Protocol of the Session on June 16, 2021

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- Sehr gut, Frau Raudies. - Diese breite Unterstützung war ein wichtiges Zeichen, denn viel zu oft werden Polizistinnen und Polizisten, Vollzugskräfte oder auch Mitarbeiter kommunaler Ordnungsämter im Dienst angegriffen und verletzt.

Seinerzeit wurde der Fokus der Debatte auf die Täter gelegt, die wirtschaftlich nicht in der Lage sind, die rechtskräftigen Schadensersatzansprüche zu erfüllen. Ob und inwieweit der Gesetzgeber auch Fälle von Schuldunfähigkeit nach § 827 BGB im Blick hatte, lässt sich auch nach Lektüre der damaligen Reden nicht abschließend beurteilen.

Es ist also durchaus möglich, dass hier eine Regelungslücke besteht. Wenn diese denn besteht, ist sie aus meiner Sicht zu schließen. Nichtsdestotrotz bedarf es zur Feststellung einer solchen Regelungslücke einer ausführlichen Begutachtung und entsprechenden Erörterung. Wir sollten dies gemeinsam im Innen- und Rechtsausschuss tun. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und Kay Richert [FDP])

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags die Beauftragte für die Landespolizei, Samiah El Samadoni.

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau El Samadoni, es ist gut, dass wir den Bericht der Polizeibeauftragten und den Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Lan

desbeamtengesetzes in einem Tagesordnungspunkt zusammenzufassen. Diese Initiative stammt nicht nur aus einem Bericht der Polizeibeauftragten; wie viele andere Empfehlungen aus den vorliegenden Berichten macht sie selbst für die hartnäckigsten Kritiker und Kritikerinnen der Polizeibeauftragtenstelle deutlich: Frau El Samadoni ist nicht eine Misstrauensbeauftragte gegen die Polizei, sondern neben einer kompetenten Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger auch eine engagierte Vertreterin der Interessen innerhalb der Polizei selbst.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das macht auch der vorliegende Bericht für die Jahre 2018 bis 2020 sehr deutlich. Von den 504 Fällen in diesem Zeitraum stammen 308 Eingaben aus der Polizei. Bei 190 Angelegenheiten handelt es sich um Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. Auch die Entwicklung der Fallzahlen macht deutlich, dass die Polizeibeauftragte gebraucht wird. Waren es im ersten Berichtszeitraum knapp 400 zu bearbeitende Fälle, sind es jetzt ungefähr 100 mehr. Diese Zahlen belegen, dass die Erzählung, eine Polizeibeauftragte sei überflüssig, weil es ja genügend andere Beschwerdemöglichkeiten - zum Beispiel Dienstaufsichtsbeschwerde, Personalvertretungen, Berufsverbände, Mobbingkommission in der Polizei - gebe, nicht überzeugt. Wer am 31. Mai 2021 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Rockeraffäre mitverfolgt hat, wie eine erfahrene Polizeipsychologin aus dem Arbeitskreis Mobbing und ein langjähriger Konfliktberater der Polizei erschüttert und erbittert darüber berichteten, wie sie im Landeskriminalamt ab 2012 an einer Mauer aus Ignoranz, Machtbewusstsein und nicht vorhandener Fehlereinsicht des Führungspersonals scheiterten, wurde eines Besseren belehrt.

Liebe Frau El Samadoni, wir sind froh und glücklich, dass es Sie und Ihr engagiertes Team gibt. Seien Sie versichert: Die Landtagsfraktion der Grünen wird Sie immer und in jeder Situation bei Ihrem wichtigen Auftrag und Ihrer wichtigen Arbeit unterstützen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich komme kurz zum Gesetzentwurf. Nummer 1 erscheint mir unmittelbar nachvollziehbar und sinnvoll zu sein: Ist der Aufenthalt der schadensersatzpflichtigen Person nicht zu ermitteln, übernimmt die Dienstherrin oder der Dienstherr. Wer sich beruflich mit gerichtlichem Forderungseinzug befasst, weiß, dass derartige Fälle in der Praxis nicht selten

(Tim Brockmann)

sind. Aus Fürsorgegesichtspunkten ist es angemessen, die betroffenen Menschen mit diesem Risiko nicht alleinzulassen.

