

(Beifall FDP und CDU)