Protokoll der Sitzung vom 17.07.2015

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Lehnert, ich möchte Sie eingangs meiner Rede nur daran erinnern, dass Sie an der Koalition auf Bundesebene beteiligt sind, die die gesetzlichen Voraussetzungen für das, was Sie hier beklagt haben, geschaffen hat.

(Beifall FDP und Olaf Schulze [SPD])

Meine Damen und Herren, der Wohnungsbau splittet sich zunehmend in, grob betrachtet, Luxus auf der einen Seite - hochpreisiger Wohnraum nimmt zu, auch der Neubau ist stark in diesem Segment -, und auf der anderen Seite verkommen schlichte Quartiere entweder nach dem Motto „Wenig investieren, aber kassieren“, oder sie werden nobelsaniert. Es kommt zur Verdrängung der ursprünglichen Wohnbevölkerung, Stichwort „Gentrifizierung“. Sozialwohnungen fallen aus der Mietpreis

bindung. Die Dauer der Bindung wird verkürzt. Öffentlich geförderter und damit verbilligter Wohnraum wird in zu geringem Maße nachgebaut, beklagt zum Beispiel der Mieterbund. Der geförderte Wohnungsbau wirkt nämlich immer auch preisdämpfend auf den Mietmarkt insgesamt.

Bezahlbarer und barrierearmer Wohnraum fehlt insbesondere für Familien mit mehreren Kindern und insbesondere in bestimmten Lagen, zum Beispiel am Hamburger Rand. Aber, Frau Midyatli, wir wissen es auch von unserer Gemeinde Eckernförde, dass die Mieten dort sehr teuer geworden sind.

(Zuruf Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Dergleichen Beispiele können wir noch mehrere über den Hamburger Rand hinaus in SchleswigHolstein finden.

Die Abwanderung von Familien in Stadtrandgebiete und Vorstädte bleibt zwar. Gleichwohl gibt es auch einen Trend zurück in die Stadt, gerade auch von Älteren. Auf Neudeutsch: Den Best Ager zieht es in die City.

Das verhindert nicht das Ausbluten der Innenstädte zugunsten von Gewerbegebieten auf der grünen Wiese und neumodischen Outlets wie in Neumünster. Diese Menschendrift in die Städte und zum Hamburger Rand führt zum Ausdünnen des ländlichen Raums. Dort sehen wir das Gegenteil: niedrige Mieten und zum Teil Leerstand.

Dann kennen wir noch das Sonderproblem der Inseln und Tourismushochburgen: Zunahme an Ferienvermietung, kein Wohnraum für Einheimische. Das Personal in der Tourismuswirtschaft wohnt nicht mehr am Arbeitsort, sondern pendelt.

Insofern haben wir es mit einer sehr vielschichtigen Situation zu tun. Die Mietpreisbremse ist dabei hören Sie zu, Herr Lehnert! - ein Baustein. Hier handelt die Landesregierung.

(Zuruf Volker Dornquast [CDU])

Die Mietpreisbremse ist ein Baustein unter mehreren Lösungen.

Die Offensive bezahlbarer Wohnraum Schleswig-Holstein wurde 2013 eingeleitet. Zwei von drei sozialen Mietwohnungen, die seit 2011 gefördert wurden, fallen in die Zeit ab dem Beginn der Offensive. Seit 2013 wurden landesweit insgesamt 2.273 Wohnungen gefördert. Acht von zehn geförderten Wohnungen entstehen in den hochpreisigen Regionen, 40 % im Hamburger Umland. Ab 2015 läuft das Wohnungsbauprogramm mit 360 Millionen € auf vier Jahre. Ich finde, diese Zahlen und

(Peter Lehnert)

Aktivitäten der Landesregierung können sich sehen lassen.

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass die Mietpreisbremse als regulatorisches Instrument nur ein Element unter mehreren sein kann, zumal sich damit bekanntlich keine Wohnungen bauen lassen. Aber dort, wo die Marktmacht zugunsten der Anbieterseite aus den Fugen gerät, muss der Mietmarkt reguliert werden können. Wir wollen die Landesregierung auffordern, so zu handeln.

Die CDU kommt mit einem eigenen Antrag. Der Kollege Lehnert muss zur Kenntnis nehmen, dass in Schleswig-Holstein nicht nur reguliert, sondern eben auch gebaut wird. Lesen Sie meine Rede nach. Die CDU fordert, dass - wörtlich - „kostentreibende Anforderungssteigerungen nur dann rechtlich festgeschrieben werden, wenn dies unbedingt erforderlich ist.“ Das bleibt auch nach Ihrer Rede erklärungsbedürftig, Herr Lehnert. Ich habe eine Ahnung, was Sie meinen, und sage dazu: Die Senkung von baulichen Standards, insbesondere was zum Beispiel wärmetechnische Vorschriften der EnEV angeht, ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lehnert, diese Zeiten sind vorbei. Billig bauen und dafür teuer in der Unterhaltung und Nutzung das ist von gestern, meine Damen und Herren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Herr Kollege, ich habe zu spät gesehen, dass Herr Lehnert eine Bemerkung machen möchte. Ich frage Sie, ob Sie sie zulassen.

Ich habe noch sehr viel Redezeit, insofern: Bitte schön!

Vielen Dank, lieber Kollege Matthiessen. Sie wollten wissen, warum wir das so formuliert haben. Ich kann da Aufklärung leisten. Es gibt eine sehr umfangreiche Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, von Herrn Walberg - das wird Ihnen sicherlich bekannt sein, Träger ist dort das Land Schleswig-Hol

stein -, mit dem Titel „Kostentreiber für den Wohnungsbau“, übrigens auch vom Mieterbund mit in Auftrag gegeben. Darin wird genau das ausgeführt, was an hohen Standards, an zusätzlichen regulatorischen Aufwendungen zur Kostenentwicklung in den letzten Jahren in entscheidendem Maße beigetragen hat. Der entscheidende Satz der Zusammenfassung ist:

„Wenn es in Zukunft weiter zu deutlichen Anstiegen bei den Gestehungskosten kommt, ist absehbar, dass sich vor allem die finanziell schwächeren Haushalte den Bezug einer Neubauwohnung nicht mehr leisten können.“

So die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen. Vorsitzender ist übrigens Herr Scharbach.

(Beifall Rainer Wiegard [CDU])

- Ein wunderbares Plädoyer für „Billig bauen und teuer unterhalten“. Herr Lehnert, was Sie an Standards beklagen, die wir streichen sollen, ist sämtlich bundesregulatorische Kompetenz. Sie regieren dort. Machen Sie dort über Ihre Partei entsprechende Vorschläge, dass der Bundesgesetzgeber dort handelt, wenn Sie das für erforderlich halten. Wir halten das nicht für erforderlich. Wir lehnen die Herabsetzung solcher insbesondere wärmetechnischen Standards ab. Das habe ich in meiner Rede eben deutlich gemacht. Sie haben das Heft des Handelns in der Hand. Hier in Schleswig-Holstein wollen wir aber mit der Mietpreisbremse vorangehen. Ich danke nochmals für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Peter Lehnert [CDU]: Da sagt die ARGE etwas anderes!)

Vielen Dank. - Nun hat der Abgeordnete Christopher Vogt von der Fraktion der FDP das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich zunächst etwas gewundert, als ich den vorliegenden Antrag gesehen habe, weil die Koalitionsfraktionen die Landesregierung darin ja zu etwas auffordern, was diese bereits mehrfach öffentlich angekündigt hat.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Insofern habe ich mich gefragt, was der tiefere Sinn dieser Debatte sein soll. Es ist offenbar, wie der

(Detlef Matthiessen)

Kollege Kumbartzky sagen würde, ein klassischer Schaufensterantrag, der den Beginn der parlamentarischen Sommerpause noch etwas hinauszögern wird. Aber sei’s drum. Das können wir gern tun.

(Beifall FDP - Serpil Midyatli [SPD]: Das ist die Qualität Ihrer Rede!)

- Die ist immer unfassbar hoch, Frau Kollegin.

Ich habe die Rede des Kollegen Lehnert mit Vergnügen gehört und kann sie inhaltlich voll unterstützen. Herr Kollege Lehnert, es wäre schön, wenn Sie sie beim nächsten Mal auf dem Bundesparteitag der CDU hielten.

(Beifall FDP und Martin Habersaat [SPD])

Dann wäre es, denke ich, insgesamt etwas besser.

Meine Damen und Herren, ich kann meinen Vorrednern zumindest bei der Problembeschreibung zustimmen: Ja, es muss vonseiten der Politik etwas getan werden. Wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum in bestimmten Bereichen Schleswig-Holsteins, gerade im Hamburger Umland, das ja auch schon angesprochen wurde, insbesondere für junge Menschen, für Familien mit Kindern und für Senioren, die sich einige Mieten nicht mehr leisten können. Das ist ein gesellschaftliches Problem.

Aber der Hauptgrund für steigende Mieten - darin sind wir uns hoffentlich alle einig - ist fehlender Wohnraum bei großer Nachfrage.

(Beifall FDP)

So einfach ist das. Wenn das so ist, dann kann die Lösung nur darin liegen, diesen Wohnungsmangel zu beseitigen und nicht, ihn zu verwalten, meine Damen und Herren. Das ist doch der entscheidende Punkt.

(Beifall FDP)

Wenn wir wissen, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt, dann muss es doch die Aufgabe sein, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das Land ist dazu ganz offensichtlich nicht in der Lage. Es ist ja auch nicht die Aufgabe des Landes, selber Wohnungen zu bauen. Deswegen müssen wir andere dazu befähigen, das möglichst schnell zu tun. Dafür brauchen wir sinnvolle Rahmenbedingungen und Anreize.

Meine Damen und Herren, ich bin, wie der Kollege Lehnert, der offensichtlich einer der letzten Marktwirtschaftler in der Christlich-Demokratischen Union ist, der Meinung, dass die Einführung der Mietpreisbremse da nicht nur sinnlos, sondern eigentlich kontraproduktiv ist.

Man sollte nicht hilflos versuchen, mit fragwürdigen Mitteln die Symptome zu bekämpfen. Man sollte sich lieber mit den Ursachen beschäftigen und das Problem an der Wurzel packen.