Die Nummer 2 sollte genauer betrachtet werden. Es geht darum, eine Schadensübernahme auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen die schadensverursachende Person in einem Zustand der Schuldunfähigkeit handelte und deswegen ein zivilrechtlicher Schmerzensgeldtitel gegen sie nicht erwirkt werden kann. Auf den ersten Blick scheint das oft einzutreten, denkt man an Fälle, in denen eine Angreiferin oder ein Angreifer bei einem Polizeieinsatz volltrunken ist oder schwer unter Drogen steht.

Tatsächlich ist aber in diesen Fällen scharf zwischen der strafrechtlichen Schuldunfähigkeit und der zivilrechtlichen Deliktsunfähigkeit zu unterscheiden. In den meisten denkbaren Fällen, in denen eine Schuldunfähigkeit nach den Maßstäben des Strafrechts und dem Grundsatz in dubio pro reo nicht ausgeschlossen werden kann, bleibt eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach § 827 BGB durchaus bestehen und könnte in einem Strafverfahren im Wege eines Adhäsionsantrags auch verfahrensökonomisch geltend gemacht werden.

Wir sollten daher im Rahmen der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss genauer unter die Lupe nehmen, ob für die Nummer 2 des Änderungsvorschlags tatsächlich ein praktisches Bedürfnis besteht. - Vielen Dank.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Hansen das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Eins haben wir beim gestrigen Länderspiel gelernt: Man sollte nie gefangen im eigenen System sein. Häufig hilft da ein Blick von außen. Für die Landespolizei liegt dieser Blick von außen nun vor. Im Namen der FDP darf ich mich herzlich bei Frau El Samadoni und ihrem Team für ihren nunmehr zweiten Tätigkeitsbericht bedanken.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das im Bericht formulierte Ziel, „das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bürger*innen und Polizei zu stärken“, ist gut. Unsere Landespolizei als unsere Bürgerpolizei dokumentiert darüber hinaus tag

täglich, dass sie diesem Anspruch gerecht wird. Das belegen auch die nunmehr vorgelegten Zahlen und Bewertungen.

Wir können feststellen, dass offen, aber auch unterschwellig formulierte Vorwürfe wie zum Beispiel Polizeigewalt oder übermäßige polizeiliche Übergriffe durch diesen Bericht nicht belegt werden.

(Beifall Kathrin Bockey [SPD])

Auch diese Feststellung ist gut für unsere Landespolizei, und allein diese Erkenntnis ist ein Wert an sich.

(Beifall FDP)

Die Beauftragte für die Landespolizei ist eine Institution, die sich über die Jahre mehr und mehr etabliert hat. Im Berichtszeitraum 2019 bis 2020 erreichten Frau El Samadoni 120 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern und damit mehr als in den Jahren zuvor. Das mag den Anschein erwecken, es habe vermehrt den Grund zur Beschwerde durch die Bürgerinnen und Bürger gegeben. Wenn man allerdings genauer hinschaut, relativiert sich diese Feststellung glücklicherweise: 14-mal missglückte Kommunikation, wobei immer noch genau betrachtet werden muss, wo nun eigentlich der Knackpunkt lag, beim Sender oder beim Empfänger. 19-mal wurde sich in fachlicher Hinsicht an die Polizeibeauftragte gewandt - überwiegend unbegründet, wie es auf Seite 15 des Berichts heißt. 14-mal wurde die Rechtmäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen angezweifelt, von diesen Fällen waren acht Beratungshandlungen, zwei stellten sich als rechtmäßig heraus, zwei waren nicht aufklärbar, bei einem wurde der Kontakt abgebrochen. Lediglich in einem Sachverhalt wurde die Unrechtmäßigkeit angenommen.

Die Zahlen und die Substanz der Beschwerden von außen sind also gering und belegen, dass unser Vertrauen in unsere Landespolizei gerechtfertigt ist. Das ist eine gute Botschaft.

Gut ist auch, dass jede Eingabe ernst genommen wird und damit Akzeptanz und Transparenz bei den Bürgerinnen und Bürgern geschaffen wird. Die Beauftragte ist damit zu einem Großteil eine Ansprechstelle, vielleicht auch Kummerkasten, aber auch ein Sprachrohr für die Bürgerinnen und Bürger. Aber hier lohnt sich ein genauer Blick. Ich finde es problematisch, wenn die Polizeibeauftragte im Vorwort des Berichts auf Seite 4 aufgrund eines Sachverhaltes schreibt,

(Burkhard Peters)

„dass von Seiten der Polizei vorrangig aufgeklärt werden soll, wer sich an die Polizeibeauftragte gewandt hat“.

Was der Bericht als ein Vertrauensproblem zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der einen Seite und Vorgesetzten auf der anderen Seite diagnostiziert, kann man auch als pauschale Überbewertung der Faktenlage deuten. Jedenfalls war dies mein erster Gedanke. Ich hätte mir hier durchaus mehr sachliche Distanz gewünscht. Wir wollen doch Vorgesetzte, die aktiv auf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugehen. Ja, ich will diese Führungskultur in der Landespolizei.

Ein zweiter Aspekt: Welche Rolle spielt der Personalrat? Es wurde gerade angesprochen, er ist frei gewählt. Wird er mittelbar über eine Polizeidirektion oder unmittelbar in den Prozess eingebunden? Entstehen hier Konkurrenzen? - Das sind nur zwei Beispiele, die wir noch einmal genau betrachten sollten. Das soll aber wirklich nicht ausblenden, dass wir den Tätigkeitsbericht selbstverständlich als Orientierungshilfe sehen. Daher werden wir auch die hier enthaltenen Empfehlungen ausführlich beraten.

Damit komme ich zum SPD-Antrag, für den ich ausnahmsweise einmal, liebe Frau Raudies, Sympathie hege. Auch mit ihm werden wir uns sorgfältig auseinandersetzen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner sind darauf eingegangen: Wenn wir die Lage für die Polizei verbessern können, unterstützt die FDP das.

(Beifall FDP)

Abschließend will ich meinen Einstieg noch einmal zusammenbinden. Ich will gern feststellen, dass ich unsere Landespolizei - anders als unsere Nationalmannschaft - nicht im eigenen System gefangen, sondern als lernende Organisation wahrnehme. Ihre parallel veranlassten Maßnahmen, die wir hier auch diskutiert haben, belegen dies eindrucksvoll. So verhindern wir auch Eigentore. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich zum Tätigkeitsbe

richt der Polizeibeauftragten des Landes einige Worte verlieren. Kurz zur Orientierung: Der Bericht geht auf die Tätigkeit im Zeitraum von Oktober 2018 bis September 2020 ein, also auf zwei Jahre. Mehrere hundert Eingaben wurden behandelt. Während die Anzahl der Eingaben von der Landespolizei im Vergleich zum vorherigen Tätigkeitsbericht annähernd gleichgeblieben ist, so hat sich die Anzahl der Eingaben aus der Bevölkerung nahezu verdoppelt. Ich würde diese Steigerung nicht als gestiegenes Misstrauen gegenüber der Polizei werten, sondern sie hängt in meinen Augen vielmehr damit zusammen, dass die Polizeibeauftragte und ihre Arbeit in unserem Land bekannter geworden sind. Das ist aus meiner Sicht schon einmal sehr erfreulich und natürlich ein positives Signal für die im Vergleich zu anderen Beauftragten doch relativ neue Funktion. Ebenso erfreulich ist, dass sich eben genau diese beiden Gruppen melden: Polizeibeamte, aber eben auch die Bevölkerung zu gleichen Teilen. Unser Ansinnen, eine genau solche Position neu einzurichten, die ganz konkret mit beiden Seiten spricht, war eine richtige Entscheidung. Der Redebedarf ist auf beiden Seiten vorhanden, und der Bericht ist der beste Beweis dafür, wie fruchtbar die Arbeit der Beauftragten für alle Beteiligten ist.

(Beifall SSW, Beate Raudies [SPD] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Genau aus diesem Grunde möchte ich sagen: In meinen Augen ist es ein echter Gewinn für das ganze Land. Im Bericht selbst lassen sich die Hauptanliegen grob in zwei Schwerpunkte einteilen, nämlich in Kommunikation auf der einen Seite und Gesundheit auf der anderen Seite. Bei der Kommunikation geht es polizeiintern oft um dienstliche Konflikte innerhalb der Polizeieinheiten, während es vonseiten der Bürgerinnen und Bürger vornehmlich um Kommunikation zwischen Polizei und Bürgern geht - sicherlich ein großes Themenfeld, das sich aber regelmäßig nur im Einzelfall lösen lässt, aber auf das man eben ganz grundsätzlich Wert legen sollte.

Der zweite große Themenschwerpunkt ist die Gesundheit. Zum einen geht es dabei um die veränderten Begegnungsbedingungen zwischen Polizei und der Zivilbevölkerung, zum anderen geht es hier aber auch um mögliche Covid-Ansteckungen am Arbeitsplatz der Bediensteten. Diese Fragestellung haben wir kürzlich im Zusammenhang mit einem Antrag der Sozialdemokraten hier diskutiert. Wir als SSW teilen die Position der Beauftragten, hier gesetzlich nachzubessern, um die Anerkennung als Dienstunfall zu ermöglichen.

(Jörg Hansen)

Eine andere zu beanstandende Realität wird in Bezug auf die Liegenschaften der Polizei geschildert. Was auf den ersten Blick vielleicht nichts mit der Gesundheit der Bediensteten zu tun hat, steht auf den zweiten Blick doch im erheblichen Zusammenhang mit gesundheitlichen Belangen. So wird von Petenten unter anderem über Schwarzschimmelbefall in den Dienstgebäuden berichtet.

All dies bildet die weite Bandbreite der Arbeit der Polizeibeauftragten und der dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Im Bericht lässt sich schnell erkennen: Frau El Samadoni und ihr Team haben viel zu tun, und das ist, wie ich bereits gesagt habe, sehr erfreulich, auch wenn das natürlich Stress für die Person verursacht, aber es dient eben nicht nur der Polizei, sondern auch der Bevölkerung. Es ist gut, dass wir dieses Amt eingerichtet haben.

Der vorliegende Antrag der SPD zur Änderung des Landesbeamtengesetzes schließt sich thematisch an und greift eine Problemdarstellung der Beauftragten für die Landespolizei auf. Auch hier geht es im weitesten Sinne um Gesundheit, nämlich um Schadenersatzzahlungen bei Gewalteinwirkungen. Die Kollegin Raudies möchte, dass Polizeibeamte bei der Durchsetzung einer eigenen zivilrechtlichen Schmerzensgeldforderung unterstützt werden. Ein solches Ziel können wir als SSW nur unterstützen. Vor allem sollte es auch darum gehen, dass die Schadenersatzzahlung möglichst zeitnah erfolgen muss. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Arbeit von Frau El Samadoni und ihrem Team immer wieder an den richtigen Stellschrauben dreht, um die Lebensqualität sowohl der Polizei als auch der Bürgerinnen und Bürger ein Stück zu verbessern.