Protokoll der Sitzung vom 06.06.2017

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der konstituierenden Sitzung des Landtages führt der Alterspräsident den Vorsitz, bis durch Wahl über die Besetzung des Präsidentenamtes entschieden worden ist. Alterspräsident ist, wer dem Landtag die längste Zeit angehört hat und bereit ist, dieses Amt zu übernehmen. Nicht das numerische Alter ist entscheidend, sondern die Zugehörigkeit zum Landtag. Weisen mehrere Abgeordnete eine gleich lange Zugehörigkeit zum Parlament auf, fällt die Präsidentschaft auf den oder die Abgeordnete mit dem höchsten Lebensalter. Das bin bedauerlicherweise wahrscheinlich ich. Ich gehöre dem Landtag seit der 13. Wahlperiode, die am 5. Mai 1992 begonnen hat, ununterbrochen an. Ich frage zunächst, ob ein Mitglied des Hohen Hauses dem Landtag länger angehört. - Ich sehe keine Wortmeldung.

Wie mir bekannt ist, gehört der Abgeordnete Peter Lehnert dem Landtag ebenfalls seit der 13. Wahlperiode an. Von uns beiden Abgeordneten bin ich derjenige mit dem höchsten Lebensalter. Ich übernehme daher mit Ihrer Zustimmung die Aufgaben des Alterspräsidenten.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Vielen Dank, Herr Kollege Vogt, auch für Ihren Beitrag gerade eben.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie alle sehr herzlich. Bevor ich Tagesordnungspunkt 1 aufrufe, möchte ich Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne begrüßen.

(Beifall)

Ich begrüße Seine Exzellenz, den Erzbischof von Hamburg, sowie den Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein der Nordkirche. - Sehr geehrter Herr Erzbischof Dr. Heße, sehr geehrter Herr Bischof Magaard, seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Darüber hinaus freue ich mich, dass auch viele ehemalige Abgeordnete unter unseren Gästen sind. Auch sie grüße ich herzlich, ebenso wie die Partnerinnen und Partner, die auf der Tribüne sind und mitverfolgen wollen, wie ihre Partnerinnen und Partner im Landtag die erste Sitzung begehen.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Eröffnung der Sitzung durch den Alterspräsidenten

Ich eröffne die erste Sitzung der 19. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages und stelle die ordnungsgemäße Einberufung nach Artikel 19 Absatz 4 der Verfassung des Landes SchleswigHolstein fest.

Bevor wir in die weitere Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag trauert um die ehemaligen Abgeordneten Kurt Schulz und Hans Alwin Ketels sowie um den früheren Landesminister Professor Dr. Berndt Heydemann.

Kurt Schulz, der am 22. März 2017 im Alter von 94 Jahren verstarb, gehörte seit 1946 der SPD an. Er schlug nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tiefe Wurzeln in seiner neuen Heimat Eckernförde. Hier gestaltete Kurt Schulz Politik, hier nahm er regen Anteil am Wiederaufbau unseres - auch moralisch - in Trümmern liegenden Landes. Er tat weitaus mehr, als nur Anteil zu nehmen: Er übernahm Verantwortung, um die Dinge zum Guten zu wenden.

Als Kommunalpolitiker und ganz besonders als Bürgermeister der Stadt Eckernförde zwischen 1969 und 1987, deren Entwicklung er während seiner Amtszeit sehr positiv mitgestaltete, hat er sich bleibende Verdienste erworben. Dem SchleswigHolsteinischen Landtag gehörte Kurt Schulz von 1958 bis 1975 an. Hier möchte ich insbesondere sein Wirken als versierter Haushaltspolitiker, als stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses und schließlich - in der 7. Wahlperiode - als Erster Landtagsvizepräsident erwähnen.

Bemerkenswert, aber doch typisch für Kurt Schulz ist übrigens der Grund, warum er 1975 aus dem Landtag ausschied: Die Gesetzeslage ließ es nicht mehr zu, sowohl hauptamtlicher Bürgermeister als auch Mitglied des Landtages zu sein. Kurt Schulz hatte sich also zu entscheiden, und er entschied sich für das Amt des Eckernförder Bürgermeisters.

Beeindruckend und Maßstäbe setzend war auch sein Engagement als Grenzlandbeauftragter der Landesregierung von 1991 bis 2000. Hier bewies Kurt Schulz einmal mehr seine Qualitäten als Brückenbauer, als hoch integre und in höchstem Maße anerkannte Persönlichkeit, die sich beharrlich, warmherzig und schier unermüdlich für das

gute Miteinander und die Zukunft unseres Landes eingesetzt hat. Für seine herausragenden Verdienste wurde Kurt Schulz mit dem Großen Bundesverdienstkreuz geehrt.

Im stolzen Alter von 103 Jahren verstarb am 12. April 2017 unser ehemaliger Abgeordnetenkollege Hans Alwin Ketels, der 1965 für die CDU in den Landtag nachrückte und hier ab 1967 bis zu seinem Ausscheiden 1983 als direkt gewählter Abgeordneter den Wahlkreis Husum-Eiderstedt vertrat.

Hans Alwin Ketels, ein Eiderstedter durch und durch, erlebte die großen Umbrüche des 20. Jahrhunderts. Nach NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet zurückkehrte, wirkte der Landwirt maßgeblich am Neuanfang in Schleswig-Holstein mit. Er baute den Bauernverband, die Landjugend und die Landwirtschaftskammer mit auf, deren Vorstandsmitglied er von 1953 bis 1978 war. 1959 trat Hans Alwin Ketels der CDU bei und wurde im selben Jahr Mitglied des Eiderstedter Kreistages. Von 1966 bis zur Kreisgebietsreform 1970 war er der letzte Kreispräsident des Kreises Eiderstedt. Kommunalpolitisch engagiert blieb Hans Alwin Ketels noch bis 1990. Schwerpunkte der parlamentarischen Arbeit von Hans Alwin Ketels waren die Politikfelder Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Wirtschaft und Landesplanung.

Hans Alwin Ketels war ein Eiderstedter, wie er im Buche steht: heimatverbunden, aber weitsichtig, ohne jede Eitelkeit, nüchtern und geradlinig, aber eben auch humorvoll, fürsorglich und fähig, die Dinge und unterschiedliche Positionen zum Wohle des großen Ganzen zusammenzuführen.

Für seine Verdienste um unser Land wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, der Schleswig-Holstein-Medaille und der Freiherrvom-Stein-Medaille ausgezeichnet.

Erinnern wollen wir uns zu Beginn dieser Tagung auch an Professor Dr. Berndt Heydemann. Der frühere Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein verstarb am 6. April 2017. Er wurde 87 Jahre alt. Zu seinen großen politischen Leistungen gehörte es, ein Ministerium aufzubauen, das es bis dahin noch nicht gegeben hatte. Dies war keine einfache Aufgabe, bei der sich Professor Dr. Heydemann gegen viele - vor allem auch politische - Widerstände behauptet hat. Eine überragende Pionierleistung war auch das bundesweit erste Naturschutzgesetz, mit dem Professor Dr. Heydemann bleibende Maßstäbe setzte.

Fast alle von uns kannten und schätzten Berndt Heydemann als unabhängigen, brillanten und streitbaren Geist, der schier unermüdlich Leuchttürme errichtete - als politischer Gestalter ebenso wie als hoch qualifizierter Wissenschaftler, der zu den Begründern der Bionik und Ökotechnologie gehörte.

Berndt Heydemann konnte begeistern - als Forscher, der den Weg in die Politik fand, aber auch umgekehrt als Politiker, den es zurück in die Wissenschaft zog. In beiden Welten reizte ihn nicht nur die Analyse, sondern vor allem das Suchen und Finden von Lösungsansätzen.

Mit Berndt Heydemann, der 2005 den Deutschen Umweltpreis erhielt, hat unser Land eine wegweisende Persönlichkeit verloren, einen Vorreiter, der das Bewusstsein in unserer Gesellschaft veränderte und ihr die ganzheitliche Sicht auf die Beziehung von Mensch und Umwelt vermittelte.

Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag erinnert sich in Dankbarkeit an seine früheren Abgeordneten Kurt Schulz und Hans Alwin Ketels sowie an den früheren Landesminister Professor Dr. Berndt Heydemann. Wir verneigen uns vor ihrem beeindruckenden Lebenswerk. Ihren Angehörigen spreche ich im Namen des ganzen Hauses unsere tiefe Anteilnahme aus.

Heute erinnern wir uns in tiefem Schmerz auch an die Opfer der Terroranschläge von Kabul, Manchester und London. Wir trauern um die Toten, unter denen in Manchester vor allem Kinder und Jugendliche waren. Wir fühlen mit ihren Familien und allen Betroffenen, den Verletzten, den Rettungs- und Einsatzkräften. Wir stehen fest an der Seite unserer britischen Freunde, die den Verbrechern des IS wieder und wieder das gesamtgesellschaftliche Bekenntnis zu Pluralität, Freiheit und Menschenwürde entgegengesetzt haben, statt Hass mit Hass zu vergelten. Es wird den Islamisten nicht gelingen, den liberalen Geist der freien Welt zu besiegen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, einen Moment im Gedenken innezuhalten.

- Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Ich komme jetzt zu den Formalien, die für die heutige Sitzung erforderlich sind. So habe ich darauf hinzuweisen, dass die Geschäftsordnung des Landtages aus der abgelaufenen Wahlperiode nicht mehr in Kraft ist. Ich schlage Ihnen gleichwohl vor, die Geschäftsordnung der 18. Wahlperiode zunächst zur gemeinsamen Verfahrensgrundlage zu erklären, bis wir später über die Geschäftsordnung für die

(Alterspräsident Wolfgang Kubicki)

kommende Wahlperiode entscheiden. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Da wir nicht ohne Schriftführer auskommen, ernenne ich die Abgeordneten Lukas Kilian und Tobias von Pein zu vorläufigen Schriftführern. Ich bitte Sie, neben mir die Plätze einzunehmen. - Damit ist das Sitzungspräsidium vorläufig gebildet.

Meine Damen und Herren, der Landeswahlleiter hat die Wahl von 73 Abgeordneten festgestellt. Nach dem Wahlergebnis verteilen sich die Mandate wie folgt: CDU 25 Sitze, SPD 21 Sitze, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10 Sitze, FDP 9 Sitze, AfD 5 Sitze und SSW 3 Sitze.

Die Wahlprüfung durch den Landtag gemäß § 43 Absatz 1 Landeswahlgesetz wird noch erfolgen. Die von dem Landeswahlleiter als gewählt festgestellten Abgeordneten sind zu dieser Sitzung geladen worden und - wie ich sehe - vollständig erschienen. Ich kann damit die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses feststellen.

Wir werden heute voraussichtlich bis 13 Uhr tagen.

Ich weise noch darauf hin, dass die Konstituierung des Innen- und Rechtsausschusses im Anschluss an die heutige Sitzung erfolgen wird. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Alterspräsidenten steht das Recht zu, am Beginn einer Sitzung eine Rede zu halten. Ich möchte ausdrücklich von diesem Recht Gebrauch machen.

Ich habe heute zum zweiten Mal die Ehre, als Alterspräsident des Schleswig-Holsteinischen Landtags das erste Plenum einer Legislaturperiode zu eröffnen. Das Alterspräsidium ist in Schleswig-Holstein ausdrücklich nicht an das Lebensalter, sondern an das Dienstalter gebunden - eine weise Entscheidung. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, uns alle, die alten wie die neuen Kolleginnen und Kollegen, an parlamentarische Grundsätze zu erinnern, die in diesem Haus für alle Abgeordneten gelten.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag ist ein Ort des Austausches, der Debatte und des politischen Schlagabtausches. Die Bürgerinnen und Bürger, die uns in dieses Landesparlament gewählt haben, erwarten von uns zu Recht klare Bekenntnisse zum eigenen Standpunkt und, wo nötig, deutliche Worte. Das alles aber enthebt niemanden der Verantwortung, die er allen Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen gegenüber hat, nämlich eines respektvollen Umgangs miteinander.

Unsere parlamentarische Demokratie lebt von einer engagierten Regierung ebenso wie von einer engagierten Opposition. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, mit sachlichen Argumenten um die besten Lösungen für die Menschen in Schleswig-Holstein zu ringen. Diese Auseinandersetzung kommt nicht ohne Toleranz und ohne Respekt vor dem Andersdenkenden aus. Das verbietet persönliche Verunglimpfungen. Das verbietet jede Form der Diskriminierung. Das verbietet jeder Abgeordneten und jedem Abgeordneten die Verabsolutierung der eigenen Meinung.

Hier ist ein Blick in unser Grundgesetz aufschlussreich, und zwar insbesondere in unseren fundamentalen Artikel 1, der leider oft nur unvollständig zitiert wird. Dort heißt es zunächst:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Ich wiederhole:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Die Würde jedes einzelnen Menschen, egal welcher Herkunft, welchen Glaubens, welcher Hautfarbe oder welcher sexuellen Orientierung. Es heißt nachfolgend:

„Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten und zu schützen ist Verpflichtung jeder staatlichen Gewalt